Deutschland
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Die Ausgangsfrage der – hier notwendig kursorischen – Analyse des persönlichen Sachbesitzes einer Schenkerin für die Sammlung eines Museums war diejenige nach dem Quellencharakter der Dingsammlung und ihrer sozialen Dimension. Der erhebliche Umfang der Schenkung könnte, so die Hypothese, ein von den Dingen ausgehendes Bild von einem Leben in der DDR ermöglichen. In der Tat zeigen sich mehrere lebensweltliche Dimensionen, die als Sedimente nunmehr im Museumsdepot zu finden und damit der Forschung zugänglich sind: soziale Praktiken und soziale Beziehungen, Informationen zur Arbeitswelt und zur Einstellung gegenüber der DDR, dazu Fragen eines kommunikativen Gedächtnisses in Dingensembles und biographische Hinweise, die auf die historischen Kontexte eines Lebensverlaufs Bezug nehmen. Die Überlieferungsstruktur ist nach den Aufbewahrungsorten organisiert, reicht aber deutlich über eine Lebensspanne hinaus. Damit wird erkennbar, dass der historisch-analytischen Ordnung eine lebensweltliche voranging, die schließlich zur Übergabe an eine öffentliche Institution führte.
Junge Menschen brauchen moderne Möbel – so lautete sinngemäß der Appell in dem Artikel »Wohnen zwischen Teen und Twen«, der 1962 in der Einrichtungszeitschrift »Die Kunst und das schöne Heim« erschien. Darin bemängelte die Autorin, dass Jugendliche keinen Sinn für die Vorzüge moderner Möbel hätten und hartnäckig an den wuchtigen Einrichtungsgegenständen eines althergebrachten Stils festhalten würden: »Die modernen Möbel werden allgemein als ›zu leicht‹, ›zu empfindlich‹, und per se als ›wenig dauerhaft‹ empfunden.« Dabei sei gerade das in der modernen Inneneinrichtung verwendete Stahlrohr bemerkenswert knickfest und das gebogene Bugholz trotz seiner papierdünnen Leichtigkeit enorm stabil (schließlich werde es erfolgreich im Flugzeugbau verwendet). Das Unbehagen am neuen Wohnen, aller Vorzüge zum Trotz, betraf laut Verfasserin des Artikels beide Geschlechter: Männliche Teenager klagten darüber, dass die modernen Sitzmöbel unbequem und wenig rückenfreundlich seien, während junge Mädchen insbesondere skeptisch auf die neuen Schränke und Regale reagierten und sich die konventionellen tiefen Kommodenschubladen zurückwünschten, um Ordnung halten zu können. Rückwärtsgewandter sei nur die Elterngeneration, die das neue Wohnen komplett ablehne.
Westeuropas Wiederaufbau – Made in Germany? Baumaterial aus Deutschland im Versailler Vertrag
(2016)
Die Geschichtsschreibung der Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg handelt bislang vor allem von Geld. Dieser Aufsatz plädiert dafür, auch die Sachlieferungen als einen wesentlichen Bestandteil des Versailler Vertrags zu interpretieren. Exemplarisch wird erprobt, wie sich theoretische Überlegungen zur sozialen Dimension von Dingen auf die Geschichte des Versailler Vertrags und seiner Folgen anwenden lassen. Anhand der zeitgenössischen Diskussionen über geplante Lieferungen von Baumaterial nach Nordfrankreich lässt sich nachvollziehen, dass man auf deutscher Seite mit diesen Reparationsleistungen durchaus Erwartungen verknüpfte: Aus Sicht der Politik sollten Sachlieferungen dazu beitragen, die Gesamtsumme der Reparationen zu mindern. Findige Unternehmen hofften schon 1919 auf einträgliche Geschäfte, etwa durch den Verkauf von Fertighäusern. Auch die Baugewerkschaften setzten auf neue Möglichkeiten für »deutsche Arbeiter und deutsches Material«. Selbst wenn die Lieferung in die Aufbaugebiete Nordfrankreichs in der Praxis begrenzt blieb, eröffnen die damit verbundenen Debatten neue Perspektiven auf die Geschichte des Nachkriegs.
Zwischen 1950 und 1980 wurden Säuglinge in der Bundesrepublik zunehmend mit Flaschenmilch ernährt. Die Produktpalette war groß, und die Werbestrategien der Nahrungsmittelhersteller waren ausgeklügelt. Dies allein kann jedoch nicht der Grund für die steigende Nutzung der Säuglingsflasche gewesen sein. Sie wird hier mit einer explizit dinghistorischen Perspektive untersucht: Wie kam sie in die Familie, und wie veränderte sie die Beziehungen von Müttern, Vätern und Säuglingen? Müttern versprach die Säuglingsflasche mehr Freiheiten in der Gestaltung ihres Alltags; Vätern ermöglichte sie es, ihre Männlichkeit neu zu definieren, indem die Väter ihre Kinder selbst fütterten. Eher als in der Bundesrepublik wurde in Schweden die Versorgung von Kleinkindern diskutiert und eine stärkere Mitverantwortung der Männer für die Familie gefordert. Für beide Länder lässt sich beobachten, dass die Säuglingsflasche – zusammen mit anderen Akteuren – die Familie während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgestaltete. In beiden Ländern verlief dies durchaus kontrovers.
Der Beitrag untersucht Arbeitsämter in der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien während der 1970er- und 1980er-Jahre, einer Zeit deutlich gestiegener Arbeitslosenzahlen. Im Fokus stehen die Verwaltungsvorgänge, begriffen als soziale Praktiken und Mensch-Ding-Verhältnisse. Mit der Akteur-Netzwerk-Theorie fragt der Aufsatz nach der Agency der Verwaltungsdinge im Arbeitsamt: den Bürogestaltungen, Aktenordnern, Wartenummern oder Stellenaushängen. Problematisiert wird besonders die in den 1970er- und 1980er-Jahren durchgesetzte Technisierung der administrativen Vorgänge, also der vermehrte Einsatz von Apparaten und EDV-Systemen in bundesdeutschen und britischen Arbeitsverwaltungen. In beiden Ländern wurde »Selbstbedienung« zu einem neuen Verhaltensdispositiv, das sich in den neu eingerichteten britischen Jobcentres jedoch schneller durchsetzte als im traditionellen deutschen Arbeitsamt, wo das passive Warten weiterhin eine vorherrschende Subjektivierungspraxis blieb.
Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus – Stand und Perspektiven der Forschung
(2016)
Die Studie bietet eine zusammenfassende Bestandsaufnahme der von Bundesministerien und oberen Bundesbehörden unterstützten Forschungsprojekte zur Geschichte der eigenen Institutionen, die neben der NS-Zeit auch den Umgang mit dieser Vergangenheit in der Nachkriegszeit thematisieren. Darüber hinaus macht sie Vorschläge, bei welchen bislang noch nicht berücksichtigten Einrichtungen eine Untersuchung besonders lohnenswert sein könnte, und skizziert mögliche Perspektiven der weiteren Behördenaufarbeitung.