943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
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Im kollektiven Gedächtnis der beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften existierten die Erfahrungen mit Krieg und Nationalsozialismus in vielfältiger Weise weiter. In der DDR lebten wie in Westdeutschland Menschen, die als Anhänger der NSDAP, Flakhelfer(innen), Soldaten oder gar SS-Mitglieder aktiv in den Krieg involviert gewesen waren. Die filmische Rezeption dieser Erinnerung in der DDR bewegte sich im Kontext entlastender und politisch funktionalisierender Strategien um Mitverantwortung und antifaschistische Wandlung. Sie als reine Propagandaprodukte zu begreifen, griffe jedoch zu kurz. Zweifellos boten dokumentarische wie fiktionale Filme in der DDR als Agenturen des kulturellen Gedächtnisses emotional wirksame Varianten an. Wenn auch die durchschnittliche jährliche Filmproduktion des DEFA-Monopols nur etwa zwischen 15 und 18 Spielfilme umfaßte, bei einem durchweg beträchtlichen Anteil von historischen Sujets, so hatte sie im Geschichtsdiskurs durchaus ein eigenständiges Gewicht und korrespondierte mit dem neuen visuellen Medium Fernsehen. Durch die modernen Massenmedien des 20. Jahrhunderts, insbesondere des Films, wird Geschichte zum Ereignis, und dem geschichtlichen Ereignis wird ein neuer Status verliehen. Geschichte gerinnt in ihnen zu Geschichten (Jacques Le Goff), die in einem Spannungszustand zu kanonisierenden Deutungen stehen. Geschichte wird greifbar als Geschichte von Individuen, von Helden, sich innerhalb einer festgefugten narrativen Struktur bewegend. Die Leistung des Films liegt deshalb in seiner besonderen Fähigkeit zur Emotionalisierung, Personalisierung und Dramatisierung von Geschichte, die anders als Literatur öffentlich unmittelbarer von einem Massenauditorium rezipiert werden kann.
Einem weitgehend einhelligen Konsens darüber, daß der Antifaschismus für die DDR zum zentralen legitimierenden Gründungsmythos wurde, stehen bisher nur wenige konkrete Untersuchungen gegenüber, die Auskunft über die historischen Etappen der Entwicklung dieses Mythos in seinen inhaltlichen, narrativen und visuellen Dimensionen geben. Das gilt auch für den Widerstandsdiskurs, dem innerhalb des Antifaschismus ein bevorzugter Platz zugewiesen worden war. Die frühe Überformung der Geschichtlichkeit des Widerstandes durch abstrakte Heroisierungen und ideologische Indienstnahmen während der Zeit von 40 Jahren konnte erst nach 1989/90 genauer in ihren Konturen beleuchtet werden. Dabei zeigte sich ein Untersuchungsbedarf für die Art und Weise der Produktion und der Verwaltung des historischen Wissens über den Widerstand sowie der Formen des öffentlichen Umgangs mit seiner Geschichte, seinen Ereignissen und Akteuren. Damit ist ein komplexes Gefüge von Strategien und Abhängigkeiten, von Ideologien und Mentalitäten berührt, dessen diskursbildende Energien und identitätsstiftende Wirkungen noch genauerer Analyse bedürfen. Die Rekonstruktion der Regeln, nach denen die Leitbilder vom Widerstand etabliert und verbreitet wurden, die Analyse der produzierten und rezipierten historischen Wissensbestände sowie die Ausschließungen, Ausgrenzungen und Tabuisierungen auf diesem stets umkämpften Feld und nicht zuletzt die Rolle der Akteure dieses Diskurses gehören zu einem (verwirrenden) Geflecht mit politischen, wissenschaftlichen und künstlerisch-kulturellen Dimensionen. Im folgenden werden Widerstandsgeschichten der fünfziger Jahre erzählt, die diese Diskurse mitprägten, sinnstiftend auffüllen halfen, sich aber auch querläufig und randständig entwickelten. Das untersuchte Material kann in vielem als repräsentativ für den historischen Herrschaftsdiskurs gelten. Jedoch wird angestrebt, in einem Verfahren, das Walter Benjamin als „die Geschichte gegen den Strich bürsten“ definierte, jene ungewollten „Wahrheiten“ und historischen Botschaften aufzufinden, die neben den hochoffiziellen gewünschten jene un-repräsentativen Wahmehmungsweisen und Erfahrungshorizonte enthielten und auf die ihnen eigene Weise innerhalb dieses Diskurses wirken konnten. Repräsentative Materialien historiographischer, archivalischer und literarischer Art werden mit verschwiegenen oder verborgenen Widerstands-Zeugnissen konfrontiert, um die zentralen und die marginalen Elemente innerhalb des Diskurses in ihren Beziehungen, Brechungen und Ausblendungen historisch-genetisch genauer fassen zu können. Es wird daher auch an verdrängte und an weggeschobene Segmente des Widerstandsdiskurses zu erinnern sein.
