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Wer im Berliner Humboldt Forum nach der »Zukunft der Benin-Bronzen« sucht, stößt auf eine Galerie sprechender Köpfe. Der gleichnamige Saal im Ostflügel des Gebäudes präsentiert als sein zentrales Ausstellungsobjekt eine Reihe von zehn hochkant gestellten, in Augenhöhe angebrachten Monitoren, auf denen neben Hermann Parzinger als Repräsentant der Institution auch ein Vertreter des Königshauses von Benin sowie Kurator:innen und Wissenschaftler:innen aus Deutschland und Nigeria in wohlabgewogenen Statements ihre Sicht auf die Zukunft der umstrittenen Sammlungsobjekte schildern. Immer, wenn eine Person das Wort ergreift, wenden sich die anderen ihr aufmerksam zu.
Der Nachlass des deutschen Kunstethnologen und Sammlers Hans Himmelheber (1908–2003) kam aus dem Privatbesitz seiner Familie an das Museum Rietberg Zürich. Ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Universität Zürich begleitete die Archivwerdung von Himmelhebers Dokumenten, Filmen, Fotos und Objekten vor allem aus der heutigen Côte d’Ivoire und der Demokratischen Republik Kongo. Die darin reflektierte Wissensproduktion zur Kunst Afrikas wurde multiperspektivisch und translokal untersucht, etwa mit Restudies. Weil Himmelhebers Theorien am Beginn eines Paradigmenwechsels hinsichtlich der materiellen Kultur Afrikas standen, weg von einer als anonym wahrgenommenen »tribalen« Handwerkskunst hin zur individuellen Künstlerpersönlichkeit, spielten auch zeitgenössische und heutige künstlerische Positionen eine wichtige Rolle im Projekt. Das Archiv wurde zum Feld, das es in unterschiedlicher Weise zu erkunden galt. Unsere Reisen in dieses »Feld« sind nun wiederum Bestandteile des von den Nachkommen übergebenen und durch die Bearbeitung (auch digital) neu geschaffenen Archivs Himmelheber.
Museen sammeln Gegenwart für eine künftige Geschichte. Dieses Buch zeigt, wie seit 1900 daraus Vergangenheiten entstanden.
Historische Museen gelten als Orte des Bewahrens von schönen, seltenen oder wertvollen Dingen. Tatsächlich sind sie jedoch keine Orte des Antiquarischen, sondern sammelnd auch der Gegenwart verbunden und gehen dabei höchst unterschiedlich vor: Einsammeln, was zu verschwinden droht, sichern, was aktuelle Ereignisse hervorbringen, aber auch ein Panorama der aktuellen Gesellschaft für die Zukunft zu dokumentieren sind Strategien des Sammelns von Gegenwart. Der Blick der historischen Museen richtet sich damit auf das Heute als künftige Vergangenheit.
Andreas Ludwig analysiert die Entwicklung des Gegenwartssammelns seit 1900 am Beispiel von nationalen Geschichtsmuseen, Stadt- und Heimat- sowie spezialisierten Fachmuseen. Beispiele aus Deutschland und darüber hinaus zeigen die unterschiedlichen Vorstellungen von dem, was es Wert erschien, für die Zukunft bewahrt zu werden. Andreas Ludwig analysiert historisch werdende materielle Archive, das Sammeln für Ausstellungen, Zeitkapseln, das Rapid Response Collecting und partizipative Wege in einer immer diverser werdenden Öffentlichkeit und schlussfolgert: Im Museum zeigt sich nämlich, wann und wie aus Gegenwart Geschichte wird.
The Language of Eichmann in Jerusalem. Nazi German and Other Forms of German in the 1961 Trial
(2024)
The Eichmann trial granted the German language a degree of audibility unprecedented in the short history of the State of Israel, with the defendant, the judges, prosecutors, and witnesses frequently resorting to speaking in German. Drawing on archival materials, protocols, footage, and press reports, this article shows how the Eichmann trial brought to the surface several historical tensions around the postwar status of the German language. The various forms of German heard in the courtroom challenged notions of German as a Nazi language and contributed to a gradual mitigation of its status as a tainted language. The article concludes by reassessing Hannah Arendt’s 1963 Eichmann in Jerusalem and specifically her postulate that Eichmann’s language faithfully reflected his mindset. It is argued that Arendt’s understanding of Eichmann’s language echoed prewar ideas on German’s distinctive power.
