1945-
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Der Einmarsch der Roten Armee in die östlichen Gebiete des Deutschen Reiches im Frühjahr 1945 stellte eine einschneidende Erfahrung dar, die sich deutlich von den gleichzeitigen Erlebnissen des Kriegsendes im Westen unterschied. Die Möglichkeiten, von diesen Erfahrungen mit den „fremden Russen“ zu erzählen, waren jedoch in den vierzig Jahren SED-Herrschaft stark beschränkt. Darum verschwanden die Erinnerungen „zunehmend aus der Öffentlichkeit, um sich im Privaten einzunisten. Hier, im privaten Kreis, existierten sie bis zum Ende der DDR.“ In der kontrollierten Öffentlichkeit der DDR verhinderten die herrschenden Kommunisten einen offenen Umgang mit der Erinnerung an den Einmarsch jener „fremden“ Soldaten, die ein neues Gesellschaftssystem mitgebracht hatten. In den Jahren der Besatzungsherrschaft hatte die Sowjetische Militäradministration (SMAD) entscheidenden Anteil an der Durchsetzung des staatssozialistischen Herrschaftssystems. Während der folgenden 40 Jahre bildeten dann die sowjetischen Soldaten nicht nur die Rückversicherung für die SED-Herrschaft, sondern auch die größte Gruppe von „Fremden“ in der DDR. Als Militärs lebten sie stark abgeschirmt von der Zivilbevölkerung in ihren Standorten.
Da seit Sommer 1949 behauptet wurde, das Verhältnis zwischen der deutschen Zivilbevölkerung und den sowjetischen Truppen beruhe auf „freundschaftlicher Grundlage“, gab es auch nach dem Ende der Besatzungszeit kaum Möglichkeiten, Konflikte zwischen beiden Seiten zu thematisieren. Vielmehr setzte die SED - im Einvernehmen mit ihren sowjetischen Partnern - der Rede übereinander und dem Umgang miteinander enge Grenzen'. Die öffentliche Rede über die Sowjets wurde durch die Freundschaftsideologie eingegrenzt, in ihren Standorten lebten die sowjetischen Soldaten abgegrenzt und schließlich stieß die herrschende SED bei ihrem Versuch, die Bevölkerung im Sinne der Freundschaft zur Sowjetunion umzuerziehen, beständig an die Grenzen ihres Einflusses.4 Wie die Freundschaft zur Sowjetunion erfunden wurde, welchen Stellenwert sie hatte, wie Teile der Bevölkerung auf den Versuch der SED reagierten, ein neues Bild von den Sowjets als verpflichtend durchzusetzen, und welche Konflikte trotz des Anspruchs einer allseitigen Harmonisierung der Beziehungen zwischen Deutschen und Russen weiterexistierten, soll im folgenden umrissen werden.
Verlagstext, s. http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-23005-0.html: "Zu den Instrumenten kommunistischer Herrschaft zählten neben Repression und Gewalt auch Erziehung und Propaganda. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die im Stalinismus ausgebildeten Herrschaftspraktiken nach Ostmitteleuropa transferiert. Vor dem Hintergrund eines historisch belasteten Verhältnisses zu Rußland versuchten die Staatsparteien in Polen und in der DDR, ihre Bevölkerung für die enge Bindung an die UdSSR zu gewinnen und für die Sowjetisierung zu mobilisieren. Diese Freundschaftspropaganda für die Sowjetunion steht im Zentrum der Studie. In transnationaler Perspektive werden die parteistaatlichen Apparate, der Herrschaftsdiskurs, die Strukturen der Öffentlichkeit und die gesellschaftliche Rezeption der Propaganda untersucht. Der Autor analysiert insbesondere die Rede über die Sowjetunion, die "Erfindung der Freundschaft" in den vierziger Jahren, den Führerkult um Stalin und die Herrschaftskrisen der Jahre 1953 und 1956. Abschließend fragt er nach der Wirkungsmacht von Propaganda in der kommunistischen Diktatur."
Zentrales Thema des Beitrags ist die Geschichte der „Moscheen in umfunktionierten Räumen“. Diese etwas irreführend oft als „Hinterhofmoscheen“ bezeichneten Räume sind seit den 1980er-Jahren verstärkt durch Neubauten abgelöst worden, mit denen eine größere öffentliche Sichtbarkeit des Islams und dadurch nicht selten auch ein höheres Konfliktpotenzial verbunden ist. Der Blick auf sonstige soziokulturelle Räume des Islams bildet einen weiteren Schwerpunkt des Aufsatzes – ausgehend von der Beobachtung, dass sich „der Islam“ nicht sinnvoll allein mit „der Moschee“ assoziieren lässt. Die verschiedenen Strömungen des Islams haben sich auch in Vereinen, Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen ausgedrückt, bei denen religiöse und andere Funktionen unterschiedlich eng verbunden waren und sind. Es ist ein Anachronismus, dass die nichtmuslimische Gesellschaft vielfach erst durch Moschee-Neubauten die Existenz des Islams in der Bundesrepublik zur Kenntnis nimmt. Genauere zeitgeschichtliche und religionswissenschaftliche Forschung könnte das Bewusstsein für die gesellschaftliche, auch innerislamische Pluralität schärfen.
