20. Jahrhundert
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Ambivalente Metaphorik. Ein kritischer Rückblick auf Zygmunt Baumans "Dialektik der Ordnung" (1989)
(2017)
Lange vor Baumans »Dialektik der Ordnung« war mir ein Text von Yvonne Hirdman in die Hände gefallen, als ich mich für ein Forschungsprojekt zum »social engineering« in die Forschungsliteratur zur schwedischen Geschichte und Gesellschaftspolitik einzulesen begann. Hirdman, Historikerin, hatte 1989 ein schlankes Buch mit dem aus dem Deutschen abgeleiteten Titel »Att lägga livet tillrätta« publiziert, »Das Leben zurechtlegen«.[1] Die Studie war im Rahmen einer Enquête entstanden, mit deren Hilfe der schwedische Staat sein eigenes Funktionieren untersuchte. Hirdman, die zehn Jahre zuvor eine Geschichte der Sozialdemokratie unter dem selbstsicheren Titel »Wir bauen das Land« verfasst hatte, hielt nun derselben sozialdemokratisch dominierten Gesellschaftspolitik vor, die Menschen systematisch übermächtigt zu haben.
Kürzlich hat Hans Günter Hockerts darauf verwiesen, dass in der sich diversifizierenden „jüngeren“ Zeitgeschichte Fragen nach Migration neben Geschlecht, Generation oder Konsum einen Aufschwung nehmen - womit die zeithistorische Forschung allgemeinen historiographischen Trends folgt. Dies ist ganz wesentlich Klaus J. Bade zu verdanken, der seit den späten 1970er-Jahren auf die Bedeutung der Migration von Polen und polnisch-russischen Juden nach Preußen und später in das Deutsche Reich für die Konstituierung der deutschen Nation hingewiesen und daraus allgemeinere Überlegungen zur Migration als Thema der Sozialgeschichte entwickelt hat. Auch durch das von ihm geleitete Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) wurde der Stellenwert der historischen Migrationsforschung in der deutschen Geschichtswissenschaft erhöht. Dennoch bleibt zu konstatieren, dass Migration in der deutschen Zeitgeschichte eher als Spezialfeld bzw. als randständiges Phänomen der Sozial(staats)geschichte angesehen wird.
Als im Herbst 2017 der Berliner Antisemitika-Sammler Wolfgang Haney starb, wurden verschiedene Personen und Institutionen unruhig. Was wird aus der Sammlung? Kommt sie auf den Markt und geht als Gesamtwerk verloren? Welche Akteure und Logiken treten auf den Plan und konkurrieren um die ganze Sammlung oder um Einzelobjekte? Werden die Dauerleihgaben, die in großen Museen gezeigt werden, auf der Stelle zurückverlangt? Gibt es für öffentliche Einrichtungen Handlungsspielraum? Können, dürfen, sollen Steuergelder in den Ankauf judenfeindlicher Artefakte fließen? Wie werden sich die Erben verhalten?
Der Artikel widmet sich aus medienwissenschaftlicher Perspektive der „televisiven Historiographie“ und speziell dem Format „Virtual History“, welches der Sender „Discovery Channel“ entwickelt hat. Dieses Sendeformat versucht mittels aufwändiger digitaler Techniken, Bildmaterial von historischen Ereignissen neu zu produzieren, das dennoch einer historischen „Realität“ entsprechen soll und als „authentisch“ deklariert wird. Ausgehend von der Annahme, dass das Fernsehen generell weniger dem Authentischen als dem Falschen und der Verfälschung verpflichtet ist, fragt der Artikel nach der „Indexikalität“ virtueller digitaler Fernsehbilder. Im Anschluss an Maurice Halbwachs’ Unterscheidung von Geschichte und Gedächtnis wird die These entwickelt, dass der klassische Film mit der Konstitutionslogik der Geschichte korrespondiert, während das Fernsehen ein paradoxes Gedächtnismedium ist: Indem es überall dabei (gewesen) sein will, unterläuft es die operative Gedächtnisfunktion, zwischen Erinnern und Vergessen zu unterscheiden.
