Fotografie
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Seit dem Ende der 1960er-Jahre lieferte der für seine Sofortbildkameras und -filme bekannte US-amerikanische Fotografiehersteller Polaroid Apparate nach Südafrika, die zur effizienten Erstellung von Ausweisdokumenten für die schwarze Bevölkerung dienen konnten. Besonders in der Firmenzentrale in Massachusetts löste dies den Protest schwarzer Mitarbeiter/innen aus (Polaroid Revolutionary Workers Movement, PRWM). Die Fallstudie untersucht einige Pamphlete und Flugblätter, die sich elaborierter Manipulationen von Fotografien und einer aufrüttelnden Bildsprache bedienten. Die Bewegung setzte das Medium Fotografie gegen den Sofortbildhersteller ein, um diesen mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Der Streit um den US-amerikanischen Handel mit Südafrika gelangte bis ins Repräsentantenhaus. Die Darstellung der Bild- und Konfliktgeschichte ermöglicht es zugleich, einen breiteren Blick auf die Genese und die konkrete historische Situation der ausweisbasierten Kontrollmechanismen im Apartheidstaat Südafrika zu richten. Der tatsächliche Einsatz der Polaroid-Technik für Überwachungszwecke lässt sich nicht eindeutig ermitteln, und der Protest hatte insofern Erfolg, als das Unternehmen seine Lieferungen nach Südafrika Ende der 1970er-Jahre stoppte.
Dicht gedrängt sitzen oder liegen die Gefangenen auf der Erde, in der prallen Sonne. Einer von ihnen, ein Rotarmist asiatischer Herkunft im Vordergrund, schaut in die Kamera. Sein Blick ist eindringlich, man meint Erschöpfung und Demütigung darin zu lesen. „Sowjetische Kriegsgefangene an einer Sammelstelle der Wehrmacht, vermutlich Belarus, Anfang Juli 1941“ heißt es in der Beschreibung über das Bild, das im Nachweis als Fotografie einer Propagandakompanie identifiziert wird. Es handelt sich um das Titelbild der Open-Air-Ausstellung „Dimensionen eines Verbrechens: Sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg“, die am 18. Juni, kurz vor dem 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet wurde und noch bis zum 16. Januar 2022 in Berlin-Karlshorst zu sehen ist.
Was ist die „Haltung“ der Bilder – summarisch verstanden als die mit Herstellung und Verwendung, Motiv und Inszenierung einer Fotografie einhergehenden Ideen und Werte – und unsere Haltung ihnen gegenüber?
Das seit April 2017 laufende Dissertationsprojekt untersucht den sich wandelnden Medieneinsatz und Stellenwert von Visualisierungen in lokalen Stadtplanungsdebatten der Berliner Öffentlichkeit im Laufe des 20. Jahrhunderts. In der sozial- und medienhistoriografischen Arbeit werden anhand ausgewählter Beispiele der Berliner Bebauungsgeschichte aus verschiedenen Zeitphasen (zwischen1910 und 1990) schlaglichtartig zeitgenössische Schnittpunkte zwischen Stadtplanung, Gesellschaft, Öffentlichkeit sowie Medientechnologie und -einsatz erforscht. Um die historischen Prozesse von Mediatisierung und Medienwandel einzuordnen, sollen die Erkenntnisse zu Nutzung und Stellenwert von visuellen Medien aus den Fallbeispielen in Form einer diachronen Vergleichsgeschichte systematisch kontextualisiert werden.
Materialität der Erinnerung
(2024)
31 weiße Seiten aus dickem Papier, hochkant nahezu quadratisch, getrennt durch ebenfalls weißes Pergaminpapier, sind eingebunden in mittelbraunen, glatten Kunststoff, welcher einen Ledereinband imitieren soll. Das Album der Familie Lindenberger ist relativ klein: 25 cm hoch, aufgeklappt 45 cm breit und knapp 5 cm dick. 99 Schwarz-Weiß-Bilder in unterschiedlichen Formaten sind vorder- und rückseitig fest eingeklebt auf Seiten – ein Teil der Seiten bleibt leer. Die meisten Bilder sind Einzelabzüge, seltener sind zwei Fotos als Doppelabzüge auf einer Pappe. Die Fotos sind eine Mischung aus professionell aufgenommenen Bildern, wie die Logos der Fotografen am Fotorand zeigen, und spontaneren, selbst gemachten Aufnahmen.
Der Erste Weltkrieg ist auch ein Krieg der Bilder, genauer: ein Krieg, in dem erstmals das Medium der Fotografie massenhaft eingesetzt wurde. Schon der „begeisterte“ Abmarsch der deutschen Truppen Anfang August 1914[1] wurde in unzähligen Aufnahmen dokumentiert. Dabei war die Bildberichterstattung stark der Zensur unterworfen. Alle Kriegsparteien hatten zu Beginn oder während des Kriegs eigene Presse- oder Propagandabüros eingerichtet. Die Kriegsberichte und die Fotografien wurden extrem für propagandistische Zwecke eingesetzt; viele Bilder von der angeblichen Front waren zudem gefälscht bzw. in der Heimat nachgestellt worden. Der Krieg war also auch zu einem Medienkrieg geworden. Andererseits blieben die Kriegsaufnahmen nicht mehr auf Bildjournalisten, Fotografen und Propagandaabteilungen beschränkt. Einige Soldaten besaßen inzwischen Kleinbildkameras und dokumentierten ihre Kriegserlebnisse mit eigenen Fotoapparaten.
Künstlerische Strategien bei der Aneignung von fotografischen Bildern im Kontext der Digitalisierung
(2019)
Es erscheint zunächst nur konsequent, wenn einige Künstler*innen sich heute entschließen, auf die Herstellung eigener Fotografien gänzlich zu verzichten, und sich gleich aus dem globalen Pool von Bildern bedienen, um diese dann zu verfremden, zu collagieren und neu zu kontextualisieren. Sie überspringen den Schritt der Bilderstellung und gehen gleich zur Realisation (und Vermarktung) szenischer oder ornamentaler Ideen über.
