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Historische Anthropologie
(2012)
Die Historische Anthropologie untersucht aus einer interdisziplinären Perspektive die Historizität des Menschen, indem sie nicht nach einem unveränderlichen „Wesen”, sondern nach historisch variablen Wissensformen fragt. Der Beitrag von Jakob Tanner zeigt, wie die Annäherung von Geschichte und Anthropologie seit den 1960er-Jahren die Voraussetzungen schuf, um die Geschichtlichkeit der Menschen auf neue Weise zu denken. Anschließend werden die wichtigsten theoretischen Annahmen der Historischen Anthropologie vorgestellt, wobei die vielfältigen Repräsentationen von Menschen, der Wandel sozialer Praktiken sowie Kulturtechniken und die sich wandelnden Vorstellungen von der „Natur” des Menschen zentrale Bezugspunkte der Analyse darstellen.
Die Geschichtsschreibung über Banken und Finanzmärkte im Industriezeitalter als spezieller Zweig der Wirtschaftsgeschichte wurde von der Zeitgeschichte, sowohl in ihrer klassischen politik- und sozialhistorischen als auch in ihrer aktuellen, stärker kulturalistischen Ausprägung, bisher kaum zur Kenntnis genommen: Banken und Finanzmärkte scheinen Opfer „blinder Flecken“ in der Wahrnehmung der Zeithistoriker/innen zu sein.
Human-Animal Studies
(2012)
Mieke Roscher widmet sich in ihrem Artikel dem noch recht jungen, interdisziplinären Forschungsfeld der Human-Animal Studies. Gegenüber älteren Beschäftigungen mit Mensch-Tier-Verhältnissen nehmen die Human-Animal Studies einen Perspektivwechsel vor, indem sie auf die Anerkennung tierischer „Wirkmächtigkeit” und ihrer „Agency“ abheben und in kritischer Perspektive gesellschaftliche Konzepte des „Animalischen” dekonstruieren. Vor allem historisieren die Human-Animal Studies jedoch das changierende Verhältnis von Mensch und Tier. Der Artikel betrachtet die institutionelle Entwicklung der Disziplin, bietet einen Überblick über insbesondere zeithistorische Forschungsthemen und stellt schließlich die theoretisch-methodischen Ansätze der Tiergeschichtsschreibung vor.
Die Konsumgeschichte ist ein relativ junges, seit den 1990er-Jahren stark expandierendes Forschungsfeld innerhalb der Zeitgeschichte. Wie Manuel Schramm in seinem Überblick deutlich macht, handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, der in der Abwendung von einem produktionszentrierten Paradigma der älteren Sozial- und Gesellschaftsgeschichte zu sehen ist. Vielmehr geraten mit der Konsumgeschichte Prozesse der Kommerzialisierung, die Bedeutung von Märkten und auch individuelle Konsumbedürfnisse stärker in den Blick der zeithistorischen Forschung. Vor diesem Hintergrund plädiert der Autor dafür, dass mit der Konsumgeschichte auch wesentliche Kategorien der Gesellschaftsgeschichte wie soziale Ungleichheit und wirtschaftliches Wachstum neu überdacht werden müssen.
Säkularisierungstheorie
(2013)
Die Säkularisierungstheorie, die sich mit dem Bedeutungsrückgang der Religion in modernen Gesellschaften beschäftigt und lange Zeit die Beschreibungen und Erklärungen für den religiösen Wandel in der Moderne dominierte, scheint in der heutigen Zeit an Gewicht zu verlieren. Detlef Pollack diskutiert in seinem Beitrag dieses Phänomen, wobei er zuerst auf den Inhalt der Säkularisierungstheorie eingeht, bevor er sich mit den verschiedenen Bedeutungen des Säkularisierungsbegriffes befasst. Zum Abschluss skizziert Pollack die kritischen Positionen in Bezug auf die Theorie und nimmt gleichzeitig Stellung dazu.
