Gewalt
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Die amerikanische Aggression in Vietnam ist in Europa und Nordamerika als „der Vietnamkrieg" bekannt. Sinnvoller wäre es aber, den Konflikt im Kontext von nationalen Befreiungskriegen als „Indochinakonflikt" zu bezeichnen. Es handelte sich um mehrere Kriege, die miteinander verwoben sowie durch lokale, metropolitane und internationale Faktoren geprägt waren. Der Indochinakonflikt verdeutlicht die Handlungsautonomie von Klientelsystemen im Kalten Krieg; er verweist auf die ideologische und machtpolitische Fragmentierung des so genannten kommunistischen Blocks. Unterhalb der Ebene der globalen Auseinandersetzung war das System des Kalten Krieges multipolar konfiguriert.
Es ist ein bisweilen befremdlicher erster Eindruck, den das Apartheid-Museum in Johannesburg für seine Gäste bereithält – während die Besucherin am Kassenhäuschen des Museums, auf halbem Weg zwischen der Johannesburger Innenstadt und dem Township Soweto gelegen, auf ihre Eintrittskarte wartet, trägt der Wind fröhliche Schreie herüber; Ausdruck der Achterbahnfahrten im nur einige Meter entfernt liegenden Vergnügungspark „Gold Reef City“. Einzig ein weitläufiger Parkplatz trennt den Themenpark, der mit einer disneyfizierten Repräsentation des Johannesburgs um 1900 aufwartet, und das zugehörige Kasino vom Museumskomplex. Für viele war dies zunächst ein Affront, etwa für die südafrikanische Autorin Nadine Gordimer, die „die Würde des südafrikanischen Freiheitskampfes“ durch den Rummel verletzt sah, gleichzeitig jedoch einräumte: „ Tatsache ist aber, dass wir ein eigenes Apartheid-Museum zwar diskutiert, aber nie zustande gebracht haben.“ Gordimers Bemerkung führt direkt in die Verwicklungen der südafrikanischen Kultur- und Erinnerungspolitik, für die das hier besprochene Großprojekt beispielhaft steht. Denn es war in der Tat das profane Anliegen, eine Kasinolizenz zu erlangen, das das gewaltige Museum möglich machte: Der „Community“ etwas „Greifbares“ zu geben war Bedingung für die Erteilung von „Gambling Licences“ ab 1994. In diesem Fall brachte der taktische Schritt eines der am besten besuchten Museen des Landes hervor.
Ambivalente Metaphorik. Ein kritischer Rückblick auf Zygmunt Baumans "Dialektik der Ordnung" (1989)
(2017)
Lange vor Baumans »Dialektik der Ordnung« war mir ein Text von Yvonne Hirdman in die Hände gefallen, als ich mich für ein Forschungsprojekt zum »social engineering« in die Forschungsliteratur zur schwedischen Geschichte und Gesellschaftspolitik einzulesen begann. Hirdman, Historikerin, hatte 1989 ein schlankes Buch mit dem aus dem Deutschen abgeleiteten Titel »Att lägga livet tillrätta« publiziert, »Das Leben zurechtlegen«.[1] Die Studie war im Rahmen einer Enquête entstanden, mit deren Hilfe der schwedische Staat sein eigenes Funktionieren untersuchte. Hirdman, die zehn Jahre zuvor eine Geschichte der Sozialdemokratie unter dem selbstsicheren Titel »Wir bauen das Land« verfasst hatte, hielt nun derselben sozialdemokratisch dominierten Gesellschaftspolitik vor, die Menschen systematisch übermächtigt zu haben.
Trauer, Patriotismus und Entertainment. Das »National September 11 Memorial & Museum« in New York
(2016)
Downtown Manhattan, 15. Mai 2014: Mit einer würdevollen Feierstunde eröffnen Michael Bloomberg und Barack Obama – in Anwesenheit der nationalen und lokalen Politprominenz, von Überlebenden, Ersthelfern und Angehörigen der Opfer der Anschläge – das National September 11 Memorial Museum. Der Name der Institution am ehemaligen Standort des World Trade Centers (WTC) ist Programm: Sie soll zugleich Gedenkort und Museum sein. Die gemeinnützige Stiftung, die unter dem Vorsitz des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Bloomberg und der Leitung des Managers und Juristen Joe Daniels die Einrichtung verantwortet, hat es sich zum Ziel gesetzt, diese zentralen erinnerungskulturellen Aufgaben an einem Ort zu vereinen. Hier soll der Toten und der Überlebenden der Anschläge gedacht und an die Ersthelfer erinnert werden, die in den USA als Helden gelten. Die Institution richtet sich an eine breite Öffentlichkeit und soll diese auch historisch-politisch über die Auswirkungen des Terrorismus informieren.
Im Gegensatz zu Teilen Asiens, wo die Unabhängigkeitskämpfe etwa in Indochina und Malaya durch langjährige militärische Auseinandersetzungen gekennzeichnet waren, kam es auf dem afrikanischen Kontinent nur in Algerien zu einem vergleichbar blutigen Dekolonisationskrieg. Das heißt freilich nicht, dass das Ende der europäischen Empires im Rest von Afrika ein friedlicher Prozess gewesen wäre. In der britischen Siedlerkolonie Kenia etwa mussten im Zuge des so genannten Mau-Mau-Aufstandes Tausende von Menschen ihr Leben lassen. Mehr als 1.000 Afrikaner wurden auf der Grundlage von hastig verabschiedeten Antiterrorgesetzen gehenkt, weit mehr als in jedem anderen kolonialen Konflikt einschließlich Algeriens.1 Doch es war vor allem der Algerienkrieg, welcher sich im Bewusstsein der Zeitgenossen mit spätkolonialer Gewalt und Gegengewalt verknüpfte.2 Und wie kaum ein zweiter Autor hat der intensiv am algerischen Unabhängigkeitskampf beteiligte Frantz Fanon damalige Debatten über den Prozess der Dekolonisation, über die Berechtigung antikolonialer Gewalt sowie über die Zukunft der „Dritten Welt“ geprägt.
