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Der Autor definiert die Funktionsbedingungen einer repräsentativen Demokratie und legt diese dann insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland auf den Prüfstand. Medialisierung, technische Revolutionen und ökonomische Liberalisierung gefährden demnach zunehmend die Grundbedingungen für eine funktionierende nationale Demokratie; noch sei aber kein gangbarer Weg zu parlamentarischer Kontrolle internationaler Gremien gefunden worden. Doering-Manteuffel konstatiert einen freiwilligen Verzicht gewählter Repräsentanten auf Verantwortung, die statt dessen lieber ökonomischen Agenturen oder dem Bundesverfassungsgericht überlassen werde, und warnt insbesondere vor der Eigendynamik der Wirtschaft. In einer Demokratie müsse Verantwortung und Entscheidungskompetenz dagegen unbedingt bei einer gewählten und damit legitim abgesicherten Regierung liegen.
'Rationalisierung' war als - meist höchst unbestimmtes - Schlagwort zwar keineswegs auf den industriellen Betrieb beschränkt, sondern fungierte besonders in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre als eine Art Zauberformel, die auch politisch-gesellschaftliche Probleme zu lösen vorgab. Materieller Kern (oder zumindest Ausgangspunkt) der Rationalisierungsdebatten der zwanziger und dreißiger Jahre waren jedoch zumeist spezifische Aspekte der innerbetrieblichen 'Modernisierung', namentlich die verschiedenen Formen und die spezifischen deutschen Probleme der Fließfertigung sowie - damit unmittelbar verknüpft - die (gleichfalls) aus den USA importierten 'wissenschaftlichen' Arbeits- und Zeitstudien, außerdem die verschiedenen Arbeitsbewertungssysteme. 'Fordismus' und 'Taylorismus' zielten in ihren verschiedenen Varianten nicht nur auf fertigungstechnische und arbeitsorganisatorische Veränderungen. Ihnen parallel lief eine neue Personalpolitik, spezifische Ausformungen der betrieblichen Sozialpolitik und (weitere) 'moderne Sozialtechniken'. Diese drei Problemkreise - fertigungstechnische, arbeitsorganisatorische und soziale 'Rationalisierung' - stehen deshalb nicht zufällig im Zentrum neuerer Untersuchungen.
In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 wurde in Berlin-Karlshorst die endgültige Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet. Damit endeten in Europa der Zweite Weltkrieg und die nationalsozialistische Herrschaft. Ein Tag der Befreiung, ein Tag der Niederlage oder beides zugleich? Nicht erst 1995 sorgte das symbolische Datum für geschichtspolitische Kontroversen. Ein spezifisches Erinnern und Vergessen setzte in West und Ost unmittelbar nach den Ereignissen ein. Das Buch von Jan-Holger Kirsch beschreibt erstmals Formen und Inhalte dieses Gedenktages zwischen 1945 und 1995. Aus einer kultur- und gedächtnistheoretischen Perspektive wird rekonstruiert, wie er zwischen 1989/90 als Forum des deutsch-deutschen Systemkonflikts diente. Für das Gedenkjahr 1995 wird dargestellt, wie sich in der "Berliner Republik" eine gesamtdeutsche Erinnerung an die NS-Zeit herauszubilden begann.
Quelle: http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-14406-7.html
Dreimal feierte Berlin im 20. Jahrhundert ein historisches Jubiläum, und jedesmal diente die Stadtgeschichte der Legitimation eines anderen politischen Systems: 1937 inszenierte das NS-Regime die 700-Jahrfeier der Reichshauptstadt, und 1987 begingen Ost- und West-Berlin ihre 750-Jahrfeiern in direkter Konkurrenz. Stolze Festzüge, aufwändige Ausstellungen, reiche Verlagsprogramme und wissenschaftliche Beweisführungen untermauerten die jeweils eigene Erzählung der Stadtgeschichte. Krijn Thijs vergleicht die nationalsozialistische, die liberal-demokratische und die staatssozialistische Variante der Geschichte Berlins. Untersucht werden die Inhalte und Formen der drei historischen Erzählungen sowie ihre Entstehung unter den jeweiligen Rahmenbedingungen in Diktatur und Demokratie. Jenseits der politischen und nationalen Überformungen zeigt sich dabei, dass sich Geschichte nicht beliebig neu konstruieren lässt: Gerade in ihrer gegenseitigen Abgrenzung blieben die Erzählungen stets auch aufeinander bezogen. Der Band spiegelt die Auseinandersetzung zwischen den großen Ideologien des 20. Jahrhunderts im lokalen Raum und erschließt damit zugleich die städtische Geschichtskultur Berlins in den 1930er und 1980er Jahren. Die Studie wurde im Jahr 2007 mit dem Research Prize der Praemium Erasmianum Foundation ausgezeichnet.
