20. Jahrhundert
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Natürlich gibt es Bilder der Shoa, die voll des Grauens sind und auf den ersten Blick Einhalt gebieten. Die Gewalt, die in ihnen ist – die Gewalt, die die Bilder zeigen und/oder die das Machen der Bilder ausdrückt – springt sofort ins Auge. Der Fotograf oder (viel seltener) die Fotografin war Teil der Tat oder stand den Tätern nahe. Die Kamera war zur Waffe geworden, die die Betroffenen zusätzlich entwürdigte. Oft ist die abgebildete Gewalt solcherart, dass die Betroffenen sie nicht überlebt haben können. Sie können also ihre Zustimmung zum Zeigen der Fotos nicht mehr gegeben haben. Doch wurden auch jene, die überlebt haben, in der Regel nicht gefragt, was sie von einer Veröffentlichung der Fotos halten.
„Tarkan“, der „hunntürkische” Krieger, der zur Herrschaftszeit Attilas im Hunnenreich lebt, nur mit einem Wolf an seiner Seite gegen Ost- und Weströmer, Wikinger und Chinesen kämpft, zudem als freiwilliger Botschafter des Hunnenkönigs die Verständigung zwischen den verschiedenen Völkern im Reich vermittelt, wurde gegen Ende der 1960er Jahre vom türkischen Comickünstler Sezgin Burak erschaffen. In der Türkei feierte seine nach ihrem Protagonisten benannte Abenteuercomicserie einen multimedialen Sensationserfolg. Der fiktive Comicheld „Tarkan“ wurde in gewisser Weise wie ein Volksidol verehrt und avancierte sogar zum beliebten türkischen Vornamen. Dagegen wurden die ab dem Jahr 1973 im Ausland herausgegebenen fremdsprachigen Heftreihen vorzeitig eingestellt, in Deutschland sogar dauerindiziert.Der vorliegende Aufsatz fragt nach den Gründen für diesen diametralen Erfolgsunterschied und der Rolle der Geschichte dabei.
Visual History (Version 2.0)
(2012)
(Version 2.0, siehe auch Version 3.0)
In Erweiterung der Historischen Bildforschung markiert Visual History ein in jüngster Zeit vor allem innerhalb der Neuesten Geschichte und der Zeitgeschichte sich etablierendes Forschungsfeld, das Bilder in einem weiten Sinne sowohl als Quellen als auch als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung betrachtet und sich gleichermaßen mit der Visualität von Geschichte wie mit der Historizität des Visuellen befasst.
Visual History (Version 1.0)
(2010)
(Version 1.0, siehe auch Version 3.0)
In Erweiterung der Historischen Bildforschung markiert Visual History ein in jüngster Zeit vor allem innerhalb der Neuesten Geschichte und der Zeitgeschichte sich etablierendes Forschungsfeld, das Bilder in einem weiten Sinne sowohl als Quellen als auch als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung betrachtet und sich gleichermaßen mit der Visualität von Geschichte wie mit der Historizität des Visuellen befasst.
In dem Projekt „Visual Histories“ werden unter dem Motto „Alte Bilder, neuer Blick“ die Geschichten und die Geschichte hinter den Bildern in unterschiedlichen Reiseberichten ergründet. In Form eines Podcasts werden Untersuchungen von Reiseberichten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts präsentiert. Im Vordergrund stehen dabei nicht nur die Reiseberichte von neun verschiedenen Autor*innen, sondern auch vier Weltregionen, die China, Japan und Korea, Afrika sowie Australien und Neuseeland umfassen.
Russlands Krieg gegen die Ukraine enthüllte nicht nur den imperialen Großmachtanspruch herrschender Eliten in Russland, sondern auch ein generelles kulturelles Überlegenheitsgefühl gegenüber Ukrainer:innen. Darüber hinaus beklagen immer wieder Stimmen aus Kasachstan, Georgien und Usbekistan den kolonialistischen Habitus einiger geflüchteter Russ:innen. Diese Einstellungen haben ihre Wurzeln im russländischen Imperium, denn die Revolution und Gründung der Sowjetunion brachen nur bedingt mit dem imperialen Erbe des Zarenreiches. Spätestens seit den 1930er Jahren stand, nach einigem nationalpolitischen Hin- und Her, das russische Volk auch in öffentlichen Diskursen an der Spitze der sowjetischen Völker. In einem kurzen, aber besonders repräsentativen Beispiel möchte ich zeigen, wie in der Zwischenkriegszeit diese Hierarchisierung durch öffentlich publizierte Fotografien suggestiv vermittelt wurde.
