Die Balkan-Muslime und Europa
- Ende des 20. Jahrhunderts lebten im Balkanraum - von Bosnien-Herzegowina, über Albanien, Kosovo, den Sandschak und Makedonien bis nach Thrakien und Bulgarien - zwischen 8 und 8,5 Millionen Muslime unterschiedlicher Sprache und Herkunft. Die größten Gruppen bildeten die auf sechs Staaten bzw. Teilrepubliken aufgeteilten Albaner (die mehrheitlich, aber nicht ausschließlich muslimisch waren), die bosnischen Muslime, die Türken sowie die Roma und Sinti, gefolgt von den kleineren Gruppen der slawisch sprechenden Muslime in Bulgarien, Griechenland, Makedonien und Teilen Albaniens und Kosovos. Im Unterschied zu den muslimischen Bevölkerungsgruppen in Westeuropa, die mehrheitlich erst während der letzten Jahrzehnte zugewandert sind, handelt es sich bei den Balkan-Muslimen um alteingesessene Bevölkerungsgruppen. Zum größten Teil sind sie ein Erbe der osmanischen Herrschaft, einer Zeit, die in der Wahrnehmung der (West)Europäer mit der politischen Hegemonie des Islam über die christliche Bevölkerung, nicht selten auch mit „asiatischer Despotie“ „Rückständigkeit“ und „Bedrohung“ assoziiert wurde. Auch die christlichen Völker des ehemaligen osmanischen Balkans definierten seit dem 19. Jahrhundert ihre nationale und europäische Identität in Abgrenzung zum Islam und den orientalischen „Türken“. Sie wollten einen Platz in den „Reihen der zivilisierten europäischen Nationen“ einnehmen und am Fortschritt teilhaben, welcher für sie gleichbedeutend mit „der Zugehörigkeit zu Europa“ war. „Europa“ stand stellvertretend für den „Westen“. „Rückkehr nach Europa“ und „Verwestlichung“ wurden abwechselnd zur Bezeichnung ein und desselben Annäherungsprozesses. Die Muslime wurden hierbei als eine „Verunreinigung“ bzw. als eine unerwünschte Hinterlassenschaft wahrgenommen, sie galten als „uneuropäisch“, „osmanisch“ und „balkanisch“. In der Politik der Balkanstaaten bedeuteten „Modernisierung“ und „Europäisierung“ zugleich eine Entosmanisierung und Entislamisierung.
Author: | Jordanka Telbizova-SackGND |
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DOI: | https://doi.org/10.14765/zzf.dok.1.940 |
Parent Title (German): | Europa im Ostblock. Vorstellungen und Diskurse (1945 - 1991)/Europe in the Eastern Bloc. Imaginations and Discourses (1945–1991) |
Series (Serial Number): | Zeithistorische Studien (44) |
Publisher: | Böhlau |
Place of publication: | Köln |
Editor: | José María Faraldo, Paulina Gulińska-Jurgiel, Christian Domnitz |
Document Type: | Part of a Book |
Language: | German |
Date of Publication (online): | 2017/06/14 |
Date of first Publication: | 2008/01/01 |
Publishing Institution: | Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) - Leibniz Centre for Contemporary History Potsdam (ZZF) |
Release Date: | 2017/10/26 |
First Page: | 189 |
Last Page: | 198 |
Dewey Decimal Classification: | 9 Geschichte und Geografie / 90 Geschichte / 909 Weltgeschichte |
ZZF Chronological-Classification: | 1945- |
ZZF Topic-Classification: | Islam |
Cold War Studies | |
ZZF Regional-Classification: | Europa / Südosteuropa/Jugoslawien |
Licence (German): | ZZF - Clio Lizenz |