20. Jahrhundert
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Die Lebensgeschichte des SED-Chefs Erich Honecker (1912–1994) gilt gemeinhin als reizlos. Näheres biographisches Interesse hat bislang vor allem die Frage erweckt, weshalb ein so „mittelmäßiger“ Parteifunktionär sich über 18 Jahre lang in der DDR an der Macht halten konnte. Der Beitrag versucht zu zeigen, dass ein klassischer individualbiographischer Zugang dem Phänomen des „blassen Diktators“ Honecker nicht gerecht wird. Erst in einer milieu- und generationsgeschichtlichen Perspektive wird die biographische Bindungskraft des Herrschaftsstils fassbar, den Honecker als Repräsentant der jüngsten Kohorte der ostdeutschen Gründergeneration entwickelte. Die für ihn charakteristische Verbindung von Starrheit und Elastizität trieb zunächst den Übergang der kommunistischen Herrschaft in ihre auf bloße Machtsicherung bedachte Veralltäglichungsphase voran; später beschleunigte sie den Untergang dieses Systems.
Die Ausstellung „Walker Evans. Ein Lebenswerk“ zeigt 200 Originalabzüge des Fotografen von 1928 bis 1974 und ist vom 25. Juli bis zum 9. November 2014 im Martin-Gropius Bau in Berlin zu besuchen. Sie wird im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie von den Berliner Festspielen gezeigt und wurde von der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur, Köln, bereitgestellt.
Kairos ist ein Nebendarsteller im olympischen Spektakel griechischer Mythologie. Er ist der „Gott des glücklichen Moments“. Dargestellt mit einer unübersehbaren Stirnlocke, die es zu ergreifen gilt in dem einen, dem richtigen Moment.
Diesem jüngsten Sohn des Zeus begegnete der Immobilienmakler und Hobbyhistoriker John Maloof im Jahr 2007. Und er traf die richtige Entscheidung im unwiederbringlich richtigen Moment. Für den Preis von 380 Dollar ersteigerte er in einem Chicagoer Auktionshaus mehrere Kartons voller Negative. Erhofft hatte er sich Bilder über sein Chicagoer Stadtviertel Portage Park für eine Chronik dieses Teils der Stadt, an der er gerade arbeitete. Gefunden hat er Fotografien aus den Jahren 1950 bis weit in die 1990er-Jahre von einer ihm unbekannten Fotografin: Vivian Maier.
Was der französische Kriegsfotograf Patrick Chauvel hier zum Ausdruck bringt, würden viele seiner Kollegen sicher unterschreiben. Wer einmal angefangen hat, Krieg zu fotografieren, kommt davon oft nicht mehr los – so zumindest berichten es viele der in diesem Band vertretenen Fotografinnen und Fotografen. Der von Michael Kamber zusammengestellte Band enthält 21 Gespräche mit 15 Männern und fünf Frauen, die in Kriegen von Vietnam bis Afghanistan fotografierten (Joao Silva ist mit zwei Gesprächen vertreten).
Eingeteilt sind die Gespräche in die Komplexe „Mission“, „Krieg“ und „Narben“.
Eine Verbindung der Themenfelder »Fotografie« und »Diktatur«[1] führt schnell dazu, dass »Bildpropaganda« als gemeinsamer Nenner ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Mit Blick auf die bereits geleistete Forschung gilt dies jedenfalls für die Geschichte des Nationalsozialismus und des Stalinismus, die in dieser Hinsicht besser erforscht sind als verschiedene Diktaturen im Süden oder außerhalb Europas. Wenngleich Fotografie in Diktaturen zweifellos für propagandistische Zwecke eingespannt wurde, so erscheint eine Konzentration auf diese Form der Funktionalisierung des Mediums in vielerlei Hinsicht doch problematisch.
Vertreter_innen der Akteur-Netzwerk-Theorie oder der Cyborg-Anthropologie kritisieren gegenwärtig die Privilegierung des Menschen als autonomem Akteur und handlungsmächtigem Gestalter seiner Umwelt. Dadurch wird die Frage nach der Rolle und Bedeutung von Dingen für gesellschaftliche Dynamiken neu aufgeworfen. Galten sie bisher meist als passive Objekte menschlicher Agency, erscheinen sie nun zunehmend als Koproduzenten von Handlungsmacht. In diesem Sinn spricht Bruno Latour von menschlichen und nicht-menschlichen Aktanten.
