20. Jahrhundert
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Seit über neunzig Jahren wird über Inhalt und Reichweite des Faschismus-Begriffs gerungen. Fernando Esposito beleuchtet die Entstehung des italienischen Faschismus kursorisch und gibt einen Einblick in das Selbstverständnis der Akteure. Er stellt die Faschismusforschung im Zeichen des Kalten Kriegs vor, erörtert die Ansätze der neueren Faschismusforschung und ihre Themenfelder, um dann in einem abschließenden Fazit den Mehrwert des Faschismusbegriffs vor Augen zu führen.
Zivilgesellschaft gilt als schillernder Projektionsbegriff. Das Konzept wird seit den 1980er-Jahren in den Geistes- und Sozialwissenschaften verwendet und ist fest in der politischen Theorie verankert. Zivilgesellschaft ist im Englischen mit dem Begriff „Civil Society“ verwandt; in Deutschland gibt es enge Verknüpfungen zur „Bürgerlichen Gesellschaft“. Die Global Civil Society untersucht zivilgesellschaftliche Fragestellungen auf globaler Ebene. Die Verwendung der Konzepte ist umstritten, gerade weil die Bürgergesellschaft auf eine gesellschaftliche Mitte abzielt und Distinktionen beinhaltet. Trotzdem lohnt es sich, die normative Seite der Zivilgesellschaft aufzugreifen und diese mit sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Dritten-Sektor-Forschung zu kombinieren.
„Kulturtransfer wird verstanden als ein aktiv durch verschiedene Mittlergruppen betriebener Aneignungsprozess, der von den Bedürfnissen der Aufnahmekultur gesteuert wird.“ Als die beiden französischen Germanisten und Kulturhistoriker Michel Espagne und Michael Werner Mitte der 1980er-Jahre ihr Forschungsprogramm darlegten, war keineswegs abzusehen, dass dieser Vorschlag einen methodologischen Umbruch auslösen sollte. Matthias Middell zeichnet in seinem Beitrag die Rezeption und Weiterentwicklung der Kulturtransferforschung nach, beschreibt das Verhältnis zum Historischen Vergleich und fragt nach Verflechtungen in der Gegenwart sowie ihrer erst noch globalgeschichtlich zu konstruierenden Vergangenheit.
Bürokratie
(2016)
Bürokratie ist heute zu einer Art Unwort geworden. Es wird häufig verwendet, um Organisationen abschätzig zu beschreiben, wenn man ihnen übertriebenen Formalismus, mangelnde Kundenorientierung, das Potenzial der Persönlichkeitsverformung und gestörte System-Umwelt-Beziehungen unterstellt. Dem steht die grundsätzlich positive, wenn auch nicht unkritische Charakterisierung von Bürokratie bei Max Weber als technisch überlegener Organisationsform von Herrschaft gegenüber.
Authentizität (Version 3.0)
(2015)
Jetzt in einer vollständig überarbeiteten und erweiterten Neuauflage Version 3.0: Achim Saupe zeigt in seinem Artikel den Aufstieg des neuzeitlichen Authentizitätsbegriffs, der eng mit der Geschichte des modernen Subjekts verknüpft ist, betrachtet ihn vor dem Hintergrund der Entwicklung der modernen Medien- und Konsumgesellschaft und stellt die Frage, wie sich das Politische zum Authentischen verhält. Schließlich wird in methodischer und thematischer Hinsicht die Authentizitätsproblematik in der historischen Forschung dargestellt.
In einem sehr weiten Sinne lässt sich Erzählen als eine grundlegende Form des Weltzugangs begreifen – und ist daher auch für die Geschichtswissenschaft von eminenter Bedeutung. Der narrative Modus spielt nicht nur bei der Repräsentation, sondern bereits bei der Konstitution von Wissen eine wichtige Rolle. Achim Saupe und Felix Wiedemann führen in ihrem Beitrag in zentrale narratologische Theorien und Grundbegriffe ein und stellen Ansätze sowie Anwendungsfelder in der Geschichtswissenschaft vor.
Gewalt und Gewaltforschung
(2014)
Weder im alltagssprachlichen Gebrauch noch in der Wissenschaft ist es kaum möglich zu sagen, was Gewalt ist. Entsprechend handelt es sich bei der Gewaltforschung um ein fast unüberschaubares Feld, das sich mit Kriegen bis hin zu sprachlichen Praktiken oder Rollenverteilungen in privaten Räumen beschäftigt. Felix Schnell stellt in seinem Artikel das Spektrum der gängigen Gewaltbegriffe dar, schildert die Entwicklung der relativ jungen Gewaltforschung im engeren Sinne und gibt einen Überblick über aktuelle Forschungstendenzen.
Geschichtspolitik
(2014)
Das Politik- und Forschungsfeld „Geschichtspolitik“ polarisiert. Stefan Troebst diskutiert in seinem Beitrag den Umgang von politischen Akteuren und Instanzen mit der nationalen Geschichtsvermittlung. Der Fokus des Forschungsfelds liegt auf Osteuropa und Deutschland und zeigt eine Lücke in transnational vergleichenden Studien auf. Troebst hebt insbesondere die kulturwissenschaftlich-praktische Herangehensweise hervor und ordnet die „Geschichtspolitik“ im Zusammenhang der Vergangenheits- und Erinnerungspolitik neu ein.
Disability History
(2014)
Obwohl andere Kategorien sozialer Ungleichheit wie Klassenzugehörigkeit, Geschlecht und „Ethnizität” bereits intensive wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren haben, ist „Disability History” trotz der offensichtlichen Relevanz ihres Gegenstands erst seit wenigen Jahren ein expandierendes und dynamisches Forschungsfeld. Gabriele Lingelbach und Sebastian Schlund legen in ihrem Beitrag, ausgehend von der Genese des Forschungsansatzes Disability History und der Präsentation der in verschiedenen Zeiträumen und wissenschaftlichen Diskussionen dominanten Modelle von „Behinderung”, den Fokus auf die Geschichte von Menschen mit Behinderung in beiden deutschen Staaten zwischen 1945 und 1990.
Postsozialismus
(2013)
Der Beitrag von Petra Stykow befasst sich mit „Postsozialismus“- bzw. „Postkommunismus“-Konzepten, die sich in sozialwissenschaftlichen (Anthropologie, Wirtschaftssoziologie/Politische Ökonomie, Politikwissenschaft, Geografie) sowie in kulturwissenschaftlich-philosophischen Diskursen nach dem Ende des Kalten Kriegs entwickelt haben. Sie bezeichnen historische Gemeinsamkeiten der Länder im östlichen Europa und (re-)konstruieren damit eine Geschichtsregion, die traditionell als „Osteuropa“ und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als „Ostblock“ firmierte.