Neuere Täterforschung
(2013)
Im Zuge der Holocaust-Forschung ab den 1990er-Jahren wandte sich die Geschichtswissenschaft auf breiter Basis den Tätern zu. Frank Bajohr zeigt in seinem Beitrag, dass die sogenannte Neuere Täterforschung aber kein einfacher Königsweg zur Erklärung der NS-Verbrechen ist. Er versteht sie vor allem als Perspektive, die in den letzten Jahrzehnten eine empirische Rekonstruktion des Holocaust aus der Nahperspektive ermöglicht hat. Die Frage, warum jemand zum Täter wurde, lässt sich nicht monokausal beantworten, sondern verlangt eine multiperspektivische Sichtweise. Frank Bajohr plädiert daher dafür, „Täter“ und „Gesellschaft stärker zusammenzudenken“ und mit strukturellen und institutionellen Ansätzen zu kombinieren.
Die Deutschen tun sich schwer mit dem Kolonialismus. Lange Zeit an Universitäten wie im öffentlichen Bewusstsein ignoriert und vergessen, wird er seit einigen Jahren zwar erinnert, jedoch meist exotisiert und banalisiert. Hegels bekanntes Diktum, dass Afrika keine Geschichte habe, wird offenbar immer noch von vielen geglaubt, zumindest in der Form, dass, wenn es eine Geschichte hat, diese auf jeden Fall keinerlei Bedeutung für die eigene, sei es die europäische, sei es die deutsche, besitze.
Das NS-Regime begann mit dem Ausnahmezustand. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 durch den Reichspräsidenten entsprach formal noch der Verfassung, obwohl die Präsidialkabinette der Weimarer Republik seit 1930 längst die verfassungsgemäße Balance zwischen Reichstag, Regierung und Präsidenten zugunsten autoritärer Regierungen ohne parlamentarische Mehrheit verschoben hatten und daher das Präsidialkabinett Hitler ebenso wenig wie seine Vorgänger dem demokratischen Inhalt der Weimarer Verfassung entsprach. Auch war der Wahlkampf zu den Reichstagswahlen Anfang März bereits von der Behinderung und Verfolgung der Opposition durch die Nationalsozialisten mit allen Mitteln des Staates, die ihnen nun zur Verfügung standen, gekennzeichnet.
Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Nationen – das 20. das des Volkes. Ohne Zweifel liegen beide Begriffe eng beieinander, oftmals scheinen ihre semantischen Felder sogar kongruent zu sein – und doch fallen sie nicht in eins. Mit der Gleichsetzung von Volk und Nation geraten die Differenzen aus dem Blick, die das 20. Jahrhundert in seiner spezifischen Gewalttätigkeit vom 19. unterscheidet.
Darf die Frage überhaupt noch gestellt werden? Oder vielmehr: Ist sie nicht längst, und zwar in aller Deutlichkeit beantwortet? Denn wer, wenn nicht die Nazis sollten Barbaren gewesen sein. Was dieses Urteil an Gewißheit verspricht, zerrinnt freilich schnell, sobald wir die Dinge näher betrachten und detaillierter nachfragen. Denn zweifellos waren die Nationalsozialisten keine barbarischen Usurpatoren, die aus fernen Ländern hereinbrachen, vielmehr stammten sie mitten aus der zivilisierten Gesellschaft Deutschlands. Wer also konnte zum Barbaren werden? Wie kann Zivilisation in nackte Barbarei umschlagen? Und wie umgekehrt aus Barbarei Zivilisierung entstehen? Die Entschiedenheit der Überzeugung, daß die Nazis Barbaren waren, scheint – so die Ausgangsvermutung dieses Aufsatzes – Vieldeutigkeiten zu verdecken, denen im folgenden nachgegangen werden soll. Insbesondere gilt es, die Rede von den barbarischen Nationalsozialisten mit den barbarischen Reden der Nationalsozialisten in Beziehung zu setzen. Dabei wird sich zeigen, daß auch sie sich des mächtigen Dualismus zwischen Zivilisation und Barbarei nicht entledigen konnten.