Jeder Fotograf – Laie wie Profi – wird unter diesen Bedingungen mit seinen Bildern im Netz zum Materiallieferanten, der zuweilen auch den Künstlern im Atelier zuarbeitet, wenn diese die Bildrechte im Sinne der Kunstfreiheit außer Kraft zu setzen wissen. Die Praktiken der originalen Bildherstellung entfallen so zugunsten der Operationen an vorhandenen Bildern. Das Studio wird zum Post-Studio. Diesen Arbeitsraum gilt es, im Folgenden genauer zu untersuchen. Es handelt sich im Gegensatz zum konkreten, stillen Raum um eine Virtual Reality, die ihrerseits von immateriellen, selbstaktiven Prozeduren bestimmt wird.
Symbolisch für die menschliche Hoffnung auf eine sichere Landung schaut der kleine Hund in den Himmel (Abb. 1). In der „Parachutes-Number“ vom März 1937 brachte „Life“ einen dreiteiligen Bildbeitrag über den Fallschirmsport. Neben Titelbild und -story von Margaret Bourke-White wurde Agenturmaterial für den beim damaligen Publikum so beliebten „Thrill“ verwendet. Mit dem Bild vom deutschen Dachshund hinterließ Kurt Korff einen Nachweis seiner Beratungsarbeit für das amerikanische Magazin.
Kontrollverlust
(2020)
Sie habe versucht, das Bild unsichtbar zu machen, gestand die Fotografin Nina Berman 2016 in einem Vortrag über ihr Hochzeitsfoto einer jungen Frau mit einem schwer verletzten Veteranen aus dem Irak-Krieg: „It’s a very strange thing”, so Berman, „to have fought really hard in my career to make a story known about a subject that people were trying to hide, which is the human cost of war, and then feeling that I need to keep this picture, which I know is a very powerful picture, under wraps because for me the viral experience was very crass.“
Kommerzielle Bildanbieter entledigen sich zunehmend ihrer analogen Fotoarchive. Dabei geht es nicht selten um Millionen von Fotografien. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wie es bei solchen Anbietern um die Wertschätzung ihres analogen Fotoerbes steht. Die Antwort scheint entsprechend einfach zu sein: Solche Bestände werden gering geschätzt. Die Fotoarchive werden abgegeben oder gar vernichtet, weil sie für ihre Besitzer mehr Verlust als Profit einbringen. In manchen Fällen übernehmen öffentliche Gedächtnisinstitutionen wie Archive, Museen und Bibliotheken die Bestände und widmen sie von Gebrauchs- zu historischen Fotoarchiven um. Dies hat im Zusammenspiel mit der allgemeinen Digitalisierung der Fotografie das Bewusstsein für die Historizität alter Pressefotografien und damit für ihren kulturellen sowie wissenschaftlichen Wert geschärft. Die einst massenhaft für den Verkauf hergestellten Gebrauchsbilder gelten heute als zeithistorische Dokumente. In der medialen Öffentlichkeit wird vollmundig vom »visuellen« oder vom »fotografischen« Gedächtnis eines ganzen Landes geschrieben.
Ziel meines Forschungsprojekts ist es, Kolonialfotografien von Menschen und Landschaften Kameruns, die zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs produziert wurden, zu untersuchen. Vor dem Hintergrund der aktuellen – nicht nur in Deutschland – geführten Debatten über das unzureichend aufgearbeitete „Erbe“ des Kolonialismus ist dieses Thema von hoher Aktualität. Die Vielfalt deutscher Kolonialbilder zu Kamerun ist Ausgangspunkt des Forschungsprojekts. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung der Rolle kolonialer Bilder in der Vermittlung anthropologischen Wissens über Menschen fremder Herkunft im Kontext europäischer bzw. deutscher Kolonialherrschaft.
Kollegen bei der Arbeit. Die Fotografien von Günter Franzkowiak zwischen Schilderung und Portrait
(2019)
Innerhalb des weit gefächerten Feldes der auf sozialdokumentarische Inhalte ausgerichteten Fotografie nimmt der Bereich der Arbeiterfotografie einen umfangreichen, häufig politisch und sozialkritisch motivierten eigenen Bereich ein. Vor allem im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung und der Wirtschaftskrise zwischen den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert entwickelte sich die authentisch von Arbeitern fotografierte Arbeitswelt mit ihren Schilderungen von Produktions- und Arbeitsbedingungen zu einem auch agitatorisch eingesetzten eigenen Bereich der Fotografie. Von der beschreibenden Darstellung bis hin zu über Missstände aufklärenden Gesichtspunkten gehört die Arbeiterfotografie bis heute zu wichtigen bildjournalistischen Inhalten.
Eines seiner wohl berühmtesten Bilder ist zur Ikone geworden – zu einem jener Bilder, in denen Vergangenheit und Zukunft ineinander fallen: der gealterte Nelson Rolihlahla Mandela, der mit tiefen Falten und ergrautem Haar aus dem mit massiven Gitterstäben versehenen Fenster schaut. Den rechten Ellenbogen hat Mandela auf die Fensterbank gelegt, auf seiner linken Brusttasche fällt ein Emblem ins Auge. Das Bild ist 1994 entstanden. Offiziell ist Südafrika ein freies Land, und Mandela ist für das Foto in die Zelle auf Robben Island zurückgekehrt, in der er 18 seiner insgesamt 27 Jahre in Haft verbrachte. Der Fotograf Jürgen Schadeberg erinnert sich: „This was where he studied, did pushups and reflected on the goal of the liberation of his people. He looked out of the bars and when he thought I had finished taking pictures, relaxed somewhat, and turned around to smile.“ Die Photographers‘ Gallery in London hat dieses Foto als eines der fünfzig prägendsten Bilder des 20. Jahrhunderts gewählt.
