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Bei der derzeitigen Deutung der 1970er-Jahre werden insbesondere die sozioökonomischen und soziokulturellen Veränderungen hervorgehoben, die mit der Ölkrise 1973 einhergingen. Demgegenüber unterstreicht der vorliegende Aufsatz die Umbrüche und Krisenreaktionen Ende der 1970er-Jahre. Insbesondere 1979 verdichteten sich zahlreiche globale Ereignisse, die Paradigmenwechsel bewirkten. Verdeutlicht wird dies für den Bereich der Energie- und Wirtschaftsgeschichte, den Wandel der Politik sowie im Feld der Kultur exemplarisch für die neue öffentliche Bedeutung der Religion und der Geschichte. Die markanten Ereignisse und längerfristigen Trends lassen sich zugleich als Ausdruck und Praxis der Globalisierung fassen: Weit entfernte Ereignisse wie der Atomunfall bei Harrisburg, der Machtwechsel in Nicaragua oder die Revolution im Iran führten auch in der Bundesrepublik zu neuen Wahrnehmungs- und Handlungsmustern. Ein genauerer, transnationaler Blick auf die Jahre um 1979 eröffnet zudem zusätzliche Interpretationshorizonte für Kernfragen der Zeitgeschichte, die sich aus dem Umbruch 1989/90 nur bedingt beantworten lassen.
Geteilte Geschichte. Plädoyer für eine deutsch-deutsche Perspektive auf die jüngere Zeitgeschichte
(2015)
In der Geschichtswissenschaft boomen derzeit grenzübergreifende Studien. Aus transnationaler Perspektive werden nicht nur Beziehungen zwischen europäischen Ländern untersucht, sondern zunehmend auch globale und außereuropäische Verflechtungen, die bis nach Ostasien oder Afrika reichen. Umso mehr erstaunt, dass 25 Jahre nach dem Mauerfall übergreifende deutsch-deutsche Studien weiterhin selten zu finden sind. Selbst die großen Überblickswerke zur deutschen Zeitgeschichte wähl(t)en selten grenzüberschreitende Perspektiven. Die meisten Historiker/innen im alten Westen empfanden die DDR lange als eine Art »fernes Land«, dessen Erforschung, bis auf wenige Ausnahmen wie die deutsch-deutsche Politikgeschichte und der Mauerfall, den Kolleginnen und Kollegen an ostdeutschen oder Berliner Universitäten überlassen wurde. Auch in den vielfältigen theoretischen Debatten um eine transnationale Geschichte, eine »shared history« oder »entangled history« hat die deutsch-deutsche Geschichte bisher keine Rolle gespielt. Zu unklar erschien vermutlich der Status des Trans-»Nationalen« – in diesem Fall ja eine »trans-staatliche« Geschichte einer später wiedervereinigten Nation. Eine umfassende gesamtdeutsche Gesellschaftsgeschichte steht daher weiterhin aus; ebenso fehlt es an Einzelstudien zu vielen relevanten Feldern.
Annette Vowinckel weist in ihrem Artikel eingangs auf unterschiedliche Forschungsfelder hin, in denen sich Mediengeschichte bewegt. Um jedoch die differenten Zugänge zur Mediengeschichte adäquat zu verstehen, sind die unterschiedlichen disziplinären Forschungsansätze, Forschungstraditionen und Mediendefinitionen deutlicher zu vergegenwärtigen.
In both the US and West-Germany, the history of the 1970s is perceived as a time of economic and cultural crises. More recent publications in both countries concentrate on political protest and reform movements. American studies, however, choose a wider focus, that could be inspiring for future German studies, through amplifying the crisis narrative with the everyday developments of the 1970s, ranging from new forms of consumption to tourism and mass sports. Moreover, successful movies and TV series were analysed to develop fundamental interpretations for the history of societies. Quite often, American publications succeed in connecting classical governmental policy with social history whereas German works tend to centre on either one of these aspects.
Quelle: Verlag
Der vorliegende Aufsatz analysiert, wie die aus damaliger und heutiger Sicht unerwartet große Flüchtlingshilfe gegenüber den vietnamesischen »Boat People« aufkam und ihre starke Dynamik gewann. Untersucht wird, welche Rolle zivilgesellschaftliche Gruppen, die staatliche Bürokratie, politische Parteien sowie Medien dabei spielten und wie diese bei der konkreten Aufnahme von Flüchtlingen interagierten. Dabei wird erstens gezeigt, dass anfangs vor allem öffentlicher Druck die sozialliberale Regierung zu einer Aufnahme der Indochina-Flüchtlinge bewegte, sich dann aber zivilgesellschaftliches und staatliches Handeln wechselseitig ergänzten. Das zweite Argument lautet, dass der öffentliche Druck insbesondere durch mediale Kampagnen und durch christdemokratische Initiativen aufkam, die entschieden für die Aufnahme der Flüchtlinge eintraten. Eine wichtige Rolle spielte dabei, so die dritte These, dass die »Boat People« diskursiv mit der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden wurden – speziell mit der Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Viertens zeigt der Aufsatz, wie Techniken der Flüchtlingsaufnahme und neue Formen humanitärer Hilfe entstanden, die sich als zivilgesellschaftlicher und bürokratischer Wandel interpretieren lassen.
