20. Jahrhundert
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Die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) bildet einen Meilenstein in der Entwicklung der Menschenrechte. Das gilt nicht nur für die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die Etablierung von indigenen Menschenrechten, sondern auch für das internationale Menschenrecht selbst. Denn die Entwicklung indigener Menschenrechte steht exemplarisch für die Vielfältigkeit und die Multiplizierung des Menschenrechts. Sie zeigt, dass Menschenrechte sich seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 weiterentwickeln, ausdifferenzieren und verändern können, ohne damit die Idee von Menschenrechten zwangsläufig zu unterminieren. Gleichzeitig zeigt sie in all ihren (teilweise nach wie vor bestehenden) Kontroversen, dass die Prozesse der Multiplizierung und Entwicklung von Menschenrechten weder bruchlos noch widerspruchsfrei verlaufen. Indigene Menschenrechte stehen mithin für die sensible Balance zwischen dem Festhalten an der Idee von Menschenrechten einerseits und der Notwendigkeit ihrer zeithistorischen Veränderung und Herausforderung andererseits.
„Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Sebstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander.“
Zwar begann mit der Diskussion um eine Kulturgeschichte der Politik kein völlig neues Zeitalter; auch davor gab es Untersuchungen, die ähnliche Fragen stellten und vergleichbare Erklärungshorizonte hatten. Die theoretische und methodische Diskussion der letzten zehn Jahre hat aber eine Schärfung des methodischen Arsenals und ein klareres Bewusstsein von Kontinuität und Bruch im Verhältnis zu den älteren Ansätzen der Politikgeschichte erzeugt. Kulturgeschichte der Politik kann sich heute, soweit sie sich als Methode versteht, als eine Alternative zu herkömmlichen Politikgeschichten präsentieren.
In den 1970er-Jahren lief im westdeutschen Fernsehen eine Serie der Augsburger Puppenkiste, deren Held und Titelgeber der kleine König Kalle Wirsch war. Kalle Wirsch, König der Erdmännchen, war, wie sein Name sagte: ein freundliches kleines Männchen, alles andere als unwirsch. Der Name aber irritierte – wer benutzt schon das Wort „wirsch“? Das Wort gibt es tatsächlich, es ist aber kein Gegenbegriff zu „unwirsch“, sondern eine Verballhornung von „wirr“. Zu „unwirsch“ gibt es keinen Gegenbegriff. Der kleine König Kalle Wirsch mag einem bei „Gleichheit und Ungleichheit“ in den Sinn kommen. Denn viel wird gesprochen von Ungleichheit, und dies vor allem im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit. Aber Gleichheit? Nur ganz wenige Autoren haben über deren Geschichte nachgedacht. Einer davon ist der Zürcher Historiker Jörg Fisch. Er fasst, bezogen auf das späte 19. Jahrhundert, Gleichheit vor allem als einen Anspruch, als eine Forderung. Sie ist also etwas, was (noch) nicht ist. „Gleichheit“ blieb als die bürgerliche Forderung nach rechtlicher und politischer Gleichberechtigung stehen und wurde (jedenfalls in Europa) im späten 19. und im 20. Jahrhundert zumindest teilweise eingelöst. Die Forderung nach sozialer Gleichheit jedoch, die aus revolutionären Bewegungen kam, ließ sich nicht einmal als Anspruch durchhalten, wurde als staatsgefährdend identifiziert und erbittert bekämpft. Soziale Gleichheit erhielt das Stigma des Utopismus und behielt lediglich in der Forderung nach Abbau (und nicht Abschaffung) sozialer Ungleichheit eine gewisse Berechtigung.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Zwar begann mit der Diskussion um eine Kulturgeschichte der Politik kein völlig neues Zeitalter; auch davor gab es Untersuchungen, die ähnliche Fragen stellten und vergleichbare Erklärungshorizonte hatten. Die theoretische und methodische Diskussion der letzten zehn Jahre hat aber eine Schärfung des methodischen Arsenals und ein klareres Bewusstsein von Kontinuität und Bruch im Verhältnis zu den älteren Ansätzen der Politikgeschichte erzeugt. Kulturgeschichte der Politik kann sich heute, soweit sie sich als Methode versteht, als eine Alternative zu herkömmlichen Politikgeschichten präsentieren.