Von Amerika nach Japan – und zurück. Die historischen Wurzeln und Transformationen des Toyotismus
(2010)
Dieser Artikel zeichnet aus wirtschaftshistorischer Perspektive nach, unter welchen Bedingungen sich das Produktionsmodell des Toyotismus in Japan herausgebildet hat. Gezeigt wird, dass der Toyotismus ursprünglich aus einer Hybridisierung des Ford-Systems hervorgegangen ist: Er beruht auf einer Mischung aus japanischen Innovationen, fordistischen bzw. tayloristischen Elementen und heterodoxen Managementlehren aus den USA. Es wird erklärt, was sich hinter den toyotistischen Managementkonzepten kanban, Just-in-time, kaizen etc. verbirgt und wie diese bei Toyota seit den 1950er-Jahren zur Anwendung gelangten. Für die Zeit ab 1980 wird analysiert, wie sich der frühere Wissenstransfer umkehrte: Nun waren es Amerikaner, die von Japan zu lernen versuchten und dortige Konzepte unter dem Schlagwort „Lean Production“ übernahmen. Ob der Toyotismus damit ein internationales Referenzmodell der Produktions- und Arbeitsorganisation darstellt, ist allerdings noch offen.
Historiker und Historikerinnen, zumal jene der jüngeren deutschen Geschichte, beschäftigen sich am liebsten mit Recht, wenn es nicht weh tut. Der Boom der Menschenrechtshistoriographie steht dieser Diagnose ebensowenig entgegen wie die Flut an Behördengeschichten der NS-Zeit. Beide Trends bestätigen vielmehr den Befund, versteckt sich hinter den Etiketten doch nicht selten eine klassische Politikhistorie, oft in der Gestalt einer Gesetzgebungsgeschichte, aufgelockert durch und verwoben mit ideen- und diskurshistorischen Elementen. Dies erlaubt es einerseits, sich von der etablierten, meist juristisch definierten Rechtsgeschichte abzusetzen, der vorgeworfen wird, zu einer sterilen Dogmengeschichte erstarrt zu sein. Andererseits hält man an tradierten Arbeitsteilungen fest: Die lästige, wiewohl notwendige Pflichtaufgabe, sich in die technischen Einzelheiten des Rechts zu vertiefen, darf aus der eigenen Zuständigkeit entlassen werden. Entsprechend begrenzt bleibt der wissenschaftliche Austausch: Rechtswissenschaftler/innen lesen historiographische Arbeiten als leichte Lektüre für den Hintergrund; Historiker/innen rezipieren die Studien ihrer juristischen Kolleg/innen als sprödes Fußnotenfutter. Dass der fächerübergreifende Kontakt zuletzt vor allem durch regierungsseitig initiierte Projekte über die NS-Belastung einzelner Ministerien und Behörden vorangetrieben wurde, bestätigt diese Beobachtung eher, als dass sie widerlegt würde.
„Was machen Sie eigentlich noch außer Afrika?“, fragte mich vor einigen Jahren ein jeder Ironie unverdächtiger Professor für Neuere, also vor allem deutsche Geschichte. Denn noch immer gilt in der „Zunft“ deutscher Historiker zwar als breit ausgewiesen, wer seine Forschungsschwerpunkte etwa im Kaiserreich und in der DDR-Geschichte hat - die Beschäftigung mit fast 50 Ländern südlich der Sahara (oder analog etwa mit Lateinamerika) über mehrere Jahrhunderte hinweg wird in der Regel als exotisches Laster angesehen, dem allenfalls ergänzend zu frönen sei. Nun ist Provinzialismusschelte auf die Dauer für alle Beteiligten ermüdend; der Nachweis etwa, dass hierzulande ausgerechnet methodisch als besonders progressiv daherkommende Fachorgane sich als regional besonders introspektiv, nämlich germanozentrisch erwiesen haben, ist ohnehin längst - und sine ira et studio - geführt worden.