Das Journalisten-Netzwerk n-ost existiert seit 15 Jahren mit Sitz in Berlin-Kreuzberg und hat sich gegründet, um die deutsche und westeuropäische Berichterstattung über Osteuropa zu verbessern. Inzwischen initiiert die Medien-NGO verschiedene Projekte zu grenzübergreifenden europäischen Themen zu Auslandsberichterstattung und Medienkompetenz mit Schwerpunkt im östlichen Europa. Ganz aktuell startet gerade die monatliche Newsletter Publikation EUROPEAN IMAGES mit einem fotografischen Schwerpunkt. Der Fotograf Stefan Günther hat nach einem Design-Studium und freiberuflicher fotografischer Tätigkeit den Bildbereich von n-ost seit 2012 aufgebaut. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 verfolgt er intensiv die Bildberichterstattung dazu und steht in engem Austausch mit Fotograf:innen aus dem Kriegsgebiet. Im Gespräch mit Christine Bartlitz stellt Stefan Günther auf Visual History das Journalisten-Netzwerk n-ost vor und gibt einen Einblick in seine Arbeit und die aktuellen Entwicklungen.
Joseph und Helene am 1. Mai?
(2024)
Auf dem vorliegenden Bild posiert Joseph vor einem Lastwagen. Helene schaut zusammen mit einem Kind aus der Fahrerkabine in die Kamera. Auf der Ladefläche stehen weitere Kinder sowie eine abgeschnittene größere Person. Die Abgebildeten tragen weiße Hemden und einige der Kinder auch weiße Hüte – sie wirken aufgeregt. Mindestens zwei der Kinder halten kleine einfarbige Fahnen in ihren Händen.
Als Industriefotograf ist uns Herbert List (1903-1975) praktisch nicht geläufig. Wir kennen seine hervorragenden Porträtfotografien, so von den Malern Chagall, Braque, Miró und Picasso, seine journalistischen und künstlerischen Arbeiten wie „Licht über Hellas“ und viele Aufnahmen für die Bildagentur „Magnum“.
Industrieaufträge im engeren Sinne sind nur für die Phoenix-Gummiwerke in Hamburg und die August Thyssen-Hütte (ATH) nachgewiesen. In vier Kampagnen hat List 1954 bis 1959 in Duisburg-Hamborn dieses Werk fotografiert. Jetzt hat das ThyssenKrupp Konzernarchiv diesen exzeptionellen Fundus wiederentdeckt und zeigt ihn bis 31. Juli 2014 in einer Ausstellung im Foyer der Hauptverwaltung von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg.
Das Genre der Arbeiterfotografie erlebte, nachdem sie eine erste Hochphase in der Weimarer Republik erfahren hatte – in jenen Jahren oftmals mit deutlich agitatorischem, propagandistischem Hintergrund –, in der jungen Bundesrepublik eine zweite Blüte, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. Warum das so war, brachte der Industriefotograf Peter Keetman rückblickend anschaulich auf den Punkt. Als er 1953 nach Wolfsburg reiste, um für drei Tage ganz ohne Auftrag, aber mit Erlaubnis der Werksleitung im Volkswagenwerk zu fotografieren, erlebte er, wie er viele Jahre später sagen sollte, die „aufregendsten Tage in meinem langen Berufsleben“ – und dies nicht ohne Grund: „Es gab keine Einschränkungen, keine Tabus. Ich war auf einmal frei, niemand befahl mir, was ich zu tun hatte. Unglaublich.“ Seine damals entstandenen Aufnahmen zählen heute zu den Klassikern der Industriefotografie, sie markieren Gijs van Tuyl zufolge einen „Meilenstein“ in deren Entwicklung.
Im Sommer 1940 kam es in Moskau zu einer denkwürdigen Begegnung. Stalin hatte erfahren, dass sein Jugendfreund, Sergei Kawtaradze, verhaftet und in ein Lager gebracht worden war. Als er davon hörte, erteilte er die Anweisung, den Freund zu entlassen und ihm eine Wohnung in Moskau zu verschaffen. Eines Abends überkam Stalin das Bedürfnis, ihn zu besuchen. Er befahl seinen Geheimdienstchef zu sich, den Georgier Lawrentij Berija, und gemeinsam fuhren sie zu Kawtaradze. Sie klingelten an der Wohnungstür, und eine Frau, die sich mit den Kawtaradzes die Behausung teilte, öffnete die Tür. Als sie den Diktator und seinen Gehilfen im Hausflur stehen sah, geriet sie außer Fassung. Sie stolperte und fiel rückwärts in den Flur. Berija fing sie auf und sagte: »Warum haben Sie denn Angst vor dem Vater der Völker?« Die Frau antwortete: »Ich dachte, dass das Portrait Stalins auf mich zukommt.«
Wie auch immer Geschichtsausstellungen heißen mögen, ob Aufbruch zur Freiheit oder Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, sie haben ein gemeinsames Problem: Sie wollen Geschichte darstellen. Die Frage, ob Geschichte überhaupt ausstellbar ist, beziehungsweise unter welchen Bedingungen Geschichtsausstellungen möglich sind, ob es sich um Rekonstruktionen handelt, um Modelle von Geschichte, sind Fragen, die selten zur Sprache kommen.
