21. Jahrhundert
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Die Besucher: innen der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen stehen vor Ort vor einer Herausforderung: Am historischen Tatort des Massakers von Gardelegen, bei dem in der Nacht vom 13. auf den 14. April 1945 über 1000 KZ-Häftlinge ermordet wurden, werden sie mit einem Verbrechen konfrontiert, zu dem nur wenige Primärquellen überliefert sind. Die Gedenkstätte möchte den Besucher:innen jedoch eine Annäherung an das Thema und gleichzeitig einen Ansatz bieten, zu verstehen, wie es im April 1945 in einer ländlichen Region kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch zu einem der größten Endphaseverbrechen kommen konnte. Dieser Anspruch wird dort zum Problem, wo es nur wenig überliefertes Quellenmaterial gibt, das für geschichtsdidaktische Zwecke geeignet ist. Notwendig wird somit ein anderes Medium, das zusätzlich das didaktische Dilemma der Unzeigbarkeit der historischen Beweisaufnahmen bricht und es vermag, die Betrachter: innen auf andere Weise mit den historischen Tatsachen der Ereignisgeschichte zu konfrontieren: Zeichnungen im Stil einer Graphic Novel.
Im Folgenden wird zunächst der historische Kontext dargestellt und dann exemplarisch auf die Frage eingegangen, wo durch den Einsatz zeichnerischer Elemente neue Perspektiven auf die Geschichte des Massakers von Gardelegen eröffnet werden können.
Vor fast 35 Jahren veröffentlichte der Historiker Michael F. Scholz den wohl ersten deutschsprachigen Aufsatz zu Comics als neue historische Quelle. Sein damals noch revolutionärer Zugang ist zunächst dank Geschichtsdidaktiker:innen und später auch durch Zeithistoriker:innen etabliert worden. In meinem Beitrag soll es vor allem um den Comic als Erinnerungsmedium gehen, also als Medium, in dem einerseits individuelle Erinnerungen visualisiert werden, das aber andererseits auch als Ausdruck von spezifischen (kollektiven) Erinnerungen verstanden werden kann. Als solches wird der Comic bereits verhandelt und im interdisziplinären und praxisorientierten Raum diskutiert und eingesetzt. Daher lohnt es sich, hier aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive den Comic als Erinnerungsmedium vorzustellen und nach seinen spezifischen Funktionen zu fragen.
Mihály Moldvay ist 1962 als „Gastarbeiter“ aus Jugoslawien in die Bundesrepublik gekommen. Statt – wie gedacht – nach einiger Zeit mit dem als Autoschlosser verdienten Geld in seine Heimat zurückzukehren, ist er geblieben. Moldvay machte eine Ausbildung zum Fotoreporter und arbeitete 35 Jahre lang als einer der wenigen festangestellten Fotojournalisten beim „Stern“. Am 1. Januar 2024, ist Mihály Moldvay verstorben. Ich habe ihn im Frühjahr 2020 kennengelernt und Interviews sowie viele Gespräche mit ihm geführt. Gemeinsam sahen wir uns in seinem Wohnzimmer seine Fotoreportagen an und viele Bilder, die nicht für die Reportagen ausgesucht wurden und in dicken Leitz-Ordnern darauf warteten, wiederentdeckt zu werden.
Die älteste deutsche Bildillustrierte „Stern“ beging im August 2023 ihr 75-jähriges Bestehen. Das Verlagshaus feierte das Jubiläum in einer Sonderausgabe mit je einem doppelseitigen Foto für jedes Jahr. Hier wiederholte sich ein Muster, das schon die Jubiläumshefte von 1988, 1998 und 2018 erkennen ließen: Der „Stern“ wurde in der Geschichte seiner Anfangsjahre ein weiteres Mal in ein von den Schatten der nationalsozialistischen Vergangenheit befreites, weltoffenes Licht gerückt. Die Originalhefte ab 1948 geben jedoch eine sehr viel differenziertere Auskunft über Brüche und Kontinuitäten in der Magazingeschichte. In diesem Text soll, zwangsläufig ausschnitthaft, anhand verschiedener Beispiele aus dem Bildjournalismus eine quellengestützte Analyse der Illustrierten „Stern“, der behandelten Themen und gezeigten Fotografien aus der ersten Dekade ihres Erscheinens von 1948 bis 1959 erfolgen. Hierbei werden sowohl die personellen Kontinuitäten und ersten Umbrüche im generationellen Wechsel von Redakteuren und Fotografen als auch inhaltliche Bezüge der verwendeten Fotografien zum NS-Staat betrachtet. In Einzelfällen werden auch Vergleiche zu Konkurrenzblättern hinzugezogen, um zu einem abgewogenen Urteil in der Frage nach Ausnahme oder Regel hinsichtlich einer personellen und inhaltlichen NS-Kontinuität im bundesrepublikanischen (Bild-)Journalismus der 1950er Jahre zu kommen.