Erinnerung und Gedächtnis
(2010)
Gedächtnis und Erinnerung gehören heute zu den Schlüsselkategorien der Geistes- und Sozialwissenschaften.Gedächtnis und Erinnerung sind geläufige Begriffe, die in der Regel nur dahingehend differenziert werden, als dass das Gedächtnis die Erinnerung erst ermöglicht. Das Gedächtnis beinhaltet in diesem Sinne eine virtuelle und manifeste Infrastruktur. Menschen brauchen dabei nicht nur ein Gehirn als organische Basis, sondern sie sind in hohem Masse auf externe Erinnerungsspeicher unterschiedlichster Art angewiesen, um jene fragilen Bewusstseinsakte zu erzeugen, die gemeinhin Erinnerung genannt werden.
Wer oder was ein Intellektueller sei und worin seine politische und gesellschaftliche Aufgabe bestehe, war während des 20. Jahrhunderts stets ein umkämpfter Gegenstand intellektueller Debatten. Daniel Morat plädiert in der Auseinandersetzung mit der bisherigen Intellektuellengeschichtsschreibung für eine formale und wertneutrale Definition des Intellektuellenbegriffs, die auch unabhängig von den Selbstbeschreibungen als wissenschaftliche Analysekategorie tragfähig ist. Daran anschließend widmet er sich der Entstehung des Intellektuellen als moderner Sozialfigur im internationalen Kontext und stellt wichtige Forschungstendenzen und Themenfelder vor. Die Frage nach dem Tod des Intellektuellen in der Postmoderne verneint er klar, denn schon die anhaltende Debatte darüber sei ein Zeichen für sein Weiterleben – unabhängig davon, ob das Medium der Intellektuellen nun der klassische Leitartikel, die Fernsehshow oder aber heute der Internet-Blog ist.
Sozialgeschichte und Historische Sozialwissenschaft gehören sicherlich zu den prägendsten Methoden und Forschungsfeldern der Zeitgeschichte, auch wenn sie Ende der 1980er-Jahre in die Kritik der aufsteigenden Kulturgeschichte gerieten. Klaus Nathaus verweist auf vier Gebiete, in denen sich die Sozialgeschichte derzeit neu erfindet: die Wiederentdeckung „großer” Themen wie Ungleichheiten, Globalisierung, Arbeit, Märkte und Kapitalismus; theoriegeleitete Arbeiten zu historischem Wandel, Prozessen und Kontinuitäten im Anschluss an die „historical sociology“; die Analyse sozialer Beziehungen sowie die Untersuchung einer zunehmend medialisierten Selbstbeobachtung von Gesellschaft.
In ihrem Beitrag über „Zeitgeschichte in Museen - Museen in der Zeitgeschichte“ widmet sich Kristiane Janeke der Entwicklung von Museen und Ausstellungen zu zeithistorischen Themen und der interdisziplinären Forschung zu Theorie und Praxis des Ausstellens. Nach Janeke sind zeithistorische Museen in der letzten Zeit in einer zunehmend heterogenen und multikulturellen Gesellschaft zu Bildungsorten geworden, in denen relevante zeithistorische Diskurse reflektiert und durch das Medium der Ausstellung mitgeprägt werden. Anlass genug, dass sich auch Zeithistoriker/innen noch stärker mit der Thematisierung von Geschichte in Museen auseinandersetzen.
Historischer Vergleich
(2012)
Hartmut Kaelble zeigt in seinem Beitrag für Docupedia, dass sich Methodik, Praxis und damit auch Vergleichsräume und Vergleichszeiträume des Historischen Vergleichs in den letzten Jahren stark verändert haben. Nachdem die theoretischen Diskussionen der 1990er-Jahre über den Historischen Vergleich als weitgehend abgeschlossen angesehen werden können, ist er heute ein fest etablierter, eigenständiger Teil der transnationalen Geschichte. Wissenschaftshistorisch hat er damit zur Herauslösung der Geschichtswissenschaft aus rein nationalgeschichtlichen Traditionen beigetragen.