Gegenbilder
(2020)
Wo Worte gesprochen werden, gibt es meist auch Widerworte. Wo Erzählungen gesponnen werden, formen sich Gegen-Narrative. Und so gibt es selbstverständlich zu bildlichen Aussagen auch Gegen-Bilder: Bilder, die in Form, Inhalt und Gebrauch auf andere Bilder reagieren, indem sie diese in Frage stellen oder ihnen widersprechen. Bilder, die als generative Kräfte im historischen Prozess wirken. Oder aber Bilder, die marginalisiert beziehungsweise gar nicht gezeigt wurden und erst zu einem späteren Zeitpunkt ein bislang herrschendes Narrativ in Frage stellen können.
Friedrich Klinsky wurde 1925 in Wien geboren und starb dort im Jahr 2002. Als Zehnjähriger begann er sich für Fotografie zu interessieren, war mit einem billigen Apparat unterwegs und entwickelte in der elterlichen Küche die ersten Bilder selbst. Er hatte bei einem Fotografen einer befreundeten Familie zusehen dürfen. Der Besuch der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt blieb ihm aus Geldmangel verwehrt. Er begann als 17-Jähriger wahrscheinlich eine Lehre als Fotolaborant in der Gaulichtbildstelle der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), die er aufgrund einer Lungen-Krankheit bereits nach einem Jahr wieder abbrechen musste. Nach 1945 gelang es ihm, bei diversen Fotoagenturen sowie bei den Tageszeitungen „Bild-Telegraph“, „Express“, „Kurier“ und „Wochenpresse“ seine Arbeit als Fotograf fortzusetzen. Friedrich Klinsky war vierzig Jahre lang von 1946 bis zu seiner Pensionierung 1984 als Pressefotograf in Österreich tätig.
Im Zuge von Handelsreisen, Verwaltungstätigkeiten und Forschungsexpeditionen entstanden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Fotografien in kolonialistisch-eurozentrischen Kontexten, die das Leben der Bewohner*innen der bereisten Gebiete „als Fremdbilder […] vermittelt durch die vielfältigen Mechanismen der Distribution und des Konsums“ darstellten. Manche bilden eindeutig erkennbar inszenierte Szenen wie Gruppenporträts, Kampfgeschehen oder arrangierte Studioaufnahmen ab, andere hingegen suggerieren, dass die Fotografien spontan im Feld aufgenommen wurden.
Anfang 2014 konnte der rund 50.000 Aufnahmen umfassende Nachlass des Fotografen Wolfgang G. Schröter (1928–2012) zusammen mit zahlreichen Arbeitsabzügen, Belegexemplaren, der Handbibliothek und biographischen Dokumenten von der Deutschen Fotothek für das »Archiv der Fotografen« übernommen werden. Schröter gehörte zu den paradigmatischen Ausnahmefotografen der frühen DDR. Unter Nutzung der Methoden von Wissenschafts- und experimenteller Fotografie entwickelte er eine eigene Bildsprache, die avantgardistische internationale Fotografie-Entwicklungen aufgriff, ohne diese zu imitieren. Schröters frühe farbfotografische Experimente wurden 1977 im Zuge der Nobilitierung der Fotografie als künstlerisches Medium in der Hallenser Ausstellung »Medium Fotografie« gewürdigt. Bis heute werden seine Aufnahmen in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.
Fotografierte Kuriosität
(2024)
Dieses Foto ist aus ganz verschiedenen Gründen auffällig: Helene, die Frau auf Skiern links im Bild, ist sehr schick und untypisch für ihr Vorhaben gekleidet. Sie trägt eine Mütze mit einer auffälligen Schleife und einen Kurzmantel mit Schößchen und Pelzkragen. Im Bildvordergrund sind zwei schlittenartige Gefährte mit Lenker und Bremse zu sehen. Auf einem davon sitzt ein junger Mann, hinter ihm eine junge Frau mit Trillerpfeife im Mund und auf dem anderen ein Junge. Sie sind nahezu gleich angezogen: dunkle Hosen, Schutz an den Schienbeinen, heller Pullover mit Schal und Mütze oder Rollkragen, helle Handschuhe. Am rechten hinteren Bildrand steht ein Junge auf Skiern hinter einer Kamera auf einem Stativ und blickt durch den Sucher auf eine Gruppe von Kindern im Hintergrund, die etwas unsortiert auf ihren Schlitten sitzen.
Fotograf gesucht
(2024)
Immer, wenn man (historische) Fotos und Fotoalben verstehen möchte, ist eine der zentralen Fragen: Wer hat das Foto gemacht? Nur selten geben private Alben darüber direkt Auskunft. Gleichzeitig geben die Fotos Hinweise, um zumindest Vermutungen anzustellen. Die Beziehung zwischen fotografierender und fotografierter Person ist ein wesentlicher Teil des Entstehungszusammenhangs. Sie kann uns Aufschluss über Hierarchien, Freiwilligkeit oder Zwang und Intention(en) des Fotos geben. Versuchen wir, den Fotografen zu finden.
Fotoausstellung: „Robert Lebeck. 1968“. 3. März bis zum 22. Juli 2018 im Kunstmuseum Wolfsburg
(2018)
Fotokunst. Fotojournalismus. Zeitgeschichte. Keine Frage: Nicht in jeder Fotografie Robert Lebecks findet sich diese Trias gebündelt. Aber selbst auf solchen Aufnahmen, die auf den ersten Blick eher unscheinbar erscheinen, tritt mindestens einer jener drei Teilaspekte hervor. Als Lebeck beispielsweise am 21. Juni 1968 in Wolfsburg ankommt, um anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der einstigen Wirtschaftswunderstadt eine Reportage für den „Stern“ zu realisieren, fotografiert er unter anderem ein Straßenschild. Ist das Fotokunst? Fotojournalismus? Oder gar Zeitgeschichte? Es geht, so mein Eindruck, tatsächlich um letzteres: Denn Robert Lebeck fotografiert vor der Kulisse des Volkswagenwerks das Straßenschild der Heinrich-Nordhoff-Straße – ihm ist nicht entgangen, dass der Rat der Stadt Wolfsburg nach Nordhoffs Ableben im April des Jahres stante pede eine Straße nach dem langjährigen Generaldirektor benannt hat. Aber woher war Lebeck dies bekannt?
