909 Weltgeschichte
Ende des 20. Jahrhunderts lebten im Balkanraum - von Bosnien-Herzegowina, über Albanien, Kosovo, den Sandschak und Makedonien bis nach Thrakien und Bulgarien - zwischen 8 und 8,5 Millionen Muslime unterschiedlicher Sprache und Herkunft. Die größten Gruppen bildeten die auf sechs Staaten bzw. Teilrepubliken aufgeteilten Albaner (die mehrheitlich, aber nicht ausschließlich muslimisch waren), die bosnischen Muslime, die Türken sowie die Roma und Sinti, gefolgt von den kleineren Gruppen der slawisch sprechenden Muslime in Bulgarien, Griechenland, Makedonien und Teilen Albaniens und Kosovos. Im Unterschied zu den muslimischen Bevölkerungsgruppen in Westeuropa, die mehrheitlich erst während der letzten Jahrzehnte zugewandert sind, handelt es sich bei den Balkan-Muslimen um alteingesessene Bevölkerungsgruppen. Zum größten Teil sind sie ein Erbe der osmanischen Herrschaft, einer Zeit, die in der Wahrnehmung der (West)Europäer mit der politischen Hegemonie des Islam über die christliche Bevölkerung, nicht selten auch mit „asiatischer Despotie“ „Rückständigkeit“ und „Bedrohung“ assoziiert wurde. Auch die christlichen Völker des ehemaligen osmanischen Balkans definierten seit dem 19. Jahrhundert ihre nationale und europäische Identität in Abgrenzung zum Islam und den orientalischen „Türken“. Sie wollten einen Platz in den „Reihen der zivilisierten europäischen Nationen“ einnehmen und am Fortschritt teilhaben, welcher für sie gleichbedeutend mit „der Zugehörigkeit zu Europa“ war. „Europa“ stand stellvertretend für den „Westen“. „Rückkehr nach Europa“ und „Verwestlichung“ wurden abwechselnd zur Bezeichnung ein und desselben Annäherungsprozesses. Die Muslime wurden hierbei als eine „Verunreinigung“ bzw. als eine unerwünschte Hinterlassenschaft wahrgenommen, sie galten als „uneuropäisch“, „osmanisch“ und „balkanisch“. In der Politik der Balkanstaaten bedeuteten „Modernisierung“ und „Europäisierung“ zugleich eine Entosmanisierung und Entislamisierung.
Mit dem Abkommen über die deutsche Wirtschafts- und Währungsunion galten ab 1. Juli 1990 die Bedingungen der Europäischen Gemeinschaft (EG) auch für das Gebiet der DDR. Damit war der zweite deutsche Staat dort angekommen, wo die SED-Führung nie hin wollte: in der westeuropäischen Integration. Das „Haus Europa“, das nach der Vorstellung Erich Honeckers stets Platz für zwei unterschiedliche gesellschaftliche Systeme bieten
sollte, erhielt so die Umrisse einer „Hausordnung“, die in den außenpolitischen Konzepten führender Staatsmänner weder in West noch in Ost in den vorhergehenden vierzig Jahren ernsthaft erwogen worden war. Während die Integration in Westeuropa aber bis zum Ende der achtziger Jahre sichtbare Ergebnisse und konkrete Pläne für die wirtschaftliche, politische und militärische Zukunft der westlichen Gemeinschaft hervorgebracht hatte, fielen der Ostblock und mit ihm seine Bündnissysteme in sich zusammen. Sang- und
klanglos wurde am 25. Februar 1991 der Warschauer Vertrag beendet. Am 28. Juni 1991 löste sich der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) auf, ohne dass ersichtlich wurde, welche konkreten Vorstellungen die früheren Ostblockstaaten von ihrer zukünftigen Rolle in einem Gesamteuropa hatten.