Geschichte der Gegenwart
Die Reihe „Geschichte der Gegenwart“ ist mit der Aufnahme des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam in die Leibniz-Gemeinschaft eröffnet worden und erscheint seit 2010 beim Wallstein Verlag. Die hier publizierten Bücher thematisieren Ereignisse, Prozesse und Strukturen der deutschen und gesamteuropäischen Geschichte, denen eine übergreifende Bedeutung für die Ordnung und das Verständnis der sozialen und kulturellen Welt im 20. Jahrhundert zugesprochen werden kann.
ISSN 2941-5322
Refine
Document Type
- Part of a Book (22)
- Book (10)
Language
- German (32)
Has Fulltext
- yes (32)
Keywords
- Deutschland (Bundesrepublik) (4)
- Deutschland (DDR) (3)
- Deutschland (2)
- Amerikaner (1)
- Arbeitsbedingungen (1)
- Auftragsforschung (1)
- Automobilwerk Eisenach (1)
- Außenpolitik (1)
- Berlin (West) (1)
- Berlin-Friedrichshain (1)
37
Der Rechtsterrorismus in der Bonner Republik wird erstmals eingehend in seiner ganzen Bandbreite untersucht.
Der Rechtsterrorismus wurde in Deutschland jahrzehntelang als Problem für die innere Sicherheit unterschätzt. Das Bild vom verwirrten Einzeltäter prägte den Diskurs. Erst die Aufdeckung der Morde des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) machte Politik und Gesellschaft die unmittelbare Gefahr bewusst. Auch die bundesdeutsche Zeitgeschichte befasste sich lange kaum mit dem Rechtsterrorismus, obwohl dessen Geschichte bis in die frühen 1960er Jahre zurück reicht.
Darius Muschiol untersucht anhand vielfältiger Akten und Dokumente den Entstehungs- und Entwicklungsprozess des bundesdeutschen Rechtsterrorismus bis 1990. Er blickt auf die Radikalisierungsprozesse der Rechtsterroristen, deren Vernetzungen, ihr Agieren und die Bewertung dieser Gewalt durch Politik, Justiz und Öffentlichkeit. Zudem stehen die jeweiligen Feindbilder, die gesellschaftliche Einbettung des Terrorismus und dessen Kommunikationsstrategien im Vordergrund. Im Blick stehen dabei auch bekannte Gruppierungen und Ereignisse wie die »Wehrsportgruppe Hoffmann« oder das Oktoberfestattentat 1980, vor allem aber zahlreiche bislang kaum oder unbekannte Akteure. Ebenso zeigt der Autor die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Reaktionen. Dabei arbeitet er insbesondere heraus, dass es sich eben nicht um Einzeltäter handelte, sondern dass gerade diese Sicht die Gewalt verharmloste. Darius Muschiol ergänzt damit den Blick auf die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik wesentlich.
36
Museen sammeln Gegenwart für eine künftige Geschichte. Dieses Buch zeigt, wie seit 1900 daraus Vergangenheiten entstanden.
Historische Museen gelten als Orte des Bewahrens von schönen, seltenen oder wertvollen Dingen. Tatsächlich sind sie jedoch keine Orte des Antiquarischen, sondern sammelnd auch der Gegenwart verbunden und gehen dabei höchst unterschiedlich vor: Einsammeln, was zu verschwinden droht, sichern, was aktuelle Ereignisse hervorbringen, aber auch ein Panorama der aktuellen Gesellschaft für die Zukunft zu dokumentieren sind Strategien des Sammelns von Gegenwart. Der Blick der historischen Museen richtet sich damit auf das Heute als künftige Vergangenheit.
Andreas Ludwig analysiert die Entwicklung des Gegenwartssammelns seit 1900 am Beispiel von nationalen Geschichtsmuseen, Stadt- und Heimat- sowie spezialisierten Fachmuseen. Beispiele aus Deutschland und darüber hinaus zeigen die unterschiedlichen Vorstellungen von dem, was es Wert erschien, für die Zukunft bewahrt zu werden. Andreas Ludwig analysiert historisch werdende materielle Archive, das Sammeln für Ausstellungen, Zeitkapseln, das Rapid Response Collecting und partizipative Wege in einer immer diverser werdenden Öffentlichkeit und schlussfolgert: Im Museum zeigt sich nämlich, wann und wie aus Gegenwart Geschichte wird.