„Krieg geht viral“ ist wohl auch drei Jahre nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine ein passender Untertitel für diesen Krieg. Doch für ihr Buch sammelte die Kunstwissenschaftlerin Elena Korowin bereits in den Jahren 2022/23 visuelle Kultur und Kunst aus dem digitalen Raum und analysierte die ganz unterschiedlichen künstlerischen Reaktionen aus der Ukraine, Russland und Deutschland auf den Krieg – von Fotografien und Tagebüchern bis zu Memes und Street Art. Im Gespräch mit der Public Historian und Visual History-Redakteurin Josephine Kuban blickt die Autorin auf das erste Kriegsjahr und die Entstehung ihres Buches zurück und spricht über die Funktionen und Wirkungen von visuellen Medien im Krieg, aber auch über den Umgang mit solchen Kriegsbildern.
Die Frage, wie menschliches Verhalten beeinflusst werden kann, ist in der jüngsten Zeitgeschichte virulenter geworden. Auf der Basis verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse versprechen Expert:innen, Menschen durch subtile Interventionen glücklicher, gesünder und wohlhabender zu machen. Zugleich haben die Digitalisierung und Datafizierung unserer Welt Ängste vor einer umfassenden Verhaltensmanipulation und -kontrolle verschärft. Das Buch zeigt, dass es keineswegs selbstverständlich ist, Menschen nicht als handelnde Subjekte, sondern als sich verhaltende Organismen zu begreifen. Es untersucht, wie seit der Behavioral Revolution in der Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Wissensfeldern, von den Wirtschafts- über die Psychowissenschaften bis zur Kriminologie, ein spezifisches Verhaltenswissen entwickelt wurde. Davon ausgehend analysiert es dessen Bedeutung für den Wandel politischer Steuerungstechniken vor allem in Bezug auf das Umwelt-, Gesundheits- und Finanzverhalten seit den 1970er Jahren.
Museen sammeln Gegenwart für eine künftige Geschichte. Dieses Buch zeigt, wie seit 1900 daraus Vergangenheiten entstanden.
Historische Museen gelten als Orte des Bewahrens von schönen, seltenen oder wertvollen Dingen. Tatsächlich sind sie jedoch keine Orte des Antiquarischen, sondern sammelnd auch der Gegenwart verbunden und gehen dabei höchst unterschiedlich vor: Einsammeln, was zu verschwinden droht, sichern, was aktuelle Ereignisse hervorbringen, aber auch ein Panorama der aktuellen Gesellschaft für die Zukunft zu dokumentieren sind Strategien des Sammelns von Gegenwart. Der Blick der historischen Museen richtet sich damit auf das Heute als künftige Vergangenheit.
Andreas Ludwig analysiert die Entwicklung des Gegenwartssammelns seit 1900 am Beispiel von nationalen Geschichtsmuseen, Stadt- und Heimat- sowie spezialisierten Fachmuseen. Beispiele aus Deutschland und darüber hinaus zeigen die unterschiedlichen Vorstellungen von dem, was es Wert erschien, für die Zukunft bewahrt zu werden. Andreas Ludwig analysiert historisch werdende materielle Archive, das Sammeln für Ausstellungen, Zeitkapseln, das Rapid Response Collecting und partizipative Wege in einer immer diverser werdenden Öffentlichkeit und schlussfolgert: Im Museum zeigt sich nämlich, wann und wie aus Gegenwart Geschichte wird.
Als ich auf das Buch „Fotogeschichten und Geschichtsbilder. Aneignung und Umdeutung historischer Fotografien in Tansania“ aufmerksam gemacht wurde, war mein erster Gedanke: endlich! Genau auf diese Kombination von geografischem Fokus (Tansania), historischer Quellenart (Fotografien aus kolonialen Kontexten) und postkolonialen Gegebenheiten (Aneignung und Umdeutung) hatte ich gewartet. Und mein Leseerlebnis wurde nicht enttäuscht. Dabei möchte ich insbesondere Kurmanns weitreichende Recherchen, ihre langjährigen Studien, tiefgehenden Analysen, interdisziplinäre Herangehensweise und diverse Literatur hervorheben.
Jubiläen verdienen ihre Partys. So beging die Hip-Hop-Szene 2023 ihren 50-jährigen Geburtstag mit Pauken und Trompeten, oder besser zwei Turntables und einem Mic. Bezugnehmend auf das mythische Gründungsdatum des Genres, den 11. August 1973, fanden 2023 verschiedene Veranstaltungen und Konzerte statt.[1] Anlässlich dieses runden Geburtstags zeigt die Fotografiska Berlin seit 20. September die Ausstellung „Hip Hop: Conscious, Unconscious“, eine Retrospektive, die mit 200 Fotografien verschiedener Künstler:innen auf die Geschichte des Hip-Hop von 1973 bis heute zurückblickt und dabei dem Pressetext zufolge auf „ikonische Figuren“ der Szene fokussiert. Aber, was haben die Besucher:innen der Ausstellung von dieser Geburtstagsparty?
1964: Der Mann – Anzug, akkurate Scheitelfrisur, Hornbrille, um die 30 Jahre – raucht. Die vorangegangenen zweieinhalb Minuten haben ihn sichtlich aufgewühlt. Gerade hatte er über einen Republikanischen Präsidentschaftskandidaten gesprochen, der ihn durch unglaubwürdiges Auftreten, offenkundige Nähe zu politisch extremen Elementen und außenpolitische Verantwortungslosigkeit zutiefst beunruhige und erschrecke. Konsterniert hält er fest: In dieser Situation werde, ja müsse er den Gegenkandidaten der Demokraten unterstützen – nicht um die Partei, sondern um das Land zu schützen.