Im Frühjahr 2020 tauchten die Begriffe »Postkolonialismus«, »postkoloniale Theorie« und verwandte Kategorien mit ungewohnter Dichte in den deutschen Feuilletons auf, waren Gegenstand von Streitgesprächen im Radio und aufgeregten Twitter-Kommentaren. Zentraler Anlass für die ambivalente Hausse des Postkolonialismus war die Erklärung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, der Kameruner Historiker Achille Mbembe sei wegen antisemitischer Positionen als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale »nicht geeignet«. Daraus entwickelte sich eine heftige und durchaus verwirrende Debatte, in der Klein und gleichgesinnte Mbembe-Kritiker*innen des Rassismus und McCarthyismus gescholten wurden, während andere anhand weniger Passagen aus Mbembes umfangreichem Werk nicht nur darauf insistierten, er sei Antisemit und »Israel-Hasser«, sondern zugleich die »postkoloniale Theorie« anprangerten, als deren wichtiger Vertreter Mbembe gilt. Irritierend daran war nicht allein der Gestus, mit dem beispielsweise so mancher Journalist auftrat, als sei er der erste, der Kritik am Postkolonialismus oder an Mbembe übe. Insgesamt fiel zudem auf, wie sehr die Debatte auf einer bestenfalls oberflächlichen Lektüre relevanter Texte basierte. Dies galt zum Teil auch für jene, die etwa die Antisemitismusvorwürfe gegen Mbembe vehement ablehnten. Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die in der Öffentlichkeit rasch zu einer der führenden Verteidiger*innen Mbembes aufstieg, gestand zunächst freimütig ein, sie könne seiner Theorie eigentlich gar nicht so richtig folgen.
Europäische Zeitgeschichte beruht auf unterschiedlichen Meisterzählungen, zu denen sie in einem Wechselverhältnis steht. Sie sollte von einem geografischen Begriff von Europa ausgehen, der den Westen wie den Osten gleichermaßen umgreift und keine vorgegebenen ,europäischen Werte" annimmt. Quellenzugang, Fragestellungen und regionaler Forschungsstand variieren beträchtlich. Während die wirtschafts- und politikhistorische Integrationsforschung zu Westeuropa institutionalisiert ist und abgesicherte Ergebnisse aufweist, fehlt dies für die osteuropäische Integration noch weitgehend. In dem Aufsatz werden darüber hinaus unterschiedliche Sektoren einer ver-gleichenden europäischen Geschichte benannt. Hier zeichnen sich neue Wege ab, die zum Teil auch gesamteuropäische Ansätze verfolgen. Durch den Pluralismus von Integrations- und vergleichender Geschichte könnten eindimensionale Meistererzählungen differenziert werden.
Der Mainzer Europa-Kongress im März 1955 war ein publizistisch stark beachtetes Ereignis, zudem dasjenige, mit dem das knapp fünf Jahre zuvor ins Leben getretene Institut für Europäische Geschichte erstmals bewusst den Lichtkegel der Öffentlichkeit suchte. Die Tagung wurde von mehr als 300 Wissenschaftlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus 16 Staaten besucht, sprengte die räumlichen Kapazitäten des Instituts bei weitem und musste deswegen an den prominentesten Platz der Rheinstadt verlagert werden, nämlich in das Kurfürstliche Schloss. Schon im Folgejahr, 1956, konnte der Direktor der ausrichtenden Institutsabteilung, Martin Göhring, die gedruckte Dokumentation dieses Kongresses vorlegen. Sie trug denselben Titel wie die Tagung selbst: „Europa - Erbe und Aufgabe“.
Für dieses Buch muss man sich etwas Zeit nehmen. Ich hatte die gut 700 Seiten umfassende amerikanische Originalausgabe von »Mechanization Takes Command« (den Titel kürzte Giedion in seinen Notizen mit dem Akronym »M.T.C.« ab) im Sommer 2017 im Amtrak California Zephyr auf meiner Reise von Greenriver, UT, nach Chicago, IL, im Gepäck. Diese Reise bot aktualisiertes Anschauungsmaterial zu Giedions Sondierungen der US-amerikanischen Industrialisierungsgeschichte. Sie folgte jener Eisenbahnlinie, welche Kalifornien (wo die Frontier-Gesellschaft Amerikas im ausgehenden 19. Jahrhundert an ihr Ende gelangte) mit Chicago verbindet (der nach dem großen Brand von 1871 zur Industriemetropole avancierten Stadt am Lake Michigan). Dazwischen öffnete sich der Midwest, dessen verrostete und verlassene industrielle Infrastruktur (Bahnhöfe, Fabriken, Brücken, Städte) durch das Zugfenster ins Blickfeld geriet und somit den Endpunkt der von Giedion dokumentierten Entwicklungen brutal vor Augen führte. Die heruntergewirtschafteten Landschaften des Midwest und Giedions Streifzüge in ihre Industrialisierung während des 19. Jahrhunderts flossen ineinander über. Etwa dann, wenn der Zug stillstand und mein Blick bei den Getreide-Elevatoren hängen blieb, wo sich die Eisenbahnlinien kreuzen und der Personenzug den unendlich langen Güterwagen, die von Diesellokomotiven angetrieben werden, den Vortritt lassen musste. Oder wenn ich beim mäandrierenden Durchblättern des Buches und dem Blick aus dem Zugfenster den Faden verlor und eindöste – und dann beim Eindunkeln jäh von den sleeping car attendants, welche die ausklappbaren Sitze für die Nacht mit ein paar Handgriffen zu Betten umwandelten, in die Gegenwart zurückgeholt wurde. Oder im Nachfolgemodell des von George M. Pullman 1869 in seinem Patent beschriebenen Speisewagens, wo die Reisende aus Europa und Wählerinnen des amtierenden Präsidenten sich am gemeinsamen Tisch zum Verzehr von Burger, Steaks und Hot Dogs wiederfanden. Jenes Präsidenten, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Re-Industrialisierung abgehängter Regionen im einst prosperierenden Rostgürtel der USA versprach.