Ein Schwerpunkt der Sammlung des Jüdischen Museums Berlin sind sogenannte Familienkonvolute, die starke biografische Bezüge aufweisen und dem Museum von Stifterinnen und Stiftern aus der ganzen Welt geschenkt wurden. Neben anderen Objekten umfassen diese Bestände viele Dokumente und zahlreiche Fotografien, darunter um die 400 Fotoalben.
Flucht in den Strandurlaub?
(2024)
Das Fotoalbum der Familie Lindenberger enthält – für ein solches keineswegs unüblich – auch einige Fotografien aus Urlauben am Meer. So sieht man dreimal Joseph Lindenberger am Strand, einmal im Badeanzug lesend auf einer Decke sitzend, ein weiteres Mal im Bademantel in einem Boot sitzend und zu guter Letzt in Hemd und Krawatte sich auf ein Boot stützend. Im Hintergrund der ersten beiden Bilder, die in einem Doppelabzug vorliegen, sieht man ein auf Stelzen gebautes, langes Strandhaus, das vermutlich zu einer Landungsbrücke weiter ins Meer hinein führt. Eine ebensolche kann man im Hintergrund des dritten Bildes sehen, dessen Aufnahmeperspektive auf das Meer gerichtet ist. Die drei Bilder eignen sich für eine über das Biografische hinausreichende Betrachtung.
Welche besondere Sorgfalt bei der redaktionellen Verwendung von historischen Fotos nötig ist, konnte man zuletzt im Kontext des 90. Jahrestages des Reichstagsbrandes im Februar 2023 beobachten. In vielen Tageszeitungen, Dokumentationen oder Fernsehberichten wurde an das Ereignis erinnert, denn bis heute sind die Hintergründe der Brandstiftung umstritten. Wenn über ein solches historisches Ereignis und dessen Deutung berichtet wird, stellt sich in vielen Zeitungs- und Online-Redaktionen zwangsläufig die Frage nach der Bebilderung. Im Kontext des Reichstagsbrandes kommt es dabei häufig zu ungenauen oder falschen Darstellungen, da es nur sehr wenige Aufnahmen gibt, die tatsächlich am Abend des 27. Februars 1933 entstanden sind und den brennenden Reichstag zeigen. In den einschlägigen Bildagenturen werden darüber hinaus aber auch vermeintlich „echte“ Fotos vertrieben, die einer genauen Überprüfung bedürfen.
Zum internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2011 ging das Fotoarchiv der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem ins Netz. Insgesamt wurden bisher etwa 150.000 Fotos digitalisiert und auf der Website zugänglich gemacht. Das Projekt basiert auf einer Kooperation mit Google. Die enorme Materialfülle eröffnet den Besuchern die Möglichkeit, neben „Ikonen der Vernichtung“ selbst neue „Bilderwelten“ aufzutun – zugleich ist das Projekt nicht frei von Startschwierigkeiten.
Michael Lindenberger, der das Fotoalbum seiner Großeltern dem Jüdischen Museum Berlin stiftete, sprach im Interview über seine bewegte Familiengeschichte, den Nachlass seiner Eltern und seinen Wunsch, die Erinnerungen zu bewahren. Das Fotoalbum der Familie Lindenberger stammt aus dem Jüdischen Museum Berlin, wo es zwar teilweise erfasst, aber noch nicht vollständig erschlossen oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Aus diesem Grund wurde es für das Projekt ausgewählt.
Was macht ein Foto privat oder öffentlich? Laut Fachliteratur ist dies abhängig vom Kontext: der Entstehung und Verwendung des Bildes. Entscheidend für die Bestimmung sind demnach der Fotograf, das Motiv, die Absicht des Fotografen sowie die Intentionen der abgebildeten Personen und nicht zuletzt der nachfolgende Gebrauch der Fotografie.
Ein jüdisches Fotoalbum!?
(2024)
Joseph und Helene Lindenberger kommen aus jüdischen Familien. Im Jahr 1938 flohen sie mit ihren Kindern vor den Nazis nach Palästina. Damit handelt es sich um ein Fotoalbum aus jüdischer Perspektive! Doch wo finden sich vermeintlich jüdische Symbole, Orte oder aber das Wort „jüdisch“? Und wo zeigt sich die Verfolgung durch die Nazis? Welche Hinweise geben uns die eingeklebten Fotos oder die Bildunterschriften darauf, dass es sich um das Fotoalbum einer jüdischen Familie handelt?
Als der Verfasser dieses Textes 2009 seine Dissertation abschloss, lagen insgesamt 49 World Press Photos of the Year vor. Seit 1955 waren sie durch eine in den Niederlanden ansässige Stiftung mit unablässigem Einsatz aus der immer größer werdenden Flut von Einsendungen herausdestilliert worden. Dass 2014 mehr als 5000 professionelle Fotografen rund 100.000 Fotos zur Begutachtung einsandten, illustriert den enormen Stellenwert dieses eigentlich impertinenten Preises. Steht es einem Foto tatsächlich zu, das Pressefoto des Jahres zu sein? Kann es in seiner endlichen Anzahl von Bildelementen die theoretisch unendliche Komplexität eines Jahres dahingehend verdichten, einen absoluten Bezugspunkt in der retrospektiven Betrachtung seiner Zeit zu verankern? Und lassen sich darüber hinaus überhaupt nachvollziehbare Maßstäbe für die Wahl eines Pressefotos des Jahres formulieren, die sich zumindest nachträglich aus der Analyse des Materials ableiten lassen?
