Nationalsozialismus
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"Volksgemeinschaft statt Klassenkampf" - so und ähnlich suchten die Nationalsozialisten ihre Vorstellungen von einer neuen Arbeits- und Sozialordnung zu umreißen. Zwar wurden - aller NS-Propaganda zum Trotz - die sozialen Gegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern während des 'Dritten Reiches' keineswegs aufgehoben; indessen gelang es dem NS-Regime erfolgreich, die deutsche Arbeiterschaft so weit zu 'bändigen', daß von dieser keine, den rüstungskonjunkturellen Aufschwung ab 1934 gefährdende oder gar das NS-System destabilisrende 'Unruhe' ausging. Warum dies gelang, welche politischen, rechtlichen, ideologischen und wirtschaftlichen Faktoren dafür verantwortlich waren, soll im Folgenden in groben Zügen - vornehmlich am Beispiel der Eisen und Stahl erzeugenden sowie metallverarbeitenden Industrie des Ruhrreviers - skizziert werden.
Die rechtlichen Regelungen der Arbeitsbeziehungen während der zwölf Jahre, die das Dritte Reich überdauerte, systematisch auszuleuchten, würde den Rahmen eines Aufsatzes bei weitem sprengen, allein weil der relativ kurze
Zeitraum der NS-Herrschaft von einer ungemeinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik war, die immer auch die rechtlichen Regelungen, in unserem Fall: Formen, Inhalte und Wirkungen der Arbeitsverfassung, erfassen musste. Die folgenden Bemerkungen konzentrieren sich
auf einige zentrale Aspekte des NS-Arbeitsrechts.
Vor allem drei Faktoren bestimmten während des "Dritten Reiches" die Struktur der Frauenarbeit: erstens die geschlechtsspezifische, biologistisch begründete Diskriminierung, zweitens der klassenbezogene Aspekt sowie drittens der Rassismus. Zweifelsohne waren alle drei Faktoren für das Verhalten des NS-Regimes gegenüber Frauen und für die Wandlungen der Struktur lohnabhängiger, idustrieller Frauenarbeit während des "Dritten Reiches" relevant. Entscheidend ist jedoch die Frage nach der Gewichtung der drei Faktoren: ...
Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es nachzuweisen, daß der in der historischen Forschung im allgemeinen unkritisch übernommene Eindruck, das NS-Regime habe die Lebenshaltungskosten auf niedrigem Niveau weitgehend stabilisieren können und den Arbeitern - womöglich als Konzession für politisches 'Stillhalten' - ein hohes durchschnittliches Realeinkommen zugestanden, die tatsächliche Entwicklung grob verzerrt. ...
Der in der neueren historischen Forschung gern benutzte Terminus "Modernisierung" mag insofern von Nutzen sein, als sich mit seiner Hilfe recht gut der Frage nachgehen läßt, inwieweit Kontinuitäten vom "Dritten Reich" zur Bundesrepublik bestanden und in welcher Hinsicht während der Zeit der NS-Herrschaft Entwicklungen angebahnt wurden, die erst nach 1945 zum Durchbruch kamen. Falsch wäre es allerdings, den Blick ausschließlich auf die Zeit ab 1933 zu verengen: Alle entscheidenden Elemente dessen, was für die Zeit des "Dritten Reiches" als "Modernisierung" der Industriearbeit bezeichnet werden kann, hatte sich bereits in der Weimarer Republik, seit Beginn der "goldenen zwanziger Jahre" (ab 1924/25) herausgebildet.
Version 2.0: In the Roman Republic, a dictatorship (dictatura in Latin) referred to an institution of constitutional law. In times of emergency the senate would temporarily grant a dictator extraordinary powers to defend and restore state order. This classic meaning was reshaped in various ways during the twentieth century. Dictatorship became an ambiguous term whose range of meanings could encompass positive expectations as well as moral condemnation. The modern concept of dictatorship has been used as both a self-descriptor as well as a label employed by others to describe communist, fascist and Nazi rule.
