1970er
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Am 5. August 1974, gegen 20 Uhr am Montagabend, rief ein erboster Zuschauer im Mainzer Sendezentrum des ZDF an. Die laufende Sendung sei eine »Zumutung«, er wolle im Feierabend ein »Programm zur Entspannung«. Gedankliches Abschalten ließ die zweite Episode der monatlich ausgestrahlten, siebenteiligen Reihe »Unser Walter – Spielserie über ein Sorgenkind« offenbar nicht zu. Die Serie porträtierte Walter Zabel, einen Jugendlichen mit Trisomie 21. Derart ablehnende Reaktionen waren aber in der Minderzahl. Nach der Ausstrahlung jedes Teils notierte der ZDF-Telefondienst auf dem Mainzer Lerchenberg stets mehr mitfühlende und interessierte als kritische Rückmeldungen und »Schimpfereien«. Die ZuschauerInnen bekundeten nicht nur ihr Entsetzen über die alltäglichen Ausgrenzungen, denen die Familie Zabel begegnete. Sie befürworteten das Ziel der Serie, in »unserer grausamen Gesellschaft Verständnis für solche Kinder zu wecken«. Andere wollten betroffenen Eltern gar selbst Hinweise über spezielle Anlaufstellen geben, und auch behinderte Menschen griffen zum Telefon, um mit ihren Erfahrungen die fiktionale Handlung zu ergänzen. Nicht zuletzt fragten Eltern von Kindern mit Trisomie 21 nach AnsprechpartnerInnen, beispielsweise nach der Anschrift der in der Sendung genannten Bundesarbeitsgemeinschaft »Hilfe für Behinderte«, einem Dachverband von Organisationen von und für behinderte Menschen (heute: BAG Selbsthilfe). Diese Reaktionen des Fernsehpublikums zeigen, wie sehr sich die Darstellungskonventionen und auch die Wahrnehmungsweisen von Behinderungen in den frühen 1970er-Jahren im Umbruch befanden.
Der Quellenwert von Fotografien für die Geschichtswissenschaft ist unbestritten. Dennoch dienen solche visuellen Dokumente in historiografischen Werken weit häufiger der Illustration als der Argumentation. Dies hängt mit den methodischen Problemen der Interpretation von Bildern im Allgemeinen und Fotografien im Besonderen zusammen.
»If you can’t beat ’em, join ’em«. Computerschach und der Wandel der Mensch-Maschinen-Verhältnisse
(2018)
Die gezeigte Szene war Teil der täglichen Sendung »Medizin nach Noten«, einem Fernsehformat, das die DDR jahrzehntelang begleitete – und bis über ihr Ende hinausreichte. Die Erstausstrahlung erfolgte zu Beginn der 1960er-Jahre, die letzte Ausstrahlung 1994. Bemerkenswert ist diese Sendung nicht nur wegen der sehr langen Laufzeit, sondern auch, weil sie besondere Einblicke in die Geschichte des Sports und gleichzeitig in diejenige des Fernsehens der DDR liefert. Der folgende Beitrag versucht zu zeigen, in welcher Weise durch die Verbindung dieser beiden Geschichten neue Perspektiven für das Konvergenz- oder auch Spannungsfeld von Gesundheit, Politik und Ökonomie hervortreten.
Während der Apartheid-Ära führten die vielfältigen Verbindungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach Südafrika zu Konflikten im westdeutschen Protestantismus. Einen Streitpunkt bildete die Frage, wie man sich zu Boykotten südafrikanischer Produkte, zu Desinvestitionen und zu Wirtschaftssanktionen verhalten sollte. Dieses Thema wurde in der Bundesrepublik seit Ende der 1970er-Jahre besonders durch die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland und deren Kampagne »Kauft keine Früchte aus Südafrika!« in die Öffentlichkeit getragen. Beeinflusst von der Befreiungstheologie und der »Schwarzen Theologie« forderten südafrikanische Kirchen ihre ausländischen Partner wenige Jahre später dazu auf, sich für umfassende Sanktionen in ihren jeweiligen Ländern einzusetzen, um die Apartheid in Südafrika zu überwinden. Dieser Wandel innerhalb der südafrikanischen Kirchen veränderte den westdeutschen Protestantismus nicht nur auf kirchenpolitischer, sondern auch auf theologischer Ebene, wie die Rezeption des »Kairos-Dokuments« südafrikanischer Theologen von 1985 zeigt.