Bis vor wenigen Jahren noch konnte der Jurist Raphael Lemkin als ein weitgehend in Vergessenheit geratener Immigrant polnisch-jüdischer Herkunft beschrieben werden. Als Lemkin 1959 in New York City verstarb, war er so mittellos und in Elend geraten, dass das American Jewish Committee sein Begräbnis und seine Bestattung bezahlen musste. Erst 2001 wurde Lemkin der Vergessenheit entrissen, als das Internationale Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien sowie das Ruanda-Tribunal die ersten Urteile für das Verbrechen des Völkermordes fällten.
Wenn sich die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte – wie sie es auf ihrer Tagung vom 24. bis 26. Oktober 2005 in Tutzing getan hat – vornimmt, ein Forschungsprogramm aufzulegen, das sich mit der Rolle und dem Bedeutungswandel des Protestantismus in den 1960er und 70er Jahren in Deutschland beschäftigt, so liegt es nahe, die Frage danach aufzuwerfen, von welchen forschungsleitenden Fragen her der ins Augegefasste Zeitraum untersucht werden soll.
Der folgende Beitrag unternimmt den Versuch der Gesamtschau auf die veröffentlichte Forschungsliteratur über die nationalsozialistischen Konzentrationslager, wobei unter dem Begriff »Konzentrationslager« diejenigen Lager gefasst werden, die, wie Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald oder Auschwitz, der Inspektion der Konzentrationslager (seit 1942 Amtsgruppe D des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes) unterstanden. Thematisiert werden soll, welche Phasen und Zäsuren in der Historiografie der Lager auszumachen sind, welche Autoren oder Akteursgruppen publizierten und welche Themenschwerpunkte diese setzten. Die Übersicht gliedert sich in drei Abschnitte: Zunächst gehe ich kurz auf die Gesamtzahl der Publikationen ein, die in den vergangenen Jahrzehnten über die KZ verfasst worden sind, und typologisiere sie. Zweitens skizziere ich die Phasen der Historiografie der Lager und frage drittens nach den Themen, Fragestellungen und Desideraten der KZ-Forschung.
Zunächst ein Beispiel, an dem sich die Ausgangssituation industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und social engineerings vergegenwärtigen lässt: Es geht um einen Besuch Willy Hellpachs im Daimler-Werk in Stuttgart/Untertürkheim. Hellpach besichtigte Daimler auf Einladung Eugen Rosenstock-Huessys, zu dieser Zeit Redakteur der »Daimler Werkzeitung«, um den sozialpsychologischen Folgen und Wirkungsgrenzen von Betriebsreformen im Allgemeinen und der Gruppenfabrikation im Besonderen auf die Spur zu kommen.
The development of the modern concept of labour productivity. A contribution to German Business Economics history. The starting point of this article is the reduced output in German factories in the early 1920s, which employers attributed solely to workers’ inefficiency. This was possible because of the long standing lack of a common definition for productivity, particularly in the German-speaking area. This was not the result of historicism, but rather the lack of interdisciplinary and international engagement by German business economics. After World War II international research then provided an unambiguous definition related to a clear concept: that capital is of vital importance for productivity and that therefore a straightforward relationship between output and workers’ efficiency is non-existent.