Unter Historikern ist mittlerweile unumstritten, dass Medien in der Zeitgeschichte eine zentrale Rolle spielen. Sie werden nicht einfach als virtueller Spiegel von etwas „Realem” aufgefasst, sondern als integraler Teil sozialer Wirklichkeiten. Das gilt etwa für ihre materielle Dimension, ihre jeweilige alltägliche Nutzung und ihren Einfluss auf Wahrnehmungen und soziale Praktiken. Insofern erscheint es gerade in der Zeitgeschichtsforschung bei den meisten Themen unumgänglich, die jeweilige Bedeutung von Medien analytisch einzubeziehen. Über eine Geschichte der Medien hinaus steht entsprechend die Medialität der Geschichte und damit die Bedeutung von Medien für historische Entwicklungen zunehmend im Vordergrund zeithistorischer Untersuchungen (...)
Dieser Text ist eine Verschriftlichung des Eingangsstatement von Frank Bösch bei der Diskussionsreihe "Geschichtliche Grundfragen". Die von Rüdiger Graf (ZZF), Matthias Pohlig (HUB) und Ulrike Schaper (FU Berlin) initiierte Veranstaltung fand im Winter- und Sommersemester 2021/22 im online-Format statt. Zeitgeschichte|online veröffentlicht die Eingangsstatements der Veranstaltung in einem Dossier. Die Vorträge wurden bis auf wenige Ausnahmen von der Audioaufnahme transkribiert und überarbeitet, dabei wurde Wert darauf gelegt, die rein sprachliche Form der Statements beizubehalten.
Den Ostdeutschen wird oft vorgehalten, dank ihrer DDR-Vergangenheit nicht in der Demokratie angekommen zu sein. Die statistischen Daten scheinen eindeutig: So bewerten die Ostdeutschen die Demokratie kritischer, Minderheiten werden weniger akzeptiert und knapp ein Fünftel der Ostdeutschen nennt, unter bestimmten Umständen, eine Diktatur als beste Staatsform. Zudem ist die Wahlbeteiligung niedriger, während rechte Parteien stärker reüssieren. Ebenso sind Ostdeutsche seltener Mitglied in Parteien oder Vereinen.
Gerade weil derartige Zahlen so eindeutig wirken, sollten wir sie auch in der künftigen zeithistorischen Erforschung kritischer diskutieren. Denn erstens fällt auf, dass andere Statistiken, die mehr Ähnlichkeiten zwischen Ost und West aufzeigen, weniger Aufmerksamkeit finden.
Nach ihrem Machtverlust und den Finanzskandalen steht die CDU vor ihrer schwersten Bundestagswahl. Ähnlich wie schon Adenauer hatte auch Helmut Kohl die Union zwar zu einer erfolgreichen Partei aufgebaut, sie aber zerrüttet hinterlassen. Frank Bösch betrachtet die aktuellen Herausforderungen der CDU im Zusammenhang mit ihrer wechselvollen Parteigeschichte. Diese Überblicksdarstellung zeigt, welche Reformpotentiale die CDU bislang aufwies und wo ihre Beharrungskräfte liegen. Die zum Teil dramatischen Veränderungen der Parteiführung, ihrer Organisation und Finanzen werden dabei ebenso untersucht wie der Wandel ihrer Politik, ihrer Programmatik und ihrer Wählerschaft. Damit gibt dieses Buch einen parteiunabhängigen Gesamtüberblick über nahezu sechs Jahrzehnte CDU-Geschichte.
Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880-1914
(2009)
Im ausgehenden 19. Jahrhundert traten in ganz Westeuropa zahllose spektakuläre Skandale auf. Es kam zu Enthüllungen über Korruption, Ehebrüche und koloniale Gewalt, die zu politischen Krisen und grenzübergreifender Empörung führten. Frank Bösch untersucht diese politischen Skandale erstmalig systematisch, international vergleichend und anhand von umfassenden Archivquellen. Er analysiert Verlauf und Wirkungen der Skandale und fragt, inwieweit sie die politische Kommunikation, Machtstrukturen und kulturellen Normen beeinflussten. Zudem zeigt die Studie, wie sich in Deutschland und Großbritannien das Verhältnis von Politik, Medien und Öffentlichkeit veränderte und verdeutlicht die Interaktionen und Annäherungen zwischen den beiden Ländern.