Extravagante Danksagungen in literarischen und wissenschaftlichen Büchern werden regelmäßig in den Massenmedien und auf Social Media zur Unterhaltung verbreitet und debattiert. Auch am Beispiel von in Danksagungen nicht erwähnten Mitarbeiter:innen und Ghostwritern werden verschiedene Auslegungen guter wissenschaftlicher Praxis und redlichen Schreibens diskutiert. Für Danksagungen interessieren sich jedoch nicht nur die Massenmedien, sondern erst recht die Wissenschaftler:innen selbst. Zwar sind akademische Danksagungen von der geistes- und geschichtswissenschaftlichen Forschung bisher kaum systematisch untersucht worden. Gleichwohl stellen sie einen von Fachkolleg:innen aufmerksam rezipierten Paratext dar, der ebenfalls der Unterhaltung dienen kann, durch den sie sich aber auch ein Bild vom jeweiligen Autor bzw. von der Autorin verschaffen. Anhand von Danksagungen wird überprüft, in welchen fachlichen Schulen sich die Autor:innen verorten, für welche Unterstützung sie sich bei wem bedanken, welche privaten Ansichten und Angelegenheiten sie preisgeben und inwiefern sie fachliche Konventionen einhalten. Umgekehrt ist dieser prüfende Blick der Kolleg:innen den Verfasser:innen von Danksagungen bekannt. Über die Geste hinaus bieten Danksagungen den Autor:innen daher die Möglichkeit, sich den Kolleg:innen als Wissenschaftler:in und (Privat-)Person zu präsentieren.
Christliches Abendland gegen Pluralismus und Moderne. Die Europa-Konzeption von Christopher Dawson
(2012)
Der englische Kulturhistoriker Christopher Dawson (1889–1970) bewegte sich im Laufe seiner Karriere eher am Rande der institutionellen akademischen Welt. Genau genommen kam Dawson erst 1958 zu akademischen Ehren, als er auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Römisch-Katholische Theologische Studien der Universität Harvard berufen wurde. Dennoch ist Dawsons früheres Werk auch heute noch populär. Insbesondere im katholisch-intellektuellen Milieu bzw. im katholisch geprägten geisteswissenschaftlichen und theologischen Kontext wird Dawson rege rezipiert. Der eigentliche Grund, sein Werk „neu“ zu lesen, liegt an dieser Stelle jedoch in Dawsons Bedeutung für eine Tradition antiliberaler Europa-Konzeption, die in der Zwischenkriegszeit entwickelt, unter anderen Vorzeichen aber auch in der Nachkriegszeit wirkungsmächtig wurde. Dawsons geschichtsphilosophischer Ansatz bestand in einer Fundamentalkritik der europäischen Aufklärung und in der Herleitung Europas über das abendländische Mittelalter, dessen Beitrag zur europäischen Zivilisation er der modernen nationalstaatlichen Entwicklung entgegenhielt. Zentral für Dawsons Werk und sein Wirken war die historische Konstruktion abendländischer Kultureinheit in seinem wohl bekanntesten Buch: „The Making of Europe“ von 1932.