„Kulturtransfer wird verstanden als ein aktiv durch verschiedene Mittlergruppen betriebener Aneignungsprozess, der von den Bedürfnissen der Aufnahmekultur gesteuert wird.“ Als die beiden französischen Germanisten und Kulturhistoriker Michel Espagne und Michael Werner Mitte der 1980er-Jahre ihr Forschungsprogramm darlegten, war keineswegs abzusehen, dass dieser Vorschlag einen methodologischen Umbruch auslösen sollte. Matthias Middell zeichnet in seinem Beitrag die Rezeption und Weiterentwicklung der Kulturtransferforschung nach, beschreibt das Verhältnis zum Historischen Vergleich und fragt nach Verflechtungen in der Gegenwart sowie ihrer erst noch globalgeschichtlich zu konstruierenden Vergangenheit.
Der Aufstieg der französischen Comics (bandes dessinées) von einer als problematisch geltenden Form der Massenkultur zur akzeptierten Kunstform war begleitet von ihrer Nationalisierung. Hierzu trugen die Kontrolle des jugendliterarischen Markts und Zensurmaßnahmen ebenso bei wie die gegenkulturellen Indienstnahmen des Mediums durch Katholizismus und Kommunismus, die Entdeckung der Comics durch die Wissenschaft sowie seit den 1980er-Jahren die staatliche Förderung. Der Aufsatz untersucht diesen Prozess der nationalen Integration und zeigt, dass der ambivalente Charakter der Comics zwischen kulturellem Gut und kommerziellem Produkt ihre Aneignung in Frankreich befördert hat. Die nationale Identitätsbehauptung verband sich dabei mit der Abgrenzung von „Amerika“ und der Vorstellung einer „europäischen Kultur“ – eine für die Konstruktionen des Nationalen im Europa des 20. Jahrhunderts typische Konstellation.
Research on the commons, and its historical enclosure, has largely restricted itself to rural areas and the frontier. This article examines the declining access to Rio de Janeiro’s urban commons, its streets and its squares. Into the nineteenth century, residents perceived Rio’s streets as remnants of nature, left intact to give access to the built environment. The streets served as a diverse human habitat, a place for community, play, work, and commerce. With the arrival of the automobile, Rio’s public spaces began to be transformed into spaces set aside largely for movement. The automotive class, which in Brazil remained a tiny minority, captured most of the streets’ spaces for driving and its squares and sidewalks for parking, in a sense closing the street off to many of its former functions. In fact, automotive movement justified – and its violence enforced – the elimination of street behaviors which the elite had been decrying unsuccessfully for decades. Compared to the developed world, the pace of automobilization in Rio was slow, but it had a profound impact from as early as the second decade of the century.
Ausgehend von der These, dass die Internationalen Organisationen im Zeitalter der Dekolonisation nach 1945 auf die Erfindung einer neuen Bildsprache angewiesen waren, die uns bis heute zutiefst vertraut ist und inzwischen selbstverständlich anmutet, fragt das Projekt nach Akteuren, Politik und Praxis des Fotojournalismus im Mid-Century. Die Geschichte der Internationalen Organisationen ohne ihr Bildprogramm erklären zu wollen, läuft daher zumindest für die nach unserem heutigen Verständnis naiv-optimistischen 1950er Jahre ins Leere: Bilder waren die Sprache, welche weltweit verstanden werden konnte, und sie waren – vieles weist darauf hin – anders als die „Weltsprachen“ Englisch oder Französisch zumindest zeitgenössisch als herrschaftsfreie Ausdrucksformen weitgehend akzeptiert.
Die Aktualität der Antiquiertheit. Günther Anders’ Anthropologie des industriellen Zeitalters
(2006)
Der Titel von Günther Anders’ philosophischem Hauptwerk, das vor 50 Jahren erschienen ist, macht es leicht, die historische Distanz, die uns heute von diesem Buch trennt, mit seinem eigenen Begriff zum Ausdruck zu bringen: Die „Antiquiertheit des Menschen“ erscheint heute selbst in vielerlei Hinsicht antiquiert. Anders’ „Gelegenheitsphilosophie“ (S. 8) blieb auf spezifische Weise an die Gelegenheit ihres Entstehens gebunden. Seine Studie „über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution“, so der Untertitel, ist damit zugleich ein Dokument der Zeitgeschichte und der Biographie ihres Autors. Als solches enthält sie aber auch Anregungen für die Zeitgeschichtsforschung, die durchaus noch aktuell sind.