Viele Anregungen von Frank Bösch greife ich auf, knüpfe Fragen daran und schlage Schwerpunkte vor. Insbesondere plädiere ich für eine Sozialgeschichte, die an gesellschaftlichen Basisprozessen und weniger an staatlicher Politik interessiert ist. Außerdem schlage ich vor, stärker als bisher außerdeutsche Beiträge und solche aus den Kulturwissenschaften in die Bemühungen um eine integrierte deutsche Nachkriegsgeschichte einfließen zu lassen. Meine Überlegungen habe ich in acht Schritte gegliedert.
Die Entstehung des modernen Staates und die damit verbundenen Herrschaftstechniken sind das Generalthema von Michel Foucaults Geschichte der modernen Gouvernementalität. In diesem Zusammenhang schreibt er dem Liberalismus eine zentrale Bedeutung zu, weil er ihn nicht als Abwesenheit von Herrschaft ansieht, sondern als eine besondere Form der ‚Regierung‘. Insbesondere der Vorlesungszyklus aus dem Jahr 1979 dient der systematischen Analyse des Liberalismus, beginnend mit dem klassischen Liberalismus des 18. Jahrhunderts bis hin zum amerikanischen „Neoliberalismus“ der 1970er-Jahre. Der Liberalismus - so Foucaults Ausgangsüberlegung - habe die Selbstbegrenzung der Regierung zum Grundprinzip der Herrschaftstechnik erhoben. Die Gouvernementalität des modernen Staates beruhe darauf, dass der Markt als eine Art Kontrollinstanz des Regierungshandelns eingeführt worden sei; das begründe seine eigentliche Stärke. Innerhalb dieser Konzeption habe sich der Liberalismus in drei groben Schritten entwickelt: vom klassischen europäischen Liberalismus des 18. Jahrhunderts über den deutschen und französischen Liberalismus der unmittelbaren Nachkriegszeit hin zum amerikanischen Neoliberalismus.
Wer es wieder oder erstmals zur Hand nimmt, dem fällt sofort auf, wie flott sich das handliche Buch mit seinen 180 Seiten und weit über 50 Abbildungen und Tabellen lesen lässt. Kurz und bündig formuliert das Team um Dennis Meadows bereits in der Einführung seine Grundaussage: Rasches Handeln sei erforderlich, denn wenn „die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“ (S. 17). Dieser Schlussfolgerung lagen etwa 18 Monate Forschung und ein computergestütztes Weltmodell zugrunde, mit dessen Hilfe Ursachen und Folgen exponentiellen Wachstums anhand der genannten fünf makroökonomischen Basistrends und ihrer Wechselwirkungen berechnet werden sollten.
Seit den 1960er-Jahren wurden für die Migranten in der Bundesrepublik Radiosendungen und Zeitschriften in ihrer jeweiligen Nationalsprache produziert. Die Entwicklung dieser Medien wurde von weitgreifenden Konflikten geprägt, die sich im Kontext internationaler Auseinandersetzungen um die politische Beeinflussung der so genannten „Gastarbeiter“ entfalteten. Zum einen stand die Gründung und Finanzierung von „Gastarbeitersendungen“ bzw. „Gastarbeiterzeitschriften“ im Rahmen des Kalten Krieges: Die Medien sollten die Zuwanderer vom (befürchteten) Konsum fremdsprachiger Auslandsprogramme abhalten, welche die Ostblockstaaten zu propagandistischen Zwecken ausstrahlten. Zum anderen konnten die meist autoritären Heimatregierungen der Migranten die Kritik nicht dulden, die in den „Gastarbeitersendungen“ zum Ausdruck gebracht wurde. Daraus entwickelten sich schwerwiegende diplomatische und innerdeutsche Spannungen. Trotz aller politischen Schwierigkeiten orientierten sich die Programme inhaltlich vor allem an den sozialen Bedürfnissen der Migranten.