Ein Familienfest
(2024)
Welche Geschichte kann ein Bild erzählen? Am Beispiel eines Fotos aus dem Album der Familie Lindenberger, auf dem sich mehrere Generationen der Familie zu einem besonderen Anlass versammelt und diesen Moment für die Erinnerung künftiger Generationen festgehalten haben, möchte ich eine kurze Geschichte dieser Familie erzählen. Trotz wechselnder Lebensumstände ist es der Familie gelungen, ihre Geschichte fotografisch zu dokumentieren.
Eine Reise nach Flensburg zum Visual Historian Gerhard Paul wäre ohne eine beispielhafte Bildanalyse von ihm sicherlich unvollständig. Genau aus diesem Grund baten Christine Bartlitz und Josephine Kuban ihn im Rahmen des im September 2020 geführten Interviews (https://visual-history.de/2021/03/15/gelernt-habe-ich-im-laufe-der-zeit-viel-mehr-auf-das-bild-selbst-zu-achten-interview-gerhard-paul/) um die Auswahl eines Bildes und eine anschließende Bildbeschreibung, -analyse und -interpretation. Keine zehn Minuten später lag eine Analyse der Fotografie des vietnamesischen Mädchens Kim Phúc vom 8. Juni 1972 des Fotografen Nick Ùt vor. Sie kann exemplarisch als eine Anleitung zum Umgang mit Bildern in der Geschichtswissenschaft genutzt werden – und ist der Auftakt für weitere Grundlagentexte und methodische Einführungen in die Visual History auf visual-history.de.
Ein Album – eine Erzählung?
(2024)
Jedes Fotoalbum hat eine Erzählung, sie verläuft auf zwei Ebenen. Eine ist im Fotoalbum selbst enthalten, und die Fotos sind ihre Eckpunkte. Die Anordnung im Album setzt die Bilder mit ihren Protagonisten, Orten und Ereignissen in Beziehung. Doch erst die betrachtende Person verbindet diese Bilder zu einer Geschichte, zu einer zweiten, die aber mit der ersten verbunden ist.
Der ostdeutsche Fotograf Christian Borchert (1942–2000) verstand sich als „Chronist seiner Zeit“. Seine Serie „Familienporträts“ wurde schon vor 1989 in der DDR und in der Bundesrepublik im Kontext bildender Kunst gezeigt – trotz oder sogar wegen der sachlichen, dokumentarischen Perspektive auf die DDR-Gesellschaft. Mittlerweile ist Borchert unverrückbar in den kunsthistorischen Kanon eingegangen, und seine Bilder fehlen auf kaum einer Ausstellung zur Fotokunst in der DDR. Besonders 2009 fand anlässlich der 20-jährigen Jubiläen des Mauerfalls und der „friedlichen Revolution“ eine Fülle von Ausstellungseröffnungen zur DDR-Fotografie statt. Sozialdokumentarische Bilder konnten – als vermeintlich ideologiefreie „Wirklichkeitsbilder“ rezipiert – problemlos im Kunstkontext untergebracht und zugleich als aussagekräftige Quellen der Vergangenheit präsentiert werden. Der Interessenschwerpunkt lag dabei auf der „inoffiziellen“ Fotografie aus der DDR. Diese Tendenz hält bis heute an, und so ließ auch die 2012 eröffnete Ausstellung „Geschlossene Gesellschaft“ in der Berlinischen Galerie, wo einige der „Familienporträts“ vertreten waren, die „offiziellen Bildwelten“, den Bereich der angewandten Fotografie und der Amateurfotografie außen vor. Zwar bildete die sozialdokumentarische, erzählerische Fotografie, die sich ab den 1970er-Jahren als Autorenfotografie emanzipiert hatte, in der DDR tatsächlich den Kern der künstlerischen Fotografie, doch haben sich deren Spezifika grundlegend aus der sozialistischen Fotografieästhetik entwickelt. Dass zwischen „non-konform“ und „offiziell“ nicht klar zu trennen ist, lässt sich mit Christian Borcherts Familienbildern sehr gut belegen.
In der Kriegsbildberichterstattung ging NS-Deutschland – so die gängige Meinung in den Geschichtswissenschaften – gänzliche neue Wege, indem Bilder nicht nur zensiert, was bereits im Ersten Weltkrieg üblich gewesen war, sondern durch einen eigenen Propagandaapparat umfassend diszipliniert worden seien. Durch ein eigenes Ministerium, das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, einerseits und militärisch organisierte Propagandatruppen andererseits, deren bekannteste die Propagandakompanien (PK) waren, sei bereits auf der Ebene der Bildproduktion und -distribution interveniert worden. Nimmt man allerdings die visuelle Kriegspropaganda des faschistischen Italien zu dieser Zeit vergleichend in den Blick, gerät die These der Einzigartigkeit und internationalen Vorreiterfunktion der deutschen Kriegsbildberichterstattung im Allgemeinen und der PKs im Speziellen ins Wanken.
Nichts weniger als „Die russische Geschichte in Fotografien“ bietet seit kurzem ein eindrucksvolles Online-Angebot: Insgesamt 40 russische Archive haben sich zusammengetan, ihre Bestände an historischen Fotos digitalisiert und im Verbund ins Netz gestellt: 70.000 Fotografien bisher (darunter viele Erstveröffentlichungen). Unter den Partnern finden sich die großen Sammlungen des Staatlichen Archivs der Russischen Föderation, des Staatlichen Museums der politischen Geschichte Russlands und des Zentralen Staatlichen Archivs von Kino-Foto-Dokumenten St. Petersburg. Auch Kunstarchive wie das Majakowski-Museum, das Staatliche Architekturmuseum Schtschussew, das Theatermuseum Bachruschin und das Staatliche Literaturmuseum (allesamt in Moskau) gehören dazu. Sogar die jahrzehntealte Presseagentur „Tass“, die zu Sowjetzeiten der Monopolist für alle offiziellen Verlautbarungen der Sowjetunion war, hat ihr Fotoarchiv online gestellt. Auch Archive regionalen Charakters, wie Fotosammlungen aus Kaliningrad, Murmansk, Samara, oder Privatarchive von Familien steuerten Fotos bei.
