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Die Geschichte setzt ihre Symbole: „IKW 69“ heißt eines davon und bezeichnet die wohl jüngste Investitionsruine im Lausitzer Braunkohlenrevier, ein Industriekraftwerk in Lauchhammer, das acht der umliegenden Brikettfabriken mit Dampf versorgen sollte. Mitte 1991 wurde der nach drei Jahren fast fertige Bau eingestellt, denn dieser Dampf fand keine Abnehmer mehr: Nach rund einem Jahrhundert endete hier die Brikettproduktion, nicht zuletzt, weil einer ihrer Großkunden, die Kokerei Lauchhammer, die Tore geschlossen hat. Auf andere Art symbolhaft erscheint auch der Wandel der regionaltypischen Textilindustrie, wo sich hinter den bröckelnden Fassaden alter Fabrikarchitektur seit 1990 zunehmend Stille ausbreitete.
Die geschichts- und politikwissenschaftliche wie auch die soziologische Diskussion zur typologischen Bestimmung des SED-Regimes hat dessen diktatorischen Charakter deutlicher und zugleich differenzierter hervortreten lassen. Eher am Rande wurde dabei nach technokratischen Komponenten im sozialistischen Herrschaftssystem gefragt, wenngleich die einschlägige Literatur eine ganze Reihe von Hinweisen auf ein Technokratieproblem in der DDR enthält. Im allgemeinen scheint Technokratie aber als ein peripheres Phänomen wahrgenommen worden zu sein. Indes spricht manches für die Relevanz technokratischer Einflüsse in der Geschichte der DDR. Im Aufstieg und Niedergang der Macht- und Funktionseliten sind technokratische Szenarien zu erkennen, deren zentraler Bezugspunkt in der Zentralverwaltungswirtschaft lag. Doch strahlten die Wirkungen technokratischen Handelns offenbar weit in andere Bereiche des täglichen Lebens aus. Um zu erfahren, auf welche Weise und warum sich technokratische Potentiale anreicherten und wie sie wirkten, ist es nötig, die historischen Bedingungen für Technokratie in der DDR zu bestimmen. Das setzt voraus, die technokratischen Spielräume der SED-Diktatur auszuleuchten, den Umgang der Macht- und Funktionseliten mit technokratischen Konzepten und Praktiken aus den Quellen zu rekonstruieren und den spezifischen Phänotyp des Technokraten in der Gesellschaft der DDR zu lokalisieren.
Existierten in der Gesellschaft der DDR überhaupt Eliten? Die Antwort auf diese Frage ist umstritten. Wenn es Eliten gab, was machte sie dazu, wie agierten sie, wer gehörte zu ihnen? Andererseits, wenn sie fehlten, wer oder was befand sich an ihrer Stelle und warum? Oder gab es in der sozialen Struktur der sozialistischen Gesellschaft gar keine adäquaten Funktionen und Positionen, die sich einer Elite zuschreiben ließen? Solche Fragen verweisen auf ein kontrovers diskutiertes Thema, dem sich im Laufe der neunziger Jahre auch die zeithistorische DDR-Forschung verstärkt zuwandte. Die in diesem Sammelband vereinten Beiträge sind aus dieser Diskussion hervorgegangen.
Das Verhältnis von Arbeitern und Staat beschäftigte die Protagonisten der in unterschiedlichen historischen Kontexten entstandenen Arbeiterbewegungen von deren Anfängen an. Der Plural des Begriffs, wie ihn Klaus Tenfelde in seinem Einführungsvortrag „Arbeiter, Arbeiterbewegungen und Staat im Europa des ,kurzen' 20. Jahrhunderts“ verwendet, signalisiert nicht allein Unterschiede der Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen, sondern auch Differenz im Politischen, in der Programmatik ebenso wie in der täglichen Praxis. In besonderem Maße spiegelten sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Arbeiterbewegungen, wie überhaupt der Arbeiterschaft in der Perzeption des Staates. Doch auch „der Staat“ präsentierte sich Arbeitern gegenüber in sehr verschiedener Weise. Insofern ließ sich die Beziehung zwischen beiden nie über einen Kamm scheren. Gleichwohl weist sie im internatio-nalen Vergleich ebenso wie im Hinblick auf die Arbeiterbewegungen strukturelle Übereinstimmungen auf.
