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Noch immer liegen NS- und Genozidforschung weit auseinander – und sind zugleich doch eng miteinander verbunden. Denn zum einen bildet der Holocaust für die Genozidforschung bis heute die Matrix der unterschiedlichsten Typologieversuche. Zum anderen gründet die These von der Singularität des Holocaust notwendig, obgleich meist nur implizit auf dem Vergleich mit anderen Massenmorden. Dennoch arbeiten beide Disziplinen bis heute vielfach nebeneinander her. NS-Forscher ignorieren die Forschungsergebnisse zu den übrigen Völkermorden im 20. Jahrhundert weitgehend und perpetuieren damit die Singularitätsthese durch den eigenen eingeengten, überwiegend nationalgeschichtlich-deutschen Horizont. Die zahlreichen Bücher zu Genoziden basieren hingegen oft auf einem Kenntnisstand des Holocaust, der aus den 1970er-Jahren stammt, und beziehen sich damit sich auf eine gänzlich veraltete Matrix, die wiederum die eigenen Schlussfolgerungen verzerrt.
Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Kriege, des Terrors und der Vernichtung, in dem Millionen Menschen dem Wahn von wenigen zum Opfer fielen. Wir verbinden die Gräuel und Schrecken des Jahrhunderts gewöhnlich mit dem Eroberungskrieg und den Vernichtungsexzessen der Nationalsozialisten. In Osteuropa aber wird diese vergangene Wirklichkeit auch mit der stalinistischen Gewaltherrschaft in Verbindung gebracht. In Deutschland, besser: im Westen Europas, ist das Wissen darüber, dass es neben dem Nationalsozialismus noch eine andere mörderische Diktatur gegeben hat, nahezu in Vergessenheit geraten. Dieses Wissen gab es einmal, dann ist es aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht worden, weil die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Herrschaft alle anderen Erinnerungen überdeckt oder zum Schweigen gebracht haben.