Transitional Justice
(2013)
Der Begriff Transitional Justice etablierte sich am Ende der 1990er-Jahre in Politik und Politikberatung sowie in der sozial- und rechtswissenschaftlichen Forschung. Er steht für den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Verbrechen, die während eines Bürgerkriegs oder vor einem politischen Umbruch begangen wurden. Anne K. Krüger widmet sich in ihrem Beitrag dem Verhältnis der Transitional Justice-Forschung zu deutschen Debatten über die „Vergangenheitsaufarbeitung”, zeichnet die unterschiedlichen Forschungsrichtungen in diesem oftmals praxisbezogenen Feld nach und skizziert schließlich Anschlusspunkte für die Zeitgeschichtsschreibung.
Nimmt man Fritz Fischers Buch heute wieder zur Hand, so versteht man kaum die Aufregung, die es bei seinem Erscheinen ausgelöst hat. Minutiös und in gedrängter Form untersuchte der Hamburger Neuzeithistoriker auf fast 900 Seiten ebenso erschöpfend wie ermüdend die Kriegszielprogramme der zivilen und militärischen Reichsleitung sowie einflussreicher gesellschaftlicher Gruppen des deutschen Kaiserreichs während des Ersten Weltkriegs. (...)
Wiederveröffentlichung von: Klaus Große Kracht, „An das gute Gewissen der Deutschen ist eine Mine gelegt“. Fritz Fischer und die Kontinuitäten deutscher Geschichte in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 66-70.
In wenigen Jahren ist ein breiter und differenzierter Markt für Geschichte entstanden, auf dem gelernte Historiker mit unterschiedlichen Studienwegen und Ausbildungsintensitäten sehr gute Chancen haben. Eine neuerdings boomende private Kulturwirtschaft braucht Kulturunternehmer, vom Organisator oder Mitwirkenden an ‚Living-History-Events’ über das Angebot von Recherche- oder Erzähldienstleistungen für Unternehmen bis zum Reiseleiter oder ‚Destinationsmanager’ im Kulturtourismus. Chancen haben vor allem breit ausgebildete Historiker, solche, die auch von Antike und Mittelalter eine Ahnung haben, und solche Historiker, die es verstehen, eine aktuelle Nachfrage zu bedienen oder gar neue Bedürfnisse zu wecken.
Dieser Text ist Teil der Buchpublikation: Wolfgang Hardtwig, Verlust der Geschichte – oder wie unterhaltsam ist die Vergangenheit?
Ist Facebook eine zeithistorische Quelle, und wer archiviert die Tweets der Politiker? Wie nutzt man digitale Quellen, und wie verändert sich die Quellenkritik, wenn die Kopie sich vom Original nicht mehr unterscheiden lässt? Seit Beginn der 2010er-Jahre wird unter dem Stichwort „Digital Humanities” insbesondere im angelsächsischen Raum eine intensive Debatte über neue Potenziale für die Geisteswissenschaften geführt: Peter Haber zeichnet in seinem Beitrag die Entwicklung der Digital Humanities nach und fragt, ob sich mit der Digitalisierung nicht nur die Qualität und Quantität der Quellen, sondern auch der gesamte Arbeitsprozess von Zeithistoriker/innen verändert hat.
Geschlechtergeschichte
(2012)
Geschlecht, so die These des Beitrags von Kirsten Heinsohn und Claudia Kemper im Anschluss an die Forschung, ist keine geschlossene oder gar ausdiskutierte Kategorie. Vielmehr ist das, was unter Geschlecht verstanden wird, ein fortlaufender Aushandlungsprozess, der insbesondere im Hinblick auf seine strukturgebenden und situativen Bedeutungen zu historisieren ist. Die Autorinnen skizzieren das Forschungsfeld „Geschlechtergeschichte“, stellen zentrale theoretische Überlegungen vor und entwickeln schließlich Perspektiven für eine geschlechterhistorisch erweiterte Zeitgeschichte.
