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Michael Thompsons Buch »Mülltheorie« beginnt mit einem sehr unappetitlichen Rätsel zu »Rotz«. Es endet mit der Zusammenfassung einer im Buch Schritt für Schritt entwickelten Theorie, in der es darum geht, »Monster« (wie den »Rotz«) nicht aus der gesellschaftlichen Betrachtung und der wissenschaftlichen Theorie auszuschließen. Müll sei ein solches Monster, das in einem modernen Wissenschaftsverständnis ignoriert werde, da der Wert und die soziale Funktion von Müll mit »Null« gleichgesetzt werde. So beobachtete es Thompson in den 1960er- und 1970er-Jahren, als sein Buch entstand.
Nachdem das Interesse an Dingen und damit an Materieller Kultur im Forschungsalltag mancher Disziplinen lange Zeit eher gering war, erlebt die Auseinandersetzung mit Dingen seit etlichen Jahren auch in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft eine Renaissance. Das gilt nicht nur für Fächer, die sich schon seit jeher mit Materieller Kultur beschäftigen – etwa die archäologischen Wissenschaften, die Ethnologie und die Volkskunde/Europäische Ethnologie –, sondern zunehmend auch für solche Wissenschaften, deren genuiner Forschungsgegenstand keine materiellen Hinterlassenschaften sind, wie die Geschichtswissenschaft, die Philosophie, die Germanistik und verschiedene sozialwissenschaftliche Fächer. Zu denjenigen Fächern, die die Dinge für sich entdeckt haben, gehört seit wenigen Jahren auch die Zeitgeschichtsforschung. Auf den ersten Blick mag das zunehmende Interesse verwundern, verfügt die Zeitgeschichte doch über andere Quellenarten (Schriftdokumente, audiovisuelle Quellen, mündliche Zeugnisse), die deutlich mehr Aussagekraft als gegenständliche Objekte zu haben scheinen. Den Dingen wird von der Zeitgeschichtsforschung heute offenbar ein Erkenntniswert zugemessen – befördert unter anderem auch durch die Studien Bruno Latours und seine Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) –, der ihnen zuvor abgesprochen bzw. nicht zuerkannt worden war.
Das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD) ist ein Kölner Verein, der sich die Dokumentation der Migration nach Deutschland zur Aufgabe gemacht hat. 1990 als „Archiv von unten“ von aus der Türkei stammenden Migranten unter dem Kürzel DOMiT (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei e.V.) gegründet, widmete es sich zunächst ausschließlich der Migrationsgeschichte aus der Türkei. 2007 erfolgte die Fusion mit dem Verein Migrationsmuseum in Deutschland und die thematische Weitung hin zur Geschichte der Einwanderung nach Deutschland in allen Facetten.
Künstlerische Strategien bei der Aneignung von fotografischen Bildern im Kontext der Digitalisierung
(2019)
Es erscheint zunächst nur konsequent, wenn einige Künstler*innen sich heute entschließen, auf die Herstellung eigener Fotografien gänzlich zu verzichten, und sich gleich aus dem globalen Pool von Bildern bedienen, um diese dann zu verfremden, zu collagieren und neu zu kontextualisieren. Sie überspringen den Schritt der Bilderstellung und gehen gleich zur Realisation (und Vermarktung) szenischer oder ornamentaler Ideen über.
Jeder Fotograf – Laie wie Profi – wird unter diesen Bedingungen mit seinen Bildern im Netz zum Materiallieferanten, der zuweilen auch den Künstlern im Atelier zuarbeitet, wenn diese die Bildrechte im Sinne der Kunstfreiheit außer Kraft zu setzen wissen. Die Praktiken der originalen Bildherstellung entfallen so zugunsten der Operationen an vorhandenen Bildern. Das Studio wird zum Post-Studio. Diesen Arbeitsraum gilt es, im Folgenden genauer zu untersuchen. Es handelt sich im Gegensatz zum konkreten, stillen Raum um eine Virtual Reality, die ihrerseits von immateriellen, selbstaktiven Prozeduren bestimmt wird.