Dnipro oder Dnjepr? Über die Ortsnamen, die wir wählen, und die Folgen unserer Entscheidungen
(2024)
Die moderne westliche Welt bekennt sich bewusst zu Toleranz, zur Achtung lokaler Stimmen, zur Demonstration der Ideale der Gleichheit, auch auf sprachlicher Ebene. Wichtige Elemente dieses Prozesses sind das konsequente ‘Gendering‘, die Betonung der Tatsache, dass der gewählte Begriff die Gruppenidentität nicht verletzt und keine koloniale Optik reproduziert. Wie sieht die deutsche Terminologie in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Länder Osteuropas aus? In den folgenden Ausführungen geht es nicht um die Nationalisierung der Geschichte, sondern um die Gefahr von Doppelstandards bei der Wahl der Terminologie und die Bedeutung einer angemessenen Darstellung der historischen Vergangenheit und Gegenwart. Eine Darstellung, die allen historischen Akteuren Respekt zollt. Und die Komplexität der Geschichte Osteuropas vermitteln und nicht ausblenden will.
Magdeburg, 18. September 1985: Das neue Schuljahr in der DDR ist zwei Wochen alt, als eine junge Lehrerin für die Vertretungsstunde in der 9. Klasse eingeteilt wird. Ihren Englischunterricht kann sie nicht fortsetzen und so gibt sie den Schüler:innen spontan eine andere Aufgabe: „Schreibt doch mal auf, wie ihr euch das Leben im Jahr 2010 vorstellt!“ Im Gegensatz zum regulären Unterricht macht sie den Jugendlichen keinerlei Vorgaben, was der Text beinhalten soll, und wartet gespannt auf die Ergebnisse. Als sie die Aufsätze am Abend liest, überraschen die Zukunftsträume der Jugendlichen sie völlig. Die Schüler:innen träumen von offenen Grenzen, von schnellen Autos und dem Besitz eines Eigenheims. „Wenn das deine Parteisekretärin findet, dann ist deine Karriere ja ganz schnell vorbei!“[1], befürchtet sie und beschließt daher, die 23 Texte für sich zu behalten.
Über 30 Jahre später blicken wir nicht nur auf das Jahr 2010, sondern auch auf die untergegangene DDR zurück.
Die »Wende« als Form der Kolonisierung? Zur Genese und Aktualität eines populären Deutungsschemas
(2023)
Bei der Lektüre des 2023 erschienenen Bestsellers »Der Osten: eine westdeutsche Erfindung« von Dirk Oschmann sowie beim Nachvollzug der bisweilen heftigen Diskussionen, die dieses Buch ausgelöst hat, bekommt man unweigerlich das Gefühl, einer Orientalismus-Debatte 2.0 beizuwohnen. Zur Erinnerung: Edward Saids 1978 publiziertes Buch »Orientalism«, in dem ausgehend von primär wissenschaftlicher Wissensproduktion die koloniale Zurichtung und Erfindung des Orients beschrieben und kritisiert wird, gilt gemeinhin als einer der Gründungstexte postkolonialer Kritik. Tatsächlich lesen sich die Ausführungen des Leipziger Literaturwissenschaftlers Oschmann stellenweise so, als ob Ostdeutschland und die Ostdeutschen einem westdeutschen Zugriff quasi hilflos ausgeliefert wären. Gerade diese Zuspitzung wurde von einigen Kommentator*innen kritisiert, ähnlich wie bei der Orientalismus-Debatte im Anschluss an Said. Überhaupt fällt auf, dass Oschmann, wenngleich er sich nicht systematisch mit postkolonialer Theorie auseinandersetzt, so etwas wie eine postkoloniale Rhetorik in Anschlag bringt. Zum Beispiel heißt es an einer Stelle, »dass die Art und Weise, was und wie über ›den Osten‹ öffentlich geredet, geschrieben und gesendet wird, in Form von konstant negativen Identitätszuschreibungen und Essentialisierungen, komplett vom ›Westen‹ beherrscht und durchherrscht ist«. Zudem fällt auf, dass zwar auch der Kolonisierungsbegriff nicht systematisch zum Einsatz kommt, gleichwohl aber der Kolonialismus als historische Referenz erwähnt wird: »Dem Osten […] ›Demokratiefeindlichkeit‹ vorzuwerfen, ist nicht nur zynisch, sondern folgt obendrein einem seit Jahrhunderten eingeführten Herrschafts- und Diskursmuster, mit dem der westliche Kolonialismus verschiedener Couleur seine Hegemonie zu begründen sucht.« Ostdeutschland also als westdeutsche Kolonie? Und postkoloniale Kritik als Analyse-Tool für postsozialistische Dynamiken?
