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Künstlerische Strategien bei der Aneignung von fotografischen Bildern im Kontext der Digitalisierung
(2019)
Es erscheint zunächst nur konsequent, wenn einige Künstler*innen sich heute entschließen, auf die Herstellung eigener Fotografien gänzlich zu verzichten, und sich gleich aus dem globalen Pool von Bildern bedienen, um diese dann zu verfremden, zu collagieren und neu zu kontextualisieren. Sie überspringen den Schritt der Bilderstellung und gehen gleich zur Realisation (und Vermarktung) szenischer oder ornamentaler Ideen über.
Jeder Fotograf – Laie wie Profi – wird unter diesen Bedingungen mit seinen Bildern im Netz zum Materiallieferanten, der zuweilen auch den Künstlern im Atelier zuarbeitet, wenn diese die Bildrechte im Sinne der Kunstfreiheit außer Kraft zu setzen wissen. Die Praktiken der originalen Bildherstellung entfallen so zugunsten der Operationen an vorhandenen Bildern. Das Studio wird zum Post-Studio. Diesen Arbeitsraum gilt es, im Folgenden genauer zu untersuchen. Es handelt sich im Gegensatz zum konkreten, stillen Raum um eine Virtual Reality, die ihrerseits von immateriellen, selbstaktiven Prozeduren bestimmt wird.
Dieser Text handelt nicht von antisemitischen Bildern, sondern von Bildern, die im Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt werden. Genauer gesagt, geht es um das Plakat der internationalen Tagung „An End to Antisemitism“, die vom 18. bis zum 22. Februar 2018 in Wien stattfand. Auf diesem Plakat ist eine Grafik zu sehen, die das Sündenbock-Motiv visualisiert und somit die Funktions- und Wirkungsweise von Antisemitismus kritisch zu veranschaulichen versucht.
Ein antisemitisches Gespenst im Advent. Der Adventskalender der „Deutschen Apotheker Zeitung“
(2019)
Mit einer Figur, die in Reinform klassische Merkmale des modernen Antisemitismus trägt, rechnet man im Adventskalender der „Deutschen Apotheker Zeitung“ (DAZ) zunächst einmal nicht. Hat sich ein Gespenst aus der Vergangenheit in die Gegenwart verirrt? Oder liegt das Problem im Auge der Betrachter*in, in einer Déformation professionelle, die in einer aktuellen Karikatur ein altes antisemitisches Bild sieht und so Vergangenheit und Gegenwart zu schnell in einen Topf wirft? Der Historiker David Nirenberg warnt in seinem Buch „Anti-Judaismus“ vor solchen vereinfachenden Kontinuitätserzählungen des Antisemitismus: „Wir wissen […], dass Historiker uralte Haken finden können, um darauf neue Hüte zu hängen.“ Betrachtet man jedoch den „DAZ-Adventskalender“ von 2019, hat man den Eindruck, die Apotheker*innen hätten den uralten Haken der Judenfeindschaft gefunden, um Probleme ihres Standes daran aufzuhängen.
Das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD) ist ein Kölner Verein, der sich die Dokumentation der Migration nach Deutschland zur Aufgabe gemacht hat. 1990 als „Archiv von unten“ von aus der Türkei stammenden Migranten unter dem Kürzel DOMiT (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei e.V.) gegründet, widmete es sich zunächst ausschließlich der Migrationsgeschichte aus der Türkei. 2007 erfolgte die Fusion mit dem Verein Migrationsmuseum in Deutschland und die thematische Weitung hin zur Geschichte der Einwanderung nach Deutschland in allen Facetten.
Nachrichten, Blogs, Online-Zeitschriften, Websites von Museen, von Gedenkstätten und anderen Bildungseinrichtungen, Online-Ausstellungen, Social Media – sie alle zeigen Bilder: groß aufgezogen, als Fotostrecke, in kleineren Formaten, mit oder ohne Bildunterschrift. Visuelle Informationen gehören im Netz dazu. Häufig dienen Bilder der Illustrierung von Texten; sie sind ästhetische Elemente, die visuell die Inhalte der Website kommunizieren sollen. Selten steht ihr eigener Quellenwert im Vordergrund. Bilder – und hierzu zählen auch historische Fotografien – sind niedrigschwellig durch Bildagenturen, Online-Bildarchive, Bilddatenbanken und Social Media zugängig, darunter auch solche, die diskriminierende Inhalte zeigen. Wie aber können wir mit Bildmaterial umgehen, das negative oder ausgrenzende Zuschreibungen aufweist und etwa die Persönlichkeitsrechte eines Menschen verletzt? Auseinandersetzungen über bildethische Fragestellungen in der Verwendung von (historischen) Fotografien finden zwar intern in einer Redaktion, in einem Ausstellungsteam, bei der Planung eines Buches immer wieder statt, allerdings werden diese noch kaum dokumentiert. Eine Diskussion in der Fachöffentlichkeit hat sich darüber noch nicht etabliert. Der Workshop „Bildethik – zum Umgang mit Bildern im Internet“ wollte genau hier ansetzen und einen Austausch von Erfahrungen, Methoden und Strategien im Umgang initiieren.
Als bekannt wurde, dass Sebastião Salgado als erster Fotograf den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2019 bekommt, hatte ich das Gefühl, dass er medial vor allem durchgewinkt wurde, obwohl seine Art zu fotografieren innerhalb der Fotografie und Fototheorie stark polarisiert, weil er wie kaum ein zweiter Künstler die Fotografie mit ihren Dichotomien konfrontiert. Er ist Amateur und Profi, Fotojournalist und Kunstfotograf; er produziert nicht nur Fotografie, er vertreibt und kuratiert sie auch; er ist – zusammen mit seiner Frau – seine eigene Agentur und thematisch sowohl konservativ und religiös, als auch an zeitgenössischen Diskursen interessiert. Andere Dualismen sind die zwischen barock und schwarz-weiß, zwischen emotional und ästhetisch distanziert. Sie zeigen sich auch in der Rezeption, je nachdem, von welcher Seite er betrachtet wird. Denn dokumentarische Praktiken werden im Fotojournalismus anders diskutiert als im Kunstbetrieb.