Seit 1. August 2013 ist Dr. Miriam Halwani Leiterin der fotografischen Sammlung des Museum Ludwig in Köln. 1977 gegründet, ist die Sammlung eine der größten ihrer Art in Europa. Sie umfasst Bestände von frühen Daguerreotypien aus den Sammlungen Agfa und Lebeck über Reisefotografien, Werken der russischen Avantgarde bis hin zu zeitgenössischen Fotografien. Zeit für ein Gespräch mit der Kunsthistorikerin, die bereits für ihre Dissertation zur „Geschichte der Fotogeschichte 1839-1939“ intensiv in den Kölner Beständen recherchierte.
Die Restitution von Wohneigentum stellte ein großes Konfliktfeld im deutschen Einigungsprozess dar, das zugleich durch eine lange Vorgeschichte geprägt war. Eigentumsideen und -notationsformen aus dem 19. Jahrhundert sowie Praktiken aus der DDR spielten nach 1990 in die Entscheidungen der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen hinein; sie prägten Erfahrungen und Bewertungen des 1990 eingeführten Prinzips »Rückgabe vor Entschädigung«. Das zugrundeliegende Vermögensgesetz wurde in den 1990er-Jahren modifiziert und berücksichtigte vermehrt DDR-Praktiken. Trotzdem dominieren in den öffentlichen Darstellungen Verlusterzählungen, vor allem aufgrund der langen Zeit der Unsicherheit bis zur endgültigen Entscheidung. Das für den ersten Teil des Aufsatzes gewählte Beispiel Kleinmachnow, das unmittelbar an das frühere West-Berlin angrenzte, stand in den 1990er-Jahren besonders im Medieninteresse. Unklar blieb aber, welche Aussagekraft es für Ostdeutschland hat. Im zweiten Teil wird deshalb nach dem Typischen dieses Falles gefragt. Zugleich wird dafür auf die besonderen Quellen der Transformationsgeschichte eingegangen: Die Sozialwissenschaften produzierten seit 1990 eine Vielzahl qualitativer und quantitativer Daten, die nun auch der Geschichtswissenschaft als Quellen zur Verfügung stehen. Vor einer Sekundäranalyse müssen sie aber wissensgeschichtlich eingeordnet werden: Die Sozialwissenschaften beobachteten den Transformationsprozess nicht nur, sondern gestalteten ihn mit. Vorgeschlagen wird hier ein integratives Verfahren, um quantitative und qualitative Ergebnisse für die Geschichtswissenschaft zu verbinden und somit zu einem besseren Verständnis der komplexen Transformationsgeschichte zu gelangen.
Die Bilder sind spektakulär: Da gibt es eine Aufnahme von Erich Honecker mit Fidel Castro in einem offenen Auto während Castros Staatsbesuch in Berlin, das Bild einer nordvietnamesischen Soldatin, die einen gefangen genommenen amerikanischen GI mit der Waffe vor sich her treibt, und einen Schnappschuss, auf dem zwei ältere Ostberlinerinnen auf der Straße etwas unbeholfen das Tanzbein zu schwingen scheinen (tatsächlich suchen sie etwas in ihren Handtaschen, die sie auf den angehobenen Oberschenkel stellen). Viele Fotografien, die der 1937 geborene Thomas Billhardt als freiberuflicher Fotojournalist machte, waren in der DDR gut bekannt und erlangten zum Teil ikonischen Status. Chronologisch sortiert bietet der vorliegende Band einen guten Überblick über das Werk des heute 76jährig in Kleinmachnow lebenden Fotografen. Seine Reisen – unternommen zum Teil im Auftrag staatlicher Institutionen und zwei Mal auch von der UNICEF initiiert, zum Teil aus eigenem Interesse – führten Billhardt unter anderem nach Kuba, Sibirien, Vietnam, Chile, China, Kambodscha, Italien und in den Libanon. Nachdem er 1961 von einem Aufenthalt in Kuba in die DDR zurückgekehrt war, obwohl er die Gelegenheit hätte nutzen können, im Westen zu bleiben, galt er daheim als so zuverlässig, dass er uneingeschränkte Reisefreiheit genoss und von dieser Freiheit auch regen Gebrauch machte. Obwohl das „Life Magazine“ seine Vietnam-Bilder druckte und einer Karriere im Westen kaum etwas im Weg stand, richtete sich Billhardt in der DDR häuslich ein.