Die akademische Geschichtswissenschaft steht mit der Präsentation ihrer Erkenntnisse in der Öffentlichkeit heute in einer bisher nicht dagewesenen Konkurrenzsituation. Fernsehsendungen und -serien bereiten vor allem die NS-Vergangenheit, aber auch wichtige Ereignisse der Nachkriegszeit in einer publikumsgerechten Weise auf. Filme erzählen Geschichten insbesondere aus dem „Dritten Reich“, aus Bombenkrieg und Nachkriegsära. Umfangreiche Dokumentationsreihen haben Konjunktur, gut recherchiert, auf die Erzählung von Zeitzeugen gestützt, mit illustrierender Hintergrundmusik dramatisierend aufgemacht, mit zeitgenössischen Photos und Filmstreifen Augen und Ohren ansprechend.
Geschichtserzählungen haben derzeit eine Konjunktur, die einzigartig ist in der Geschichte der deutschen literarischen Kultur. Der Zusammenbruch der DDR und die deutsche Vereinigung gaben ihr zusätzlichen Auftrieb, doch handelt es sich offenkundig nicht um einen kurzfristigen Wachstumsschub, sondern um eine „Trendperiode“, die in West- und Ostdeutschland, in der alten Bundesrepublik und in der DDR nach einzelnen Vorläufern in den sechziger Jahren anlief und seit nunmehr vierzig Jahren mit einer wachsenden Zahl von Titeln und Auflagen anhält.
Fordismus und Sklavenarbeit. Thesen zur betrieblichen Rationalisierungsbewegung 1941 bis 1944
(2008)
Die arbeitsorganisatorischen und fertigungstechnischen Innovationen, die sich mit den Namen Henry Ford und Frederick W. Taylor verbinden, und ebenso die Gesellschaftsvisionen namentlich des US-amerikanischen Automobilkönigs haben das kurze 20. Jahrhundert entscheidend geprägt, auch und gerade im deutschen Raum. Hier wurde der Fordismus während der Goldenen Zwanziger Jahre, die nach der Währungsstabilisierung 1923/24 begannen und (spätestens) mit dem Schwarzen Freitag, dem 25. Oktober 1929, endeten, allerorten intensiv debattiert.
Als 1940 "der soziale Wohnungsbau des Führers" ins Leben gerufen und als Aufgabe der Deutschen Arbeitsfront (DAF) zugewiesen wurde (Führererlaß 15.11.1949), schien damit eine drastische Wende in der Wohnungspolitik und Wohnungsproduktion eingeleitet. So fällt am Programm des neuen "sozialen Wohnungsbaus" ins Auge, daß er zu jenem Zeitpunkt ins Leben gerufen wurde, als jahrelange Kriegsvorbereitung in die Kriegsführung und Kriegswirtschaft überführt worden waren; bei angespanntester Wirtschaftslage sollten nun zwar "Kanonen statt Butter" erzeugt werden, aber eben auch das Friedensgut Wohnung. Mit dem neuen Massenwohnungsbau vollzogen die Nationalsozialisten eine Abkehr von der Förderung des privaten Wohnungsbaues und wandten sich einem staatlich geförderten gemeinnützigen Wohnungsbau zu, wie er bereits in den 20er Jahren unter anderem politischen Vorzeichen bestanden hatte. An die Stelle von Selbsthilfe und vorstädtischer Klein-Siedlung mit Eigenheim und Nebenerwerb, die 1931 am Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise durch die Brüningschen Notverordnungen zum neuen Ziel der Wohnungspolitik erhoben worden waren und nach 1933 auch die Anerkennung der Nationalsozialisten gefunden hatten, sollte nun eine durchrationalisierte und möglichst weitgehend auf industrielle Basis gestellte Massenproduktion von Mietwohnungen in Groß-Siedlungen treten. Im Zuge solcher "Industrialisierung des Wohnungsbaus" (Stratemann, 1941) sollten, unter Berufung auf Henry Ford, "Wohnungen wie Autos gebaut" werden. Die Wohnhäuser aber sollten heimattümelnd-herkömmlich im Sinne von "Blut und Boden" gestaltet sein. Der neue "Führerwohnungsbau" (Wagner, H., 1941: 152) wurde während des Krieges in kleiner Serie mit dem Ziel erprobt, ihn nach dem erhofften schnellen Endsieg in jährliche Großserien von 600 000 Wohnungen umzusetzen.