Globalisierung/en
(2012)
Globalisierung ist in Wissenschaft und Feuilleton ein allgegenwärtiger Begriff. Angelika Epple diskutiert in ihrem Beitrag die wichtigsten Merkmale des Globalisierungsphänomens und bietet einen einführenden Überblick in die neuere Forschung. Das weit verbreitete Unbehagen am Globalisierungsbegriff macht sich bei den meisten seiner Kritiker daran fest, dass er eine lineare historische Entwicklung in der Tradition der Modernisierungstheorie impliziert. Epple plädiert deshalb dafür, den Begriff im Plural zu verwenden, da es sich um einen asymmetrischen und vielschichtigen Verflechtungsprozess unterschiedlicher Geschwindigkeiten handelt, der von Individuen und Kollektiven vorangetrieben, gebremst, transformiert und verändert werden kann.
Zeit ist eine der grundlegendsten Kategorien der Geschichtswissenschaft. Rüdiger Graf widmet sich dem Begriff und Phänomen der Zeit zunächst anhand von neueren Theorien über die Zeit in unterschiedlichen Wissensfeldern. Ausgehend von sprachanalytischen Überlegungen hält er fest, dass die Geschichtswissenschaft sich stärker als bisher mit dem Zusammenhang von vergangenen Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukunftsvorstellungen beschäftigen sollte. Die zentrale Aufgabe einer Zeitgeschichte als einer Geschichte unserer Zeit besteht für ihn darin, zentrale Deutungen der Zeit nicht einfach zu reproduzieren, sondern sie vielmehr zu historisieren und zugleich als Faktoren in und für den Wandel der Zeit miteinzubeziehen.
Keine Epoche und kein Gegenstand der Zeitgeschichte ist vor transnationalen Fragestellungen sicher, gleich ob wir im Falle Deutschlands über die die alte Bundesrepublik, die DDR, Weimar, den Nationalsozialismus oder das Kaiserreich forschen. Auch für Europa stellt sich die Frage, ob dieses sich „transnational schreiben” lässt.
Cultural Turns
(2010)
In den neueren Kultur- und Sozialwissenschaften ist noch immer die Rede vom „Cultural Turn”, der in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Hinwendung der einzelnen Disziplinen auf die Analyse kultureller Bedeutungen und symbolischer Ordnungen ausgelöst hat. Diese Meistererzählung von dem einen herausgehobenen Cultural Turn, der noch dazu im Bann eines übermächtigen linguistic turn verharrt, ist jedoch fragwürdig. Denn wendet man sich der Vielzahl und Verschiedenheit der cultural turns zu, dann entfaltet sich eine andere Geschichte der neueren Kulturwissenschaften, die ausdrücklich auf Pluralisierung zielt.
Kulturgeschichte
(2013)
Auf die neuen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen seit den 1990er-Jahren reagiert die Kulturgeschichte nicht nur mit einer umfassenden Ausweitung ihrer Themen, sondern auch mit einer Perspektivierung, die auf Sinngebungsformen und Bedeutungsnetze zielt, mit denen Gesellschaften der Vergangenheit ihre Wirklichkeiten ausgestattet haben. Achim Landwehr gibt in seinem Beitrag einen kurzen Überblick über die Geschichte der Kulturgeschichte, geht auf die zeitgenössischen Herausforderungen ein und benennt exemplarisch Themenbereiche, für die eine kulturhistorische Befragung zukünftig lohnend erscheint.
Didaktik der Geschichte
(2014)
Der weit verbreiteten Meinung, die Zuständigkeit der Geschichtsdidaktik sei nur in der Reflexion des Geschichtsunterrichts zu suchen, widerspricht Lars Deile in seinem Beitrag vehement. Überall dort, wo Vergangenheit als Geschichte in die Gegenwart hineinwirkt, liegen didaktische Entscheidungen zugrunde und muss didaktisch reflektiert werden. Didaktik sucht nach Wegen der Vergegenwärtigung von Vergangenheit, und sie befragt diese nach ihrer sinnhaften Begründung. Wie genau das geschieht, mit welchen Tendenzen und Konflikten, zeigt sein Artikel auf Docupedia.