In den heutigen »wissens- und technologieintensiven« Zeiten, so könnte man annehmen, drehen sich Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr um Immaterielles. Manche hoffen sogar, dass diese post-industrielle Revolution der Weltwirtschaft den Schub geben wird, den sie braucht, um weiterhin auf einem Wachstumspfad zu bleiben und – dieses kleine Detail bleibt oft unerwähnt – weiterhin eine asymmetrische Verteilung von Produktivität und Einkommen sicherzustellen. Warum sollte sich also ein Themenheft der »Zeithistorischen Forschungen« ausgerechnet jetzt mit dem »Wert der Dinge« beschäftigen, wo diese doch gerade zusammen mit der industriellen Produktion an Bedeutung zu verlieren scheinen? Gewählt haben wir dieses Thema nicht primär aufgrund der Konjunktur, welche die dinglichen Dimensionen der Vergangenheit momentan in der Geschichtswissenschaft genießen, sondern eben aufgrund der Rede vom Bedeutungsverlust des Materiellen. Sie macht es notwendig, den vermeintlichen Gegensatz zwischen Dingen und Menschen oder zwischen Stoffen und Gedanken neu zu fassen.
Jeder Kontinent, jedes Land hat seine eigenen Schwerpunkte umwelthistorischer Forschung, die sich aus der Quellenlage, den Forschungstraditionen und dem jeweiligen Charakter der Umwelt ergeben. Die amerikanische Forschung leistete für die Umweltgeschichte Pionierarbeit. Seit über vier Jahrzehnten geben ihre Werke wichtige Impulse für die Entwicklung dieses Teilgebiets der Geschichtswissenschaft in anderen Regionen der Welt. Dies gilt auch für China, das zwar auf eine jahrhundertealte Tradition staatlichen Umweltmanagements zurückblickt, wo sich eine umwelthistorische Forschung aber noch in der Aufbauphase befindet. Zur fachlichen Spezialisierung kam es erst, als sich die realen Umweltprobleme nicht mehr leugnen ließen und die Staatsführung die Bedeutung von Umweltpolitik erkannte. Chinas Historiker wandten sich Umweltfragen zu einem Zeitpunkt zu, als sich das Land verstärkt in globale Strukturen integrierte und auch auf wissenschaftlicher Ebene zunehmend globalgeschichtliche Fragen diskutiert wurden. Anders als in der Umweltgeschichte gab es bei der Globalgeschichte einen Vorläufer: eine bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ansätzen erkennbare Weltgeschichtsschreibung, die sich allerdings auf die Beziehungen zwischen und den Vergleich von Nationalstaaten beschränkte. Wichtige Impulse für die Weiterentwicklung zur Globalgeschichte erfolgten – wie bei der Umweltgeschichte – erst im Kontext von Chinas Globalisierung am Ende des 20. Jahrhunderts.
Nach einer langen Unterbrechung kehrte die „Geschichte Europas“ im Zweiten Weltkrieg mit Macht auf die Agenda der internationalen Geschichtsschreibung zurück. Erste Anzeichen hierfür hatte es bereits in der krisenhaften Zuspitzung der 1930er-Jahre gegeben. Nicht aber die Historiographie, sondern die Propaganda im weitesten Sinne bestimmte zunächst die Richtung. Als deutungsmächtig erwies sich in Großbritannien insbesondere die Stimme Robert Vansittarts, des ehemaligen beamteten Unterstaatssekretärs im britischen Außenministerium, der seit 1940 über den britischen Rundfunk ein düsteres Gesamtbild der deutschen Vergangenheit zeichnete. In sechs Radiosendungen mit dem Titel „Black Record“ listete er eine Geschichte der deutschen Aggressionen seit den Tagen des Tacitus auf.