Die Geschichte der mittel- und osteuropäischen Arbeiterschaft in der Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Zusammenbruch der kommunistischen Parteidiktaturen gehört nicht zu den besonders gut erforschten Segmenten moderner Arbeitsgesellschaften. Dabei schlagen nicht so sehr quantitative Defizite und methodische Probleme zu Buche. Vielmehr wirken noch immer Wahmehmungsmuster aus der Zeit des Kalten Krieges nach. Die seit den fünfziger Jahren entwickelten Argumentationslinien ließen die Arbeiter in den Ländern und Gesellschaften des sowjetischen Blocks aus der westlichen Perspektive zumeist in einem mehr oder weniger manifesten Dauerkonflikt mit den Parteiregimes erscheinen. Diese wiederum beanspruchten, nicht nur selbst ein Teil der Arbeiterklasse zu sein, sondern auch als deren Avantgarde bei der Erfüllung einer historischen Mission aufzutreten. Ihre offizielle Historiographie war auf dieses Erklärungsmuster festgelegt. Solche apologetischen Positionen wurden nach 1989 nahezu völlig aufgegeben. Allenfalls im Verweis auf soziale Sicherheit der Arbeiterexistenz im Realsozialismus finden sich Anklänge daran. Statt dessen neigte sich das Pendel in die Richtung eines „historischen Turpismus“. In seinem Licht erschien der Arbeiteralltag im sowjetischen Macht- und Einflußbereich als permanente Misere. Solche bipolaren, an den einfachen Koordinaten des Kalten Krieges orientierten Interpretationen traten seit Mitte der neunziger Jahre gegenüber einer differenzierteren Sicht auf die Arbeitergeschichte Mittel- und Osteuropas etwas zurück. Inzwischen dominiert eine eher ambivalente Perzeption. Ihr zufolge war der Arbeiterschaft durchaus ein gegen die Parteidiktaturen gerichtetes Resistenzpotential eigen, doch blieb sie auch um Arrangements mit den Machteliten nicht verlegen.
Am 19. Juli 2001 tagte im Rathaus des nordbayrischen Heroldsbach der Zweckverband zur Wasserversorgung der in der Heroldsbacher Gruppe zusammengefassten Orte. „Weitreichenster (sic) Beschluss“ sei die „Zustimmung zur Übernahme der Unterhaltskosten für die Feuerlöscheinrichtungen (Hydranten) der Kreisstraße und der Bundesstraße“ gewesen, vermerkte die Pressemitteilung. Aber zu Beginn der Sitzung habe der Verbandsrat aus Heroldsbach das Fehlen von Haushaltsunterlagen moniert und im „lebhaften Wortaustausch mit dem Vorsitzenden“ die „Seilschaft zwischen Landratsamt und Gemeinden nach DDR- Muster“ kritisiert. Man wird dieser Episode imschwer zweierlei entnehmen können: Erstens galt die Existenz von Seilschaften in der DDR als ein Faktum. Zweitens erfuhr dieses eine negative Konnotation. Nicht ganz klar ist, ob der pejorative Akzent auf „Seilschaft“ oder auf „DDR“ lag, vielleicht aber auch auf beiden. Wie dem auch sei, hier wurde auf ein Beziehungsgefüge aufmerksam gemacht, das man offenbar in verschiedenen politischen und sozialen Kontexten antreffen konnte. Wie sollte das Phänomen sonst in Heroldsbach auftauchen? Der Hinweis freilich, es handele sich um Seilschaften „nach DDR-Muster“, legte immerhin nahe, dass es auch Seilschaften anderen Musters geben dürfte. Es ist dabei nicht gleich an Strukturen zu denken, wie sie die sizilianische Mafia und ihre Nachahmer in den verschiedensten Ländern der Welt hervorgebracht haben. Aber Personenbündnisse, vielleicht sogar etwas vom Geheimnis umweht, mindestens aber als simple Kungelrunden stehen dann schon vor Augen. Die Annahme eines „DDR-Musters“ setzt jedoch voraus, dass in der DDR Seilschaften sui generis existierten. Es mag lohnend erscheinen, dieser Frage etwas genauer nachzugehen.
Arbeitergeschichte
(2010)
Verlagstext Böhlau: "Der Kalte Krieg wurde nicht nur von Staatsmännern und Militärstrategen in den Spitzenetagen der politischen Macht geführt. In Ost und West machte er sich vielmehr in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bemerkbar. Der öffentlichen Kommunikation kam dabei eine zentrale Funktion zu: Filmemacher und Journalisten, Parteipolitiker und Kirchenvertreter, Wochenschauen und Fernsehstationen kommentierten und interpretierten, legitimierten und kritisierten die lebensbedrohliche Teilung der Welt. Durch den alltäglichen Medienkonsum war der Kalte Krieg im Leben des breiten Publikums präsent. Der ideologische Gegensatz von liberalen Demokratien und kommunistischen Diktaturen schlug sich in gegensätzlichen Vorstellungen von den Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens nieder, die in Massenmedien propagiert und diskutiert wurden. Die Beiträge der Autorinnen und Autoren über Spielfilme, Zeitungs- und Rundfunksjournalismus tragen zu einer neuen, kultur- und mediengeschichtliche Aspekte integrierenden Sichtweise des Kalten Krieges bei.
Das politische und soziale Verhalten der Industriearbeiterschaft, einer für die DDR-Gesellschaft wesentlichen Bevölkerungsgruppe, stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Gefragt wird nach den Interessenlagen, die das Politik- und Sozialverhalten unter den Bedingungen einer sich herausbildenden und konsolidierenden "Diktatur des Proletariats" bestimmen. Dabei geht es besonders um die Konstituierung, Artikulation und um die Durchsetzungsversuche sozialer Interessen. In diesem Kontext werden Modalitäten und Verläufe von Interessenarrangements und Konflikten analysiert.