Die Vorwürfe gegen den Kameruner und in Südafrika lebenden Historiker Achille Mbembe, er sei Antisemit, „Israel-Hasser“ und habe zudem den Holocaust relativiert, lösten eine kontroverse und verbissene Diskussion aus, die in Feuilletons, sozialen Medien, aber auch auf politischer Ebene insbesondere Mitte letzten Jahres heftig ausgetragen wurde. In diesem Zusammenhang gerieten auch die diversen heterogenen, unter dem Signet „postkoloniale Theorie“ firmierenden Ansätze unter Beschuss, für die Mbembe als wichtigster afrikanischer Repräsentant steht, obgleich er sich mehrfach von ihnen distanziert hat. So beklagte er etwa in seinem Buch „On the Postcolony“ (2000) die Gegenstandsferne postkolonialer Perspektiven auf Afrika, die komplexe Phänomene wie Staat und Macht auf Diskurse und Repräsentationsmodelle reduzieren würden.
Verfassungsgeschichte
(2020)
In seinem Beitrag befasst sich Christoph Gusy mit der Disziplin „Verfassungsgeschichte“, die als Teildisziplin der Rechtsgeschichte von der Geschichts- und Rechtswissenschaft betrieben wird. Die Geschichte der Verfassungen behandelt zentrale Normen der Legitimation, Organisation und Ausübung hoheitlicher Gewalt, die so erst seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert gelten. Für die Verfassungsgeschichte gilt dementsprechend: Sie versteht sich ganz überwiegend als „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“. Dies ermöglicht und erschwert zugleich die Herausbildung einer Zeitgeschichte der Verfassungen.
Verfassungsgeschichte
(2010)
Verfassungsgeschichte begreift sich als Teildisziplin der Rechtsgeschichte. Spätestens seit der Wende zum 20. Jahrhundert steht sie im Schnittpunkt von Geschichts- und Rechtswissenschaft und wird von beiden Disziplinen betrieben. Ihr Gegenstand sind zentrale Normen der Legitimation, Organisation und Ausübung hoheitlicher Gewalt (= Verfassungen im materiellen Sinne), insbesondere die diesbezüglichen ranghöchsten Regelungen in den Rechtsordnungen (= Verfassungen im formellen Sinne).
Nationalistische und rassistische Organisationen haben in der Bundesrepublik Tradition. Das gleiche gilt für den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen. (Neo)nazistische Organisationen und die gesellschaftlichen Reaktionen darauf können folglich auch aus einer historischen Perspektive betrachtet werden. Das müssen sie sogar, nimmt man das heute so selbstverständlich scheinende „Nie wieder!“ der „wehrhaften Demokratie“ beim Wort. Denn was sollte sich eigentlich nicht mehr wiederholen: der Zweite Weltkrieg, die antisemitische Vernichtungspolitik oder die Abschaffung der Weimarer Demokratie durch die NSDAP?
Befreit man den Imperativ des „Nie wieders“ von den geschichtspolitischen Mythen, die ihn seit jeher umranken, ist ein nüchterner Blick auf die Konjunkturen gesellschaftlicher (Nicht-)Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gewonnen. Dieser Blick bringt nicht nur mehr historische Klarheit, sondern stellt auch die Instrumente der „wehrhaften Demokratie“ auf den Prüfstand: Wer überprüft wen auf ‚Verfassungstreue’ und mit welchen Mitteln? Zum historischen Blick gehört also auch eine politikwissenschaftliche Perspektive. Denn der Schutz der bundesrepublikanischen Demokratie hängt davon ab, was oder wer als Ursache für das Scheitern der Weimarer Demokratie ausgemacht wird.