Auf den ersten Blick ist die Kombination der Werbebanner am imposanten Eingang des Ungarischen Nationalmuseums recht überraschend. Die Plakate machen auf die drei aktuellen Ausstellungen des Museums, die jeweils einen “Helden“ in den Mittelpunkt stellen, aufmerksam: Siebenbürgen-Fürst Gábor Bethlen, Nationaldichter Sándor Petőfi sowie Kriegsfotograf Robert Capa.Die Verbindung zwischen Capa und Budapest, seinem Lebenswerk und seiner Geburtsstadt scheint hergestellt. Aber Capa als der ungarische Nationalheld, als Teil des nationalen Erbes? Glücklicherweise gibt die Ausstellung keine oberflächliche und simple Antwort auf diese Frage. Im Gegenteil: Die Schau, konzipiert durch Èva Fisli, konzentriert sich vielmehr auf einzelne Kategorien, die die Figur “Robert Capa“ und sein Lebenswerk ausmachen. Ganz andere Schwerpunkte, als etwa die Nationalität, stehen dabei im Fokus.
Tamás Féner, der 75-jährige Fotograf und Träger des Kossuth-Preises, der höchsten ungarischen Auszeichnung in den Bereichen Kunst und Kultur, ist eine wirkliche Herausforderung. Wenn er erzählt, kommt man auch als Muttersprachler kaum hinterher. Féner verschluckt meist die letzten Silben der Wörter, die Geschwindigkeit seiner Sprache zwingt die Zuhörenden zur Konzentration. Er beginnt einen Satz, und noch bevor er diesen beendet, nuanciert er sogleich seine Aussage mit einem neu begonnenen Gedanken. Die Leidenschaft gegenüber der Fotografie, ihrer Entstehung, Präsentation, Geschichte und Theorie ist in seinen Antworten deutlich zu spüren. Die jiddischen Begriffe, die er in seine Erzählung mit einflechtet, der aufscheinende jüdische schwarze Humor, die Witze aus der Zeit des Sozialismus und die Zitate aus der Weltliteratur – gelegentlich in deutscher, mal in ungarischer Sprache – machen die Gespräche mit ihm zu einem dichten Geflecht. Das folgende Gespräch mit Féner über das neue Robert Capa Zentrum für zeitgenössische Fotografie, den ersten Fotowettbewerb des Zentrums und die großen ungarischen Fotografen ist ein Versuch, dieses dichte Geflecht zu entwirren.
Der Fotohistoriker und Museologe, Károly Kincses, widmet sich seit über dreißig Jahren der Erforschung der ungarischen Fotografie. Er ist Mitbegründer des Ungarischen Fotomuseums in Kecskemét sowie des Mai Manó-Hauses in Budapest, übernahm vielfältige Aufgaben als Universitätsdozent und Leiter von Fotoworkshops, als Autor sowie Kurator. Kincses berichtet im Interview, wie er die aktuelle Situation des Landes, den tobenden “Kulturkampf“, der auch die Fotografie erreicht, einschätzt. Eine offene Moment- wie auch Bestandsaufnahme aus Ungarn am 6. Dezember 2013.
Pressefotografie
(2014)
Unter den Begriff der Pressefotografie fallen im engeren Sinn all diejenigen Fotografien, die zum Zweck der Verbreitung in Zeitungen und Zeitschriften aufgenommen werden. Im erweiterten Sinn fallen darunter zudem auch solche Fotografien, die in einem anderen Kontext (zum Beispiel Wissenschaft, Wirtschaft oder Kunst) aufgenommen und dann in Zeitungen oder Zeitschriften publiziert wurden. Darüber hinaus bezeichnet der Begriff der Pressefotografie ein Berufsbild, dessen Protagonisten das Ziel verfolgen, die Öffentlichkeit über regelmäßig erscheinende Printmedien mit Bildern zu versorgen. Dieses Berufsfeld entstand im Verlauf des 19. Jahrhunderts und etablierte sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts, mit der Einführung der Autotypie als neuem Standardverfahren zur Reproduktion von Fotografien, als fester Bestandteil der modernen Medienlandschaft. Waren Zeitschriften anfangs mit Hilfe von Holzschnitten illustriert worden – zum Teil auch mit Holzschnitten, die Fotografien reproduzierten –, erlaubte das Verfahren der Autotypie erstmals den seriellen Abdruck von Fotografien.
Bildredakteure
(2014)
Die Frage, wie kollektive Bildgedächtnisse entstehen, ist eng verknüpft mit der Frage nach dem ästhetischen und informativen Gehalt derjenigen Bilder, aus denen sich diese Bildgedächtnisse speisen. Häufig repräsentieren sie historisch einschneidende Ereignisse oder Momente: Dies gilt für die oben genannten Bilder ebenso wie für Robert Capas Aufnahmen vom D-Day in der Normandie, das Bild des sogenannten Tank Man in Peking 1989 oder Bilder vom Einschlag der Flugzeuge in das World Trade Center im September 2001. Andere ikonische Bilder zeigen historische Personen in einer Weise, die deren „Wesen“ besonders gut zum Ausdruck bringt (oder zu bringen scheint). Zu dieser Gruppe von Bildern zählen das millionenfach reproduzierte Porträt von Ernesto „Che“ Guevara, ein Schnappschuss von Albert Einstein mit herausgestreckter Zunge oder das Bild von Marilyn Monroe mit fliegendem Rock auf einem U-Bahnschacht. Alle diese Bilder haben ästhetische Qualitäten, die ihre massenhafte Reproduktion und die daraus resultierende Ikonisierung plausibel erscheinen lassen.