Historische Erzählungen und Kunstwerke von und über LSBTIQ*s sind in deutschen Museen immer noch unterrepräsentiert. Sind sie doch vorhanden, ist die Darstellung oft einseitig. Wahrlich queere Zugänge zu Ausstellungen und musealen Sammlungen sind noch rarer gesät. Wo das Problem liegt und wie geglückte Versuche aussehen können, davon erzählt dieser Essay.
Ausverkauf des Ost-Erbes?. Spurensuche zur Privatisierung des VEB Deutsche Schallplatten nach 1989
(2020)
Die zur Umbruchszeit verschmähte Popmusik der DDR erlebte ab Mitte der 1990er Jahre eine bemerkenswerte Renaissance. Unter der Genrebezeichnung „Ostrock“ wurden sehr verschiedene Musiker*innen mit ostdeutschem Hintergrund erfolgreich vermarktet. Erlebte dieser Teil des DDR-Musikerbes damit ein bemerkenswertes Fortleben, bestimmte hingegen in Vertrieb und Produktion nicht Kontinuität, sondern Bruch und Veränderung die Zeit nach 1989. Im Schatten der allgemeinen Transformationsgeschichte Ostdeutschlands fand ein musikwirtschaftlicher Überlebenskampf statt. Diesen aus historischer Perspektive nachzuvollziehen, ist allerdings keinesfalls einfach, denn für die Zeit vor und nach 1990 herrscht eine asymmetrische Aktenlage bzw. viele Archivbestände aus dieser Periode sind immer noch unter Verschluss. Das macht es bislang auch so schwierig, die geschichtswissenschaftliche Forderung nach mehr thematisch eng gefassten Studien zur Transformationszeit einzulösen. Davon betroffen ist auch die Geschichte der DDR-Schallplattenlabel und des „Ostrocks“ nach 1990. Ihr Ringen um Weiterexistenz muss aus diversen Überlieferungsresten und Einzelberichten rekonstruiert werden – ein lohnendes Unterfangen, wie erste Einsichten und Ergebnisse zeigen.
Was verrät der Umgang mit Behinderung über moderne Gesellschaften? Während in Arbeiten von Disability Historians zu lesen ist, dass die Linse »Behinderung« einen ganz neuen, kritischen Blick auf Kultur und Gesellschaft und ihren Umgang mit Diversität ermögliche, erweckt die Durchsicht der großen Synthesen etwa zur bundesrepublikanischen Zeitgeschichte den Eindruck, dass es offenbar auch ohne diese Kategorie geht. Weder kommen Menschen mit Behinderung dort vor, noch wird »Behinderung« als Strukturkategorie verstanden. Dies erstaunt umso mehr, als die Relevanz des Phänomens nicht bestritten werden kann: Etwa ein Siebtel der Weltbevölkerung lebt mit einer körperlichen, seelischen oder kognitiven Behinderung. In der Bundesrepublik ist dieser Wert kaum niedriger. Der Anteil derjenigen, die wir heute als Menschen mit Behinderungen bezeichnen würden, dürfte in früheren Gesellschaften – legt man zum Beispiel die an Teilhabechancen orientierte Definition des deutschen Sozialgesetzbuches (SGB) IX zugrunde – mitunter noch größer gewesen sein. Die Geschichte dieser Menschen und des gesellschaftlichen Umgangs mit ihnen wurde von der historischen Forschung lange Zeit vernachlässigt. Die seit den 1980er-Jahren im Kontext der angelsächsischen Emanzipationsbewegung entstandene Disability History rückt beides ins Zentrum.