Die Bedeutung der Apartheid für die internationale Menschenrechtspolitik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt in ihrer Exzeptionalität: Kein anderes Thema stand so lange auf der menschenrechtspolitischen Agenda, nämlich von den späten 1940er-Jahren bis zum Ende der Minderheitsherrschaft 1994, als der »Kalte Krieg« schon einige Jahre vorüber war. Keine andere Regierung erfuhr in dieser Zeit eine stärkere internationale Isolierung als die südafrikanische. Kein anderes Staatsverbrechen zog in der internationalen Politik, unter zivilgesellschaftlichen Aktivisten und in der medialen Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit auf sich, als es die Rassendiskriminierung am Kap während der Hochphase der weltweiten Entrüstung gegen Ende der 1980er-Jahre tat. Das Faszinosum der transnationalen Geschichte Südafrikas besteht nicht in dem, was an ihr typisch, sondern in dem, was an ihr besonders ist.
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist auch in Deutschland ein steigendes öffentliches und wissenschaftliches Interesse an kriegerischen Konflikten zu beobachten. War dieses Forschungsfeld lange vor allem Zeithistorikern und -historikerinnen vorbehalten, so interessieren sich zunehmend auch die Politik- und Sozialwissenschaften für das Gebiet, was sich an einer Fülle von Publikationen und Konferenzen zeigt. Besonders mit dem Erscheinen von Herfried Münklers Buch „Die neuen Kriege“ (2002) ist eine lebhafte Diskussion entbrannt. Münkler konstatiert in seinem Werk die Entstehung einer neuen Form von Kriegen: Die Kriegsakteure hielten sich nicht mehr an Regeln; die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten sei aufgehoben; und die Kriege hätten in erster Linie einen ökonomischen Hintergrund. Ob man nun von „neuen“, „asymmetrischen“, „kleinen“ oder „low-intensity-Kriegen“ sprechen will: Die AKUF distanziert sich von der Vorannahme, die aktuellen Konflikte seien eine gänzlich neue Entwicklung.
Nach 1989/90 wurde kriegerische Gewalt innerhalb Europas auf neue Weise zum Thema und gerade auch für Intellektuelle zu einer unerwarteten Herausforderung. Die Diskussion unter deutschsprachigen Schriftstellern über den Krieg im ehemaligen Jugoslawien war hauptsächlich eine Debatte um Peter Handke. Sie fungierte als eine Art Stellvertreterdebatte, während engagierte politische Interventionen deutscher Literaten meist ausblieben. In seinen kontroversen Texten seit 1996 versuchte Handke einen ‚dritten‘ Standpunkt jenseits der zweiwertigen Logik des politischen Diskurses in den Medien zur Geltung zu bringen. Dennoch tendierte sein ‚poetischer‘ Blick auf Serbien zunehmend zur politischen Parteinahme, wie etwa seine Annäherung an den in Den Haag angeklagten serbischen Präsidenten Miloševic zeigt. Obwohl seine Sprache eine Alternative zum ‚herrschenden‘ medialen Diskurs suchte, wurde sie wie die Figur ‚Peter Handke‘ letztlich von den Regeln der politischen Öffentlichkeit absorbiert.
The centennial of the outbreak of World War I in the summer of 1914 has already produced a wave of new books, exhibitions, documentaries, films, articles, websites, and research projects on the war and will continue to do so over the course of the next years, at least until the centenary of the armistice in 2018. One might witness this rising tide with mixed feelings: the arbitrariness of anniversaries and the ambivalent suggestive power of round numbers are a topic which merits reflection in and of its own. But the First World War has continued to be of lasting and even growing interest for historians over the past decades independently of anniversaries. Jay Winter and Antoine Prost have noted that the number of volumes that were catalogued in the British Library under the rubric of ›The World War, 1914 to 1918‹ quadrupled between 1980 and 2001, and Roger Chickering gathered further evidence for the ›enduring charm of the Great War‹ in 2011. At the same time, these last decades have witnessed a number of methodological shifts and changes within the historical profession, which also affected the study of the First World War. The centennial might therefore be a good opportunity for taking stock of the current state of affairs in World War I studies and for pondering their possible future directions. This is why our journal has decided to contribute to the rising tide of World War I publications with a roundtable discussion.
In den 1990er-Jahren ist das Interesse am Ersten Weltkrieg nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch seitens populärer Geschichtsdarstellungen enorm gestiegen – ein Trend, der bis in die jüngste Vergangenheit angehalten hat. So erlebte das Jahr 2014 eine Vielzahl von Publikationen, Diskussionen, Ausstellungen und Fernsehsendungen zum Thema. Dabei fällt es auch Fachleuten schwer, angesichts des historischen Groß- und Medienereignisses die Übersicht zu behalten. Um diesem mannigfaltigen medialen Angebot ein wissenschaftlich fundiertes Überblicksportal an die Seite zu stellen, wurde im Oktober 2014 die Website »1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War« freigeschaltet, die seither stetig erweitert wird. Um es vorwegzunehmen: Sie besticht durch eine Fülle an erhellenden und thematisch neuen Artikeln zum Ersten Weltkrieg. Mit einer dezidiert globalen Perspektive und verschiedenen Zugriffen (inhaltlich, zeitlich, regional) bietet sie nicht nur gezielte Rechercheoptionen, sondern lädt bewusst zum Stöbern und Lesen ein. Dabei weist das Portal eine sinnvolle und nachvollziehbare Systematik auf.