Die Aufnahme hält eine dramatische Szene fest: Angehörige der Volksmarinedivision erwidern am Morgen des 24. Dezember 1918 das von Regierungstruppen auf sie gerichtete Artilleriefeuer, das eben ihre Verteidigungsstellung im Pfeilersaal des Berliner Schlosses getroffen hat; sechs Mann richten in fieberhafter Eile die durcheinandergeworfenen Maschinengewehre neu aus, ohne einen Blick für den tot vor ihnen liegenden Kameraden übrig zu haben; ein weiterer Matrose spurtet mit einer Munitionskiste über den von Glassplittern und Mobiliartrümmern übersäten Teppich, um Nachschub an die Frontlinie zu bringen.
Der Artikel von Rüdiger Hachtmann beleuchtet die Genesis der Polykratie-Theorie – zentral sind dabei die Thesen Franz Leopold Neumanns im Rahmen seiner bahnbrechenden Untersuchung „Behemoth“ –, nimmt die einzelnen Elemente der mit dem Begriff „Polykratie“ verbundenen Überlegungen zur Struktur des NS-Herrschaftssystems kritisch in den Blick und diskutiert deren Defizite.
Derzeit erleben wir die Genese eines Fachs. Es gibt klare Anzeichen, dass sich Public History in Deutschland als eine neue Subdisziplin der Geschichtswissenschaften institutionalisiert. Hierfür lassen sich einige klassische Indikatoren identifizieren: Es gibt die ersten Public History-Studiengänge in Deutschland, es werden die ersten Professuren mit Public History denominiert, der Deutsche Historikerverband hat eine Arbeitsgruppe zur Public History gegründet, und es gibt ein erstes Periodikum,das sich dezidiert mit Fragen der Public History auseinandersetzt.
Im Jahr 2010 entzündete sich am Abschlussbericht einer vom Auswärtigen Amt eingesetzten Historikerkommission zur Geschichte des Ministeriums vor und nach 1945 eine außergewöhnlich heftige fachliche und öffentliche Debatte. Indem die Vorgeschichte der Einsetzung der Kommission, die grundlegende Struktur sowie Ablauf und Themen der Debatte skizziert werden, wird zunächst ein Überblick der Auseinandersetzung ermöglicht. Es entsteht das Bild einer von unterschiedlichen Faktoren bestimmten vielschichtigen Debatte, in der sich wissenschaftliche und (geschichts)politische Argumente in unterschiedlichen Anteilen mischten.
»Leise über den Dächern reisen«, so war im Herbst 2012 ein Artikel zu städtischen Seilbahnen betitelt. Der zentrale Vorteil dieses Transportmittels: Seine Nutzer würden hoch über den verstopften Straßen schweben, ihr Ziel fast lautlos, ohne Verzögerung und beinahe CO2-neutral erreichen. In Europa ist die zu den Olympischen Sommerspielen 2012 in London eröffnete und nach ihrem Sponsor benannte Luftseilbahn Emirates Air Line eines der bekanntesten Prestigeprojekte für diese neue städtische Mobilitätsform. Als Vorbilder dienten die urbanen Seilbahnen in Asien und Lateinamerika, obschon vereinzelt auch westliche Städte wie Barcelona, New York oder Koblenz im ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhundert auf dieses Konzept gesetzt hatten. Gerade in Metropolregionen und Megastädten, die sich mit einem massiven Verkehrsaufkommen und einem immer weiter voranschreitenden Bevölkerungswachstum konfrontiert sehen, entwickelt sich die Seilbahn zu einem Fortbewegungsmittel, das Zukunftsutopien bedient.
A growing international interest in history, often referred to as the "history boom", has been evident since the 1970s. This is reflected in a quantitative increase in the demand as well as the supply of a range of products communicating history, products aimed at a broad public and not at a limited readership with specialist training. The number of visitors to historical exhibits is increasing as new museums and memorials are opened and new monuments are dedicated. Historical movies – feature and documentary films as well as docudramas – are aired on prime-time television, and cinema is rediscovering historical themes. The number of scholarly historical publications is growing, alongside works for general readers as well as historical novels.