Moskau, Anfang Februar 1974. Der Moskau-Gor’kij-Nachtzug, der die sowjetische Hauptstadt mit der 450 Kilometer weiter nordöstlich gelegenen Industriestadt verband, hatte an diesem Abend eine Schar illustrer Fahrgäste – darunter die bekannte Jazzband »Melodija« unter Georgij Garanjan, ein ganzes Symphonieorchester, bekannte Musikkritiker und zahlreiche Musikenthusiasten. Sie alle folgten dem Dirigenten Gennadij Roždestvenskij, der bereits einen Tag zuvor angereist war, um in Gor’kij (heute Nižnij Novgorod) die letzten Vorbereitungen für die Uraufführung einer Symphonie zu treffen. Ein vielversprechender Komponist mit dem Namen Alfred Schnittke (russ. Al’fred Garrievič Šnitke, 1934–1998) hatte sein erstes symphonisches Werk vorgelegt. Schon sein Abschlusswerk am Moskauer Konservatorium, das Oratorium »Nagasaki« (1958), hatte für Aufsehen und heftige Diskussionen gesorgt. Eine Vielzahl kammermusikalischer und konzertanter Werke war seitdem zur Aufführung gekommen. Die erste Symphonie eines solchen Komponisten versprach aufregende Klänge und neue Perspektiven für die künftige Musikentwicklung. Gespannt warteten die Zuhörer nach ihrer Ankunft im Konzertsaal des Kremls von Gor’kij, welche musikalischen Eindrücke sie erleben würden. Sie wurden nicht enttäuscht.
Eine oft übersehene Dimension der Auseinandersetzung bundesdeutscher Sicherheitsakteure mit dem international vernetzten Linksterrorismus ab den 1970er-Jahren ist die sogenannte Polizeihilfe für Staaten des Globalen Südens. Bundesdeutsches Know-how und Polizeitechnik made in Germany sollten die Polizeibehörden in Partnerländern modernisieren und so die internationale Anti-Terror-Zusammenarbeit verbessern. Der Aufsatz untersucht die Dynamiken solcher Kooperationen in Lateinamerika und stützt sich dabei vor allem auf Akten der beteiligten Bundesministerien. Westdeutsche Behörden stuften die Region aufgrund ihrer politischen Instabilität als möglichen Rückzugsort terroristischer Gruppen ein. Anders als oft dargestellt, folgten die Programme jedoch kaum einer außen- oder sicherheitspolitischen Gesamtstrategie. Vielmehr entwickelten sich die prestigeträchtigen Polizeihilfen zu einer symbolischen »Währung« für die Aushandlungsprozesse zwischen den Akteuren einer zunehmend transnationalisierten »Inneren Sicherheit«. Partnerschaften zwischen den Sicherheitsinstitutionen von demokratischen Staaten wie der Bundesrepublik und Militärdiktaturen wie Brasilien, Chile oder Peru waren dabei die Regel.
Police assistance programmes for Global South countries were a key component of West Germany’s efforts to counter international left-wing terrorism during the 1970s and 1980s. Security technology ›made in Germany‹ and West German policing expertise were considered important foreign policy tools to support the modernisation of partner countries’ police institutions and for strengthening international cooperation in the domain of counterterrorism. Focusing on West German police assistance programmes for Latin America, and primarily based on files of the West German federal ministries involved, we demonstrate that, far from simply reflecting broader security or foreign policy goals, the practical unfolding of these programmes was driven by constant negotiation processes between the various actors. This, in turn, transformed police assistance programmes into a veritable symbolic currency whose accumulation decisively pushed the transnationalisation of West Germany’s internal security. Partnerships between the security institutions of democratic states such as West Germany and military dictatorships such as Brazil, Chile and Peru were standard practice.
In seiner Antrittsrede am 12. September 1949 im Bundestag sagte der gerade gewählte erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, es sei eine „Gnade des Schicksals“ beim einzelnen Menschen, daß er vergessen könne, und auch für Völker gelte dies, aber seine Sorge sei, „daß manche Leute in Deutschland mit dieser Gnade Mißbrauch treiben und zu rasch vergessen“ wollten. Theodor Heuss mahnte daran anschließend, man müsse - ohne Rachebedürfnisse und Haß - das Gefühl dafür behalten, „was uns dorthin geführt hat, wo wir heute sind“. Aus der Verwirrung der Seelen im Volk müsse nun eine Einheit geschaffen werden: „Aber wir dürfen es uns nicht so leicht machen, nun das vergessen zu haben, was die Hitlerzeit uns gebracht hat.“ Mit der Sorge um Berlin und dem Bekenntnis, stellvertretend für die deutschen Brüder zu handeln, ging es weiter. Die Rede des Bundespräsidenten, der als entschiedener Hitlergegner das Dritte Reich in der inneren Emigration verbracht hatte, war symptomatisch für die Adenauer-Zeit. Man war stillschweigend einig in der Verurteilung des NS-Regimes und verwendete alle Kraft auf den Wiederaufbau des zertrümmerten Vaterlands, bzw. seines westlichen Teils, und dessen Integration in die westliche Völkergemeinschaft unter dem Schutz der Vereinigten Staaten von Amerika.