Albert Gehring, ein 1897 geborener Einwohner des Ortes Ditzingen, setzte in den 1920er- und 1930er-Jahren das Kleinstadtleben seiner schwäbischen Heimat ins Bild. Besonders häufig findet sich im Konvolut von rund 1.000 Glasplattennegativen das Motiv des Festumzuges und damit eines Elements von Festkultur, welches oft als die Grundform nationalsozialistischen Kultes und als erfolgreiches Mobilisierungsinstrument beschrieben worden ist. Gehrings Fotografien ermöglichen am lokalen Beispiel eine differenzierte Perspektive auf die Aushandlungs- und Aneignungsprozesse in der Praxis der Festumzüge. Haben sich die äußere Form der Umzüge, ihre Symbolik und Choreographie – also das, was sie zu vermitteln suchten – mit der nationalsozialistischen Machteroberung von 1933 verändert? Und ging mit diesem möglichen Wandel auch eine veränderte Visualisierung durch Albert Gehring einher? Im Fokus stehen damit fotografische Positionen zu der sich wandelnden Festpraxis des Umzuges: Die Ordnung des Bildes wird in ein Verhältnis zur Ordnung des Festes gesetzt, um Erkenntnisse über die Rolle von Fotografie in Prozessen von Mobilisierung und Partizipation an der Schwelle zur NS-Diktatur zu erlangen.
Jonas Nesselhauf stellt die Ausstellung „9/11: Vom Ereignis zum Gedächtnis“ vor, die noch an diesem Wochenende in den Räumen des Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek zu sehen ist. Der Beitrag reflektiert anlässlich des 20. Jahrestages des 11. September 2001 über die Möglichkeiten einer Ausstellung gerade angesichts der enormen Visualität der Anschläge und ihres Charakters als globales Medienereignis, das bis heute das kulturelle Gedächtnis unserer Zeit zutiefst prägt. Herzstück der Ausstellung sind die Augenzeugen-Fotografien von Richard Karger, der die Skyline Manhattans am 11. September 2001 in beeindruckenden Bildern festhielt.
Mit keinem anderen Bild verbindet sich der Schrecken des Vietnamkrieges und der Schrecken des Krieges im Allgemeinen so sehr wie mit dem Foto des Mädchens Kim Phúc. Die Aufnahme machte der vietnamesische Fotograf Nick Ut am 8. Juni 1972 in der Nähe des Dorfes Trang Bang. Sein vielfach ausgezeichnetes Bild wurde zu einer zentralen Ikone des 20. Jahrhunderts. Als solche führt sie im kollektiven Gedächtnis mittlerweile ein eigenes Leben und konstituiert eine Wirklichkeit, die mit der ursprünglich abgebildeten nur noch wenig gemein hat. Immer wieder ist das Bild politisch, kommerziell und religiös funktionalisiert und in neue Kontexte gestellt worden. Der Aufsatz rekonstruiert die politischen und medialen Zusammenhänge, in denen das Bild entstand. Zugleich verfolgt er den jedem großen Krieg nachfolgenden Prozess der Überzeichnung und Überschreibung der ursprünglichen Bilder sowie der mit wachsendem Zeitabstand zunehmenden Legenden- und Mythenbildung.
Die visuelle Überlieferung aus der Zeit der NS-Diktatur lässt sich nur interdisziplinär erforschen. Die fotografische Massenkommunikation, die im NS-Staat dem Propagan-daministerium unterstellt wurde, kann mit herkömmlichen zeithistorischen Methoden, aber auch mit dem kunstwissenschaftlichen Instrumentarium allein nicht umfassend erklärt werden. Qualitative Ansätze etwa der Kommunikationswissenschaft bieten zusätzliche Möglichkeiten des Erkenntnisfortschritts – nicht zuletzt im Hinblick auf die private Fotografie. Im Paradigma der „Bildwissenschaft“ können sich die Kompetenzen der Einzeldisziplinen neu verbinden und zum differenzierten Verständnis der NS-Herrschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Der Aufsatz skizziert zunächst die fotohistorische Erforschung der NS-Zeit seit den 1980er-Jahren. Gefragt wird dann nach der Überlieferungssituation in den Archiven und den Auswirkungen der Digitalisierung. Eine zentrale These lautet dabei, dass sich das Problem der bisher oft mangelhaften Klassifizierung und Erschließung von Fotomaterial durch dessen digitale Zirkulation weiter verschärft.
„Wir wissen wenig über die Fotografie der Landser“, merkte Bernd Hüppauf noch im Jahr 2015 in seiner Abhandlung über Fotografie im Krieg an. Um diesen Missstand weiter aufzulösen, wird im Folgenden ein Bereich der privaten Fotografien des Zweiten Weltkriegs betrachtet, der neben dem Gestalten von Fotoalben und dem Handel mit Bildern ebenfalls eine große Rolle innerhalb der Landserfotografie spielte: das Verfassen von illustrierten Tagebüchern bzw. von Fotoheften.