Noch immer wird Zeithistorikern gelegentlich nachgesagt, sie hätten ein gestörtes Verhältnis zu den modernen audiovisuellen Medien, und in der Tat hat die Disziplin erst mit einiger Verzögerung auf deren Ausbreitung reagiert. Dies galt lange für die Massenmedien ganz allgemein, deren Quellenwert aus der Perspektive einer klassischen, staatszentrierten Politikgeschichte äußerst begrenzt erschien. Aber auch die Wendung hin zur Gesellschaft, zur Erfahrungs- und Erinnerungsgeschichte hat zunächst überraschenderweise kaum dazu geführt, dass die Präsenz von Medien im Alltag in diesen Ansätzen besondere Berücksichtigung gefunden hätte. Zwar ist diese traditionelle Zurückhaltung – von einigen Residuen abgesehen – inzwischen erodiert: „Mediengeschichte“ hat sich als Subdisziplin innerhalb der Zeitgeschichte etabliert. Aber jenseits eines Verständnisses als Spartengeschichte verbreitet sich erst sehr langsam die Erkenntnis, dass die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts generell nicht mehr angemessen geschrieben werden kann, ohne die ubiquitäre Verbreitung und Rezeption der Massenmedien zu berücksichtigen. Das gilt keineswegs nur für die sozial- und erfahrungsgeschichtliche Dimension des Mediengebrauchs. Wenn sich, um nur ein Beispiel zu nennen, die Darstellungsseite von Politik bereits seit geraumer Zeit maßgeblich in populären Medien wie dem Fernsehen vollzieht und Repräsentationen und Wahrnehmungen mit dem politischen Prozess rückgekoppelt sind, dann muss auch die Politikgeschichtsschreibung diesem Umstand Rechnung tragen.
Das Erdklima hat auch früher Phasen der Erwärmung und Abkühlung erlebt, ich gehe jedoch davon aus, dass die gegenwärtige globale Erwärmung im Wesentlichen anthropogen, also von Menschen gemacht ist. Die Idee einer anthropogenen globalen Erwärmung ist nicht neu, es gibt sie schon mindestens seit der Zeit der Aufklärung. Heute wird diese Hypothese jedoch auf breiter Front von der Klimaforschung gestützt.
Klischee, Klitterei, Geschichtchen ohne Geschichte - so die schärfsten Vorwürfe in der öffentlichen Debatte um den Historienfilm „Rosenstraße“. Er erzählt die Geschichte des Protestes nichtjüdischer Berliner Frauen gegen die tagelange Inhaftierung und befürchtete Deportation ihrer jüdischen Ehemänner durch Gestapo und SS im Frühjahr 1943. Ein Film im Kreuzfeuer eines Historikerstreites: Die Deportation der jüdischen Ehepartner sei geplant gewesen, erst der weibliche Protest habe zur Freilassung der Mehrzahl der rund 1.500 bis 2.000 Inhaftierten geführt - so die einen (Nathan Stoltzfus, Gernot Jochheim). Die Inhaftierung habe ‚nur’ der Auswahl von Ersatzkräften für zu deportierende „Volljuden“ gedient, die folgende Freilassung der „Mischehen-Partner“ sei bereits beschlossen gewesen - so die anderen (Wolf Gruner, Wolfgang Benz).
Im Jahr 2000 bemerkte Wilfried Loth, dass unter deutschen Historikerinnen und Historikern bislang selten systematisch über Internationale Geschichte nachgedacht worden sei. Bis heute ist mit dem Ansatz der Internationalen Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts eher eine Perspektive auf die „große Politik“ und auf die klassische Diplomatiegeschichte verbunden. Daran hat auch die inzwischen weitgehend etablierte Umbenennung der „Geschichte der internationalen Beziehungen“ in „Internationale Geschichte“ nur wenig geändert. Die Bände, die in der von Loth gemeinsam mit Eckart Conze, Anselm Doering-Manteuffel, Jost Dülffer und Jürgen Osterhammel seit 1996 herausgegebenen Reihe „Studien zur Internationalen Geschichte“ erschienen sind, öffneten sich zwar durchaus sozial- und kulturhistorischen Ansätzen. Das Repertoire der Globalgeschichtsschreibung ist hier aber noch nicht ausgeschöpft worden. Innovative globalhistorische Monographien, wie beispielsweise Sebastian Conrads Untersuchung zu „Globalisierung und Nation im Deutschen Kaiserreich“, liegen für die deutsche Zeitgeschichtsforschung noch nicht vor. Für das ‚lange 19. Jahrhundert‘ hat Conrad es verstanden, gerade das Deutsche Kaiserreich als nationales Gebilde in den Bezugsrahmen Internationaler Geschichte einzuspannen und hierbei den deutschen Nationalismus „auch als Produkt und Effekt von Interaktionen, Austausch und Zirkulation innerhalb einer zunehmend vernetzten Welt“ zu analysieren.