Der chinesische Premierminister Zhou Enlai soll in den 1970er-Jahren einmal bemerkt haben, es sei noch zu früh, die Bedeutung der Französischen Revolution zu beurteilen. Obwohl das Zitat vermutlich apokryph ist, wird es immer wieder gern bemüht, um die Flüchtigkeit des historischen Urteils zu illustrieren. Wer in solchen Zeiträumen wie der virtuelle Zhou denkt, dem muss der Versuch, nach gerade einmal zehn Jahren die Frage zu beantworten, ob die Terroranschläge des 11. September 2001 eine historische Zäsur markieren, einigermaßen absurd vorkommen. In der Tat ist gegenüber dem inflationären Gebrauch bedeutungsschwerer Begriffe wie Revolution, Epoche und Zäsur eine gesunde Skepsis angezeigt, denn in der Rückschau pflegt sich der historische Stellenwert vieler Ereignisse, welche die Zeitgenossen in Atem hielten, zu relativieren. Historiker sind sich bewusst, dass es sich bei Zäsuren um nachträgliche Konstruktionen von begrenzter räumlicher, zeitlicher und sachlicher Reichweite handelt. Dass mit wachsendem Zeitabstand auch die Klarheit des historischen Urteils zunimmt, wie es das Zhou-Zitat offenbar zum Ausdruck bringen soll, ist jedoch nicht zwingend. Genauso gut lässt sich argumentieren, nur Zeitgenossenschaft befähige zu der Empathie, die nötig sei, das Bewusstsein der Mitlebenden für einen unerwarteten und intuitiv als fundamental empfundenen historischen Bruch zu erfassen. Wer, wie der Verfasser, den Fall der Berliner Mauer vor Ort erlebt hat, wird alle Versuche, den Zäsurcharakter des 9. Novembers 1989 zu bestreiten, als blutleere Stubengelehrsamkeit empfinden.
Vom Nutzen und Nachteil der Nostalgie. Das Kulturerbe der Deindustrialisierung im globalen Vergleich
(2021)
Der Aufsatz entwickelt eine Typologie von Deindustrialisierungsregimen in globaler Perspektive und setzt diese in Beziehung zu drei verschiedenen Arten des Erinnerns an Industrialisierung und Deindustrialisierung: antagonistisches, kosmopolitisches und agonales Erinnern. In welcher Weise und in welchem Maße waren und sind nostalgische Formen des Erinnerns in den unterschiedlichen Deindustrialisierungsregimen präsent? Anknüpfend an bisherige Forschungen wird dafür plädiert, Nostalgie nicht bloß als rückwärtsgewandtes, antiquarisches Sentiment zu betrachten, sondern ihr Potential für die Konstruktion von Zukunft zu erkennen. Zugleich wird versucht, die Theorie des agonalen Erinnerns, wie sie von der Historikerin Anna Cento Bull und dem Literaturwissenschaftler Hans Lauge Hansen entwickelt wurde, für die Deindustrialisierungsforschung fruchtbar zu machen. Der Aufsatz ist ein Diskussionsangebot, wie man die Erinnerung an das Industriezeitalter für unterschiedliche Weltregionen verflechtungsgeschichtlich und vergleichend untersuchen kann – sei es in Südwales, im Ruhrgebiet oder im Osten Chinas.
In der Bundesrepublik und in der gesamten westlichen Welt außerhalb der USA wurde Auslandsbestechung bis Ende der 1980er-Jahre als ein legales Mittel der Exportförderung behandelt. Sie war straffrei und sogar steuerlich absetzbar. Das änderte sich erst im Zuge der »Compliance Revolution« der 1990er-Jahre. Der Beitrag analysiert diesen Wandel für die Bundesrepublik und untersucht die Debatten um die Auslandskorruption. Er konzentriert sich dabei auf die Positionen der Unternehmerschaft und der im Bundestag vertretenen Parteien. Ausgangspunkt ist der stabile Korruptionskonsens der Bonner Republik, der zunächst auch noch in der Berliner Republik Bestand hatte, dann aber unter dem Einfluss einer zunehmend kritischen Zivilgesellschaft und der internationalen Staatengemeinschaft zerbrach. Nachdem es unausweichlich geworden war, die Auslandskorruption zu ächten, wurde hartnäckig darum gerungen, mit welchen juristischen Mitteln sie zu bekämpfen sei. Am Ende eines von vielen Blockaden und Umleitungen verzögerten Prozesses stand ab 2002 die Strafbarkeit aller Arten von Auslandskorruption. Welche Ermittlungsinstrumente eingesetzt werden durften und wie effektiv die Strafverfolgung sein sollte, blieb jedoch weiter strittig. Der Aufsatz zeigt nicht zuletzt die Rückwirkungen internationaler Rechtsnormen für die nationalstaatliche Ebene.