Wie die historische Forschung zur deutschen und belgischen Kolonialgeschichte nachgewiesen hat, wurde die „Ethnifizierung“ (oder „Ethnogenese“), die im Zuge der Kolonialisierung zur polarisierenden Trennung von „Hutu“, „Tutsi“ und „Twa“ führte, schrittweise in die ruandischen Mentalitäten eingespeist, wo sie zur Grundlage der Identifizierung der prospektiven Opfer gemacht wurde. Da Genozide nicht möglich sind, wenn nicht zuvor die Frage nach der Identifizierung der zu Vernichtenden „geklärt“ ist hat die europäische Kolonialgeschichte als Vorgeschichte des Tutsizids zu gelten. Koloniale Akteure aus Deutschland spielten bei diesem Prozess eine Rolle. In der deutschen Kolonialfotografie lässt sich beobachten, dass das koloniale Bestreben, „Ordnung“ in die Begegnung mit der ruandischen Kultur und Gesellschaft zu bringen, ab Ende des 19. Jahrhunderts Eingang in die koloniale Fotografie fand.
Manche Bilder sind versehen mit Legenden, in denen sich die Ethnifizierung erkennen lässt. Die Anthropologen gingen davon aus, dass sich wissenschaftliche Beweise für die Existenz von drei klar voneinander abgegrenzten „Ethnien“ erbringen ließen. In Wirklichkeit herrschten Spekulationen und grundlegende Missverständnisse bezüglich der demografischen Struktur des fremden Landes vor. Zweifellosigkeiten wurden behauptet, und das in einem Land, mit dem zuvor nicht die geringsten Kontakte bestanden hatten. Es kam zu einer Vielzahl von Missverständnissen und Fehlinterpretationen, die dem kolonialen Überlegenheitsgefühl der deutschen Fotografen geschuldet waren.
Mareike Otters setzt sich ausgehend von einer Fotografie, die einen gefangenen und nach Sachsenhausen verschleppten Soldaten der Roten Armee zeigt, mit der 2008 eröffneten Dauerausstellung "Das KZ Sachsenhausen 1936-1945. Ereignisse und Entwicklungen" in der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen in Oranienburg auseinander. Warum wird das Foto des Mannes in der Ausstellung gezeigt und welche Art der Präsentation wurde gewählt? Sollte die Geschichte des Objekts, also der Fotografie, und die der individuellen Person mit all ihren Ungewissheiten und Komplexitäten in der Ausstellung sichtbarer gemacht werden? Ist die aktuelle, vereindeutigende Nutzung des Fotos als Illustration eines Opfers des Massenmordes nicht vor dem Hintergrund der bestehenden Unklarheiten problematisch? Auf diese und weitere Fragen geht der Artikel ein.
Mit dem Erwerb von rund 20.000 Negativen aus dem Nachlass des tschechischen Fotografen Ivan Kyncl (1953–2004) hat die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen einen bedeutenden Grundstock für eine fotografische Sammlung zur tschechoslowakischen Bürgerrechtsbewegung der 1970er-Jahre gelegt.1 Das Archiv der Forschungsstelle beherbergt die europaweit umfangreichste Sammlung von so genanntem Samizdat, d.h. von Schriftstücken, die jenseits der staatlichen Zensur im ‚Selbstverlag‘ publiziert worden sind.2 Den Hunderttausenden von schriftlichen Dokumenten steht eine kaum geringere Zahl von Fotografien gegenüber. Diese gelangten eher zufällig zusammen mit den schriftlichen Quellen oder mit gesamten Nachlässen von Dissidenten aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn in das Archiv.
Der Hungertod in Bildern. Fotografien in der öffentlichen Debatte um Hungerhilfe für Bengalen 1943
(2022)
Wollten die Leser*innen des »Statesman« am 22. August 1943 das Kreuzworträtsel lösen, brauchten sie starke Nerven. In der englischsprachigen Zeitung, die im indischen Kalkutta (dem heutigen Kolkata) und in Neu-Delhi erschien, befand sich das Sunday Crossword diesmal unmittelbar neben der Fotografie einer jungen, hungernden Mutter und ihrem Kind, die zusammengekauert und nur mit wenigen Lumpen bekleidet auf einem Gehweg in Kalkutta lagen. Im Hintergrund des Bildes war der abgemagerte Körper eines Mannes zu sehen, dessen Sterbebett-Haltung erahnen ließ, dass auch Frau und Kind der Hungertod bevorstand. Die beigefügte Bildunterschrift untermauerte diese Vermutung.
Der fotografische Akt
(2020)
Um Missverständnisse gleich vorwegzunehmen: Bei diesem Text geht es keineswegs um die Beschäftigung mit der fotografischen Form des Akts als einem zentralen Motiv der Kunstgeschichte. Stattdessen wird der fotografische Akt hier als der Akt des Fotografierens verstanden. Es geht also um die Situation, in der Fotograf*in, Fotografierte und Kamera aufeinandertreffen und aus der in der Regel ein Bild entsteht. Damit einher geht die Einschränkung, dass die hier dargelegten Argumente vor allem auf Situationen zutreffen, in denen Menschen fotografiert werden. Während mit „Bildethik“ oft pauschal diverse Aspekte von Fotografie gemeint werden, die sowohl die Ästhetik und die Bildlichkeit als auch die Produktion umfassen, fällt bei einer Zerlegung des fotografischen Prozesses in seine Einzelteile auf, dass sich verschiedene bildethische Fragen stellen.
Rolf Gillhausen wird am 31. Mai 1922 in Köln geboren, absolviert nach der Schulzeit eine Schlosserlehre und beginnt ein Studium an der Kölner Ingenieur-Fachschule, um später die Maschinenfabrik eines Onkels übernehmen zu können. Doch Kriegsteilnahme und -gefangenschaft verhindern dies, und so sieht sich Rolf Gillhausen in der Nachkriegszeit nach passenden Jobs um. In Heidelberg findet er Arbeit als Organisator von Festivitäten für die U.S. Army und lernt dabei den Fotografen Fred Ihrt kennen, der ihn in die Bedienung einer auf dem Schwarzmarkt eingetauschten Leica einweist.