Dieser Text handelt nicht von antisemitischen Bildern, sondern von Bildern, die im Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt werden. Genauer gesagt, geht es um das Plakat der internationalen Tagung „An End to Antisemitism“, die vom 18. bis zum 22. Februar 2018 in Wien stattfand. Auf diesem Plakat ist eine Grafik zu sehen, die das Sündenbock-Motiv visualisiert und somit die Funktions- und Wirkungsweise von Antisemitismus kritisch zu veranschaulichen versucht.
“Humans of Damascus” – The (Other) Art of Community (Building). An Interview with Rania Kataf
(2019)
In his inspiring book “The Art of Community”, Charles H. Vogl goes through the principles of belonging: initiation, boundaries, symbols, rituals, stories, temple and inner rings. These seven time-tested principles for emerging and connected communities could be applied entirely or in part, even to groups not physically or geographically connected. In other words, to communities interacting between real and virtual world, like “Humans of Damascus”.
In October 2016, Rania Kataf created a group on Facebook, that has rapidly grown beyond the seven ancient gates of the Syrian capital. Damascus, one of the oldest continuously inhabited cities of the world, has been for its strategic position a nexus of powers and influences coming from everywhere, and left their marks on the city.
Am 6. Dezember wird Timothy Snyder der Hannah-Arendt-Preis im Bremer Rathaus verliehen. Sein Buch „Bloodlands. Europe between Hitler and Stalin“, das 2010 in den USA und 2011 in deutscher Übersetzung erschien, hat die Geschichtsschreibung nachhaltig verändert.
Erstmals hat ein Historiker explizit die Massenmorde des nationalsozialistischen und stalinistischen Regimes in Beziehung gesetzt und jene ostmitteleuropäische Region von Zentralpolen, der Ukraine und den baltischen Staaten bis Weißrussland in den Mittelpunkt gestellt, in der von 1917 bis 1947/48 etwa 14 Millionen Menschen starben, keine Soldaten, sondern wehrlose Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder – die „Bloodlands“.
Hoffnung auf Erfolg. Akteurszentrierte Handlungskonzepte in der Migrations- und Flüchtlingsforschung
(2018)
Die Herausforderung besteht somit in einer reflektierten Verbindung von historischer Wissens- und Migrationsforschung.[37] Darin könnte die Chance liegen, die oftmals eindimensionale Wahrnehmung von Migrant/innen als Opfer restriktiver Grenzregime aufzubrechen, denn sie blockiert tendenziell eher Erkenntnismöglichkeiten, als dass sie neue eröffnet. Wenn ein Konzept wie Eigen-Sinn dazu beitragen würde, die verengten Perspektiven auf Migrationsregime zu erweitern, wäre das nur zu begrüßen. Allerdings spricht die bisherige Inanspruchnahme des Begriffes dafür, doch eher auf andere handlungstheoretische Konzepte wie die Analyse von individuellen und kollektiven Handlungsspielräumen zurückzugreifen oder einer an die Arbeiten von de Certeau angelehnten und auf globale Migrationsbewegungen zugeschriebenen »Rhetorik des Wanderns« zu folgen. Eines zeichnet sich indes jetzt schon ab: Ohne eine stärkere und theoretisch durchdachte Berücksichtigung akteurszentrierter Konzepte wird die Migrationsforschung zentrale Aspekte ihres Gegenstandes weiterhin nur oberflächlich erfassen können.
Am 1. Januar 1945 erschoss Erich Muhsfeldt, Kommandoführer der Krematorien in Auschwitz, 200 polnische Gefangene im Lager Auschwitz II. 489 Personen klickten den „Gefällt-mir“-Button unter dieser Information an, die das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau am 1. Januar 2011 auf seinem facebook-Profil veröffentlichte – samt Porträt des Täters. Die historische Fotografie des SS-Oberscharführers löste eine Flut von Kommentaren aus, 176 insgesamt, in denen die Nutzer/innen und ein Mitarbeiter der Gedenkstätte sich vor allem über die Person Muhsfeldts und über die Persönlichkeit von NS-Tätern im Allgemeinen austauschten.