Die Holocaust-Forschung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten internationalisiert, zugleich aber auch immer stärker ausdifferenziert und spezialisiert. Dabei entstanden regelrechte Sub-Disziplinen, etwa die »Täterforschung«, und viele Forschungsergebnisse sind – auch bedingt durch mangelnde Sprachkenntnisse – selbst für Spezialisten kaum noch zu überschauen. Mit diesem Band legen wir nun eine Einführung in die verschiedenen Forschungsansätze vor und diskutieren zugleich die Frage, in welche größeren historischen Zusammenhänge der Holocaust eingeordnet werden kann bzw. muss. Dabei geht es um Kernfragen künftiger Forschung ebenso wie um grundsätzliche Probleme, die durch die Internationalisierung und Ausdifferenzierung der Forschung entstanden sind.
Version 2.0: In der römischen Republik bezeichnete die Diktatur (lat. dictatura) eine Institution des Staatsrechts: Der Senat verlieh einem Diktator in Zeiten des Notstands temporär außerordentliche Autorität, um die staatliche Ordnung zu verteidigen und wiederherzustellen. Diese klassische Bedeutung wurde im 20. Jahrhundert vielfach überformt; Diktatur wurde zu einem schillernden Begriff, dessen semantisches Feld sowohl positive Erwartungen als auch moralische Verdammung umfassen konnte.
Nach einem kurzen Überblick über die Forschung und einer Diskussion der Reichweite der dabei genutzten Begrifflichkeiten, soll die Entwicklung der Vernichtung der jüdischen Gewerbetätigkeit und die Reaktionen der jüdischen Gewerbetreibenden darauf am Beispiel Berlins dargestellt und dabei in den breiteren Kontext der Holocaust-Forschung eingeordnet werden. Für eine solche exemplarische Betrachtung scheint die Stadt nicht nur wegen der Größe der 1933 ansässigen jüdischen Gemeinde, sondern auch wegen des auf den ersten Blick paradoxen Umstands, dass sich dort – in politischem Sinne – Zentrum und Peripherie überlagerten, besonders gut geeignet.
In der Geschichtswissenschaft wurde in den letzten Jahren häufiger für eine transnationale Perspektive geworben. Diese soll die bislang eher national orientierte Geschichtsschreibung erweitern, indem Interaktionen, wechselseitige Wahrnehmungen und Transfers zwischen Ländern und Kulturen berücksichtigt werden. Bislang sind entsprechend konzipierte Studien jedoch noch rar, wenngleich viele Projekte in Arbeit sind. Zudem fällt eine gewisse Schwerpunktbildung auf: Epochal konzentrieren sie sich meist auf das ausgehende 19. Jahrhundert und die 1960/70er Jahre, thematisch auf einzelne Themen wie den Kolonialismus, die Migration, Wirtschaft, Wissenschaft oder soziale Netzwerke. Damit blieben viele klassische Bereiche der Zeitgeschichtsforschung eher ausgespart - wie der Nationalsozialismus (...)
Seit über neunzig Jahren wird über Inhalt und Reichweite des Faschismus-Begriffs gerungen. Fernando Esposito beleuchtet die Entstehung des italienischen Faschismus kursorisch und gibt einen Einblick in das Selbstverständnis der Akteure. Er stellt die Faschismusforschung im Zeichen des Kalten Kriegs vor, erörtert die Ansätze der neueren Faschismusforschung und ihre Themenfelder, um dann in einem abschließenden Fazit den Mehrwert des Faschismusbegriffs vor Augen zu führen.
Die Besatzung großer Teile Europas in den Jahren des Zweiten Weltkriegs stellte einen tiefgreifenden, häufig krisenhaften Einschnitt in die Normalitätsverhältnisse von 200 Millionen betroffenen Menschen dar. Dennoch hat Besatzung als Erfahrungsgeschichte bisher einen eher geringen Widerhall in der Forschung gefunden, zumal in europäisch-vergleichender Perspektive. Dies ist nicht zuletzt den Begriffen und Konzepten geschuldet, die die Forschung strukturieren. Tatjana Tönsmeyer beleuchtet daher zunächst mit „Widerstand und Kollaboration“ sowie der jüngeren Holocaustforschung zwei einschlägige Interpretationszusammenhänge, bevor sie mit dem Begriff der Besatzungsgesellschaften ein eigenes konzeptionelles Angebot formuliert. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Akteur/innen sowie ihren Handlungsoptionen in Interaktion mit den Besatzern.