35
Die Frage, wie menschliches Verhalten beeinflusst werden kann, ist in der jüngsten Zeitgeschichte virulenter geworden. Auf der Basis verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse versprechen Expert:innen, Menschen durch subtile Interventionen glücklicher, gesünder und wohlhabender zu machen. Zugleich haben die Digitalisierung und Datafizierung unserer Welt Ängste vor einer umfassenden Verhaltensmanipulation und -kontrolle verschärft. Das Buch zeigt, dass es keineswegs selbstverständlich ist, Menschen nicht als handelnde Subjekte, sondern als sich verhaltende Organismen zu begreifen. Es untersucht, wie seit der Behavioral Revolution in der Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Wissensfeldern, von den Wirtschafts- über die Psychowissenschaften bis zur Kriminologie, ein spezifisches Verhaltenswissen entwickelt wurde. Davon ausgehend analysiert es dessen Bedeutung für den Wandel politischer Steuerungstechniken vor allem in Bezug auf das Umwelt-, Gesundheits- und Finanzverhalten seit den 1970er Jahren.
33
In der Arbeitswelt der DDR bestanden markante soziale Ungleichheiten, die sich mit der Vereinigung verschärften.
Die Gesellschaft der DDR war stark über die Arbeit im Betrieb organisiert, die wesentlich zur »Vergesellschaftung« beitrug. Da Betriebe das soziale und materielle Leben organisierten, prägten sie auch soziale Ungleichheit, obwohl sich die DDR als egalitäre Gesellschaft verstand. Jessica Lindner-Elsner untersucht am Beispiel des VEB Automobilwerk Eisenach, das den Wartburg baute, wie sich Arbeitsbedingungen und soziale Ungleichheit wandelten. Dies zeigt sie für die Kernbelegschaften und vulnerable Arbeiter:innen wie etwa Strafgefangene, Menschen mit Behinderungen und Ausländer. Sie waren gegenüber Mitarbeiter:innen in Normalarbeitsverhältnissen benachteiligt. Deutlich wird zudem die Ungleichbehandlungen von Frauen, die aufgrund fortbestehender Rollenverteilungen weniger flexibel auf Arbeitsanforderungen regieren konnten.
Die Autorin fragt, wie solche Benachteiligungen im planwirtschaftlichen System entstanden. Ebenso zeigt sie, wie sich die Muster sozialer Ungleichheit im Übergang zur Marktwirtschaft veränderten, als das Automobilwerk durch die Treuhandanstalt abgewickelt wurde und mit Opel in Eisenach ein neuer Hersteller übernahm.
24
Hacker und Haecksen zählen zur Avantgarde der Computerisierung. Seit den späten 1970er-Jahren bildeten sie sich in der Bundesrepublik und in der DDR zu eigensinnigen ComputernutzerInnen mit einschlägigem Wissen heraus. Sie eigneten sich das Medium spielerisch an, schufen Kontakträume und brachten sich so aktiv in den Prozess der Computerisierung ein. Durch ihre Grenzüberschreitungen zeigten sie dabei Chancen und Risiken der Digitalisierung auf.
Julia Gül Erdogan geht der Entstehung der Hackerkulturen in Ost- und Westdeutschland nach. Sie analysiert, wie deren teils subversive Praktiken Machtgefüge in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft herausforderten. Zugleich verdeutlicht die Arbeit Gemeinsamkeiten und Unterschiede der frühen sub- und gegenkulturellen Computernutzung in den beiden deutschen Teilstaaten.
20
»If you can’t beat ’em, join ’em«. Computerschach und der Wandel der Mensch-Maschinen-Verhältnisse
(2018)
20
Wahrnehmungen, Gebrauchsweisen und sozioökonomische Folgen der Computernutzung bis zum Aufkommen des PCs.
Die Verbreitung des Computers zählt zu den wichtigsten Veränderungen der jüngeren Zeitgeschichte. Bereits seit Mitte der 1950er Jahre setzten zunächst große Unternehmen und Behörden, dann auch das Militär und Sicherheitsdienste zunehmend Computer ein. Die Zeitgenossen diskutierten intensiv die Auswirkungen der Computernutzung und bewerteten sie als einen tiefgreifenden Umbruch. Dennoch hat sich die Zeitgeschichtsforschung bislang kaum mit dem Beginn des digitalen Zeitalters beschäftigt.
Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes untersuchen die Verbindungen zwischen technischem und gesellschaftlichem Wandel als einen evolutionären Prozess, der selten gradlinig verlief. Klassische Themen der Zeitgeschichtsforschung, wie die Geschichte der Inneren Sicherheit, des Wohlfahrtsstaats und des Bankenwesens, der Arbeitswelt, der Verwaltung, aber auch von Protest- und Subkulturen werden auf diese Weise neu betrachtet. Dabei wird aufgezeigt, inwieweit Computer die Kontroll-, Betriebs- und Machtgefüge veränderten. Die Bundesrepublik steht im Vordergrund, jedoch mit vielfältigen Seitenblicken auf grenzübergreifende Verflechtungen.