„Volksgemeinschaft”
(2014)
„Volksgemeinschaft”, wie sie vom NS-Regime propagiert worden ist, hat es als soziale Wirklichkeit nicht gegeben. Nicht in der Feststellung eines sozialen Ist-Zustandes, sondern vielmehr in der Verheißung, in der Mobilisierung lag die politische Kraft. Michael Wildt plädiert in seinem Beitrag dafür, den Begriff der „Volksgemeinschaft“ praxeologisch zu verstehen und nach den Praktiken ihrer Herstellung zu fragen. In dieser analytischen Perspektive bildet „Volksgemeinschaft” keine festgefügte soziale Formation, sondern wäre vielmehr als soziale Praxis zu untersuchen.
Ernst Fraenkels Analyse des NS-Regimes entstand in unmittelbarer, beteiligter Beobachtung. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe des „Doppelstaats” schrieb Fraenkel 1974, dass sein Buch auf Quellenmaterial beruhe, „das ich im nationalsozialistischen Berlin gesammelt habe, und auf Eindrücken, die sich mir tagtäglich aufgedrängt haben. Es ist aus dem Bedürfnis entstanden, diese Erlebnisse und Erfahrungen theoretisch zu erfassen, um mit ihnen innerlich fertig zu werden”. (...)
Wiederveröffentlichung von: Michael Wildt, Die Transformation des Ausnahmezustands. Ernst Fraenkels Analyse der NS-Herrschaft und ihre politische Aktualität, in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 19-23
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0) Der Begriff Diktatur stammt aus dem römischen Staatsrecht, wo er die temporäre Herrschaft eines Diktators bezeichnete, der zur Verteidigung der Republik über dem Gesetz stand. Diese klassische Bedeutung wurde im 20. Jahrhundert vielfach überformt; der moderne Diktaturbegriff entstand als Eigen- und Fremdbezeichnung für die kommunistische, faschistische und nationalsozialistische Herrschaft. Der Artikel unseres Autoren Jan C. Behrends rekonstruiert die Geschichte des Begriffs im 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt auf den russischen und deutschen Fall und blickt abschließend auf die zeithistorische Forschung der Gegenwart.
Die Deutschen tun sich schwer mit dem Kolonialismus. Lange Zeit an Universitäten wie im öffentlichen Bewusstsein ignoriert und vergessen, wird er seit einigen Jahren zwar erinnert, jedoch meist exotisiert und banalisiert. Hegels bekanntes Diktum, dass Afrika keine Geschichte habe, wird offenbar immer noch von vielen geglaubt, zumindest in der Form, dass, wenn es eine Geschichte hat, diese auf jeden Fall keinerlei Bedeutung für die eigene, sei es die europäische, sei es die deutsche, besitze.
Der folgende Beitrag unternimmt den Versuch der Gesamtschau auf die veröffentlichte Forschungsliteratur über die nationalsozialistischen Konzentrationslager, wobei unter dem Begriff »Konzentrationslager« diejenigen Lager gefasst werden, die, wie Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald oder Auschwitz, der Inspektion der Konzentrationslager (seit 1942 Amtsgruppe D des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes) unterstanden. Thematisiert werden soll, welche Phasen und Zäsuren in der Historiografie der Lager auszumachen sind, welche Autoren oder Akteursgruppen publizierten und welche Themenschwerpunkte diese setzten. Die Übersicht gliedert sich in drei Abschnitte: Zunächst gehe ich kurz auf die Gesamtzahl der Publikationen ein, die in den vergangenen Jahrzehnten über die KZ verfasst worden sind, und typologisiere sie. Zweitens skizziere ich die Phasen der Historiografie der Lager und frage drittens nach den Themen, Fragestellungen und Desideraten der KZ-Forschung.
The peculiar admiration that National Socialists had for Henry Ford and the supposed sympathies that the Detroit industrialist harbored for Nazism keep attracting the curious, both academic historians and Internet dilettantes. There is something irresistible about the connection between the man taken to symbolize American industrial modernity and the quintessential villains of the twentieth century.
Fordismus und Sklavenarbeit. Thesen zur betrieblichen Rationalisierungsbewegung 1941 bis 1944
(2008)
Die arbeitsorganisatorischen und fertigungstechnischen Innovationen, die sich mit den Namen Henry Ford und Frederick W. Taylor verbinden, und ebenso die Gesellschaftsvisionen namentlich des US-amerikanischen Automobilkönigs haben das kurze 20. Jahrhundert entscheidend geprägt, auch und gerade im deutschen Raum. Hier wurde der Fordismus während der Goldenen Zwanziger Jahre, die nach der Währungsstabilisierung 1923/24 begannen und (spätestens) mit dem Schwarzen Freitag, dem 25. Oktober 1929, endeten, allerorten intensiv debattiert.
Propaganda gilt als politisches Kommunikationsmittel, um die Meinungen und Verhaltensweisen von Zielgruppen auf ein bestimmtes Ziel hin gerichtet zu beeinflussen. Wird in Deutschland der Propagandabegriff vor allem in den Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gestellt, fand er in der Vergangenheit genauso Einsatz im religiösen Umfeld, in der französischen Revolution wie auch in der Werbebranche. Thymian Bussemer verweist auf die verschiedenen Arten der Propaganda seit dem 17. Jahrhundert und liefert einen Überblick über die Stationen der Propagandaforschung von historischen Überblicksarbeiten zu einer gesellschaftsgeschichtlichen Betrachtung.
»Volksgemeinschaft« hat Hochkonjunktur. Der Historikertag 2008 widmete ihr eigens eine Sektion. Weithin über die Grenzen der Fachwissenschaft hinaus beachtete, internationale Konferenzen nehmen sich ihrer an. So organisierte das Deutsche Historische Institut London 2010 eine Tagung, deren Referenten- und Teilnehmerliste die renommiertesten Vertreter der Zeitgeschichtsschreibung aufführte. Jüngst widmete sich auch die 4. Internationale Konferenz zur Holocaustforschung, ausgerichtet von der Bundeszentrale für politische Bildung, der »Volksgemeinschaft«. Schon seit längerem ziert der Begriff die Titelseiten zahlreicher populär wie fachwissenschaftlicher Bücher, findet er sich in den Titeln zahlloser Zeitschriftenbeiträge wieder und ist – teils in An- und Abführungszeichen gesetzt, teils nicht – fester idiomatischer Bestandteil der gegenwärtig vorherrschenden zeithistorischen »Meistererzählung« von der nationalsozialistischen Herrschaft.
Kein Aspekt der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine derart rasante Forschungskarriere absolviert wie das Thema „NS-Zwangsarbeit“. Ein kaum mehr überschaubarer Katalog von Veröffentlichungen legt seit den 1980er Jahren die unzähligen Einzelschichten des Themas frei, so dass unser Wissen über dieses in der Geschichte singuläre Großprojekt zur ungehemmten Abschöpfung von fremder Arbeitskraft für die eigene Kriegswirtschaft exponentiell gewachsen ist.
Seit dem Beginn der empirischen, aktengestützten NS-Forschung in Deutschland sind sechs Jahrzehnte vergangen. Das ist ein Zeitraum, der nicht nur arithmetisch zwei Generationen umspannt, denn mit ein bisschen Generosität und, zugegeben, ein wenig Bereitschaft zur Vereinfachung lässt sich behaupten, dass es vor allem zwei Generationen gewesen sind, die den Kurs der Geschichtsschreibung über das »Dritte Reich« in diesen zweimal 30 Jahren bestimmt haben, und zwar in zeitweise ziemlich kontroverser Debatte: nämlich einerseits die vormaligen Flakhelfer und jungen Frontsoldaten und andererseits die dann schon bald so genannten Achtundsechziger.