Rund ein halbes Jahr nach der Gründung der DDR, am 21. April 1950, beschloß die Volkskammer die Einführung von zwei offiziellen Gedenktagen. Zum einen wurde der Grün- dungstag der DDR, der 7. Oktober, zum Feiertag befördert, zum anderen der Tag des offiziellen Kriegsendes, der 8. Mai. Als sich nur wenige Wochen später dieses Datum zum fünften Mal jährte, wurde somit erstmals der „Tag der Befreiung“ als staatlicher Feiertag begangen. Aus diesem Anlaß brachte der Rundfunk der DDR am Vorabend auf allen Sendern einen Beitrag von Karl Eduard von Schnitzler. Innerhalb der Reihe „Porträt der Woche“ widmete sich Schnitzler an diesem Abend Melitón Kantarija, einem der sowjetischen Soldaten, die auf jenem berühmten Foto zu sehen sind, das sie beim Hissen der roten Fahne auf der Ruine des Berliner Reichstages zeigt.
Planprojekt Meistererzählung. Die Entstehungsgeschichte des "Lehrbuchs der deutschen Geschichte"
(2000)
Kein anderes historiographisches Unternehmen in der DDR hat im Kampf um die Deutungshoheit über die Vergangenheit eine so umfassende Rolle gespielt wie das Hochschullehrbuch der deutschen Geschichte. Es unterfing sich, die ganze historische Zeit von den Jäger- und Sammlerhorden im Altpaläolithikum bis zur deutschen Doppelstaatlichkeit in der Gegenwart darzustellen, und es spiegelte in den fünfunddreißig Jahren, die zwischen dem ersten Entwurf 1952 und den letzten Neuauflagen 1986 lagen, die ganze Wegstrecke von der Konstitution bis zur Erosion des sozialistischen Geschichtsbildes. „Es geht darum, den werktätigen Massen - den wahren Schöpfern der Geschichte - die Vergangenheit zu beleuchten, damit sie ihren heutigen Kampf mit den revolutionären Traditionen verbinden“ - mit diesen Worten umriß der wissenschaftliche Sekretär des Lehrbuch-Projekts 1955 die Aufgabe in einem für das „Neue Deutschland“ bestimmten Beitrag.
Gerichte handeln reaktiv; das heißt, sie werden nicht aus eigener Initiative, sondern erst durch Anruf von außen in Bewegung gesetzt, der auch in sozialistischen Staaten (vom Strafrecht einmal abgesehen) in aller Regel nicht vom Staatsanwalt, sondern von Bürgern (und zivilrechtlich handelnden volkseigenen Betrieben) kam. Um sein Rechtssystem im Justizalltag durchzusetzen, war also auch der sozialistische Staat auf die Mithilfe seiner Bürger angewiesen. Durch Nicht-Anrufen konnten Bürger das Recht unterlaufen; durch die Art und Weise, wie sie Gerichte benutzten, konnten sie seine Wirksamkeit beeinflussen; durch ihre Erfahrungen vor Gericht wurden die Bürger ihrerseits in bestimmten Haltungen und Wertvorstellungen bestätigt. In diesem Beitrag will ich die gegenseitige Abhängigkeit von Bürger und Rechtssystem im sozialistischen Rechtsalltag untersuchen. In welchen Angelegenheiten wandten sich Lüritzer Bürger an ihr Gericht? Wie wurden sie vom Gericht behandelt und wie verhielten sie sich selbst? Wie beeinflußte die Alltagspraxis der ostdeutschen Justiz die Wirksamkeit des Rechts als Instrument gesellschaftlicher Veränderungen? Und welche Nachwirkungen können wir heute beobachten?
Die Gedenkstätte Theresienstadt wurde im Jahre 1947 als eine Einrichtung gegründet, die die Erinnerung an die Opfer der politischen Verfolgung der Gegner des Nationalsozialismus, des Genozids an den Juden und die Vernichtung von Häftlingen durch Sklavenarbeit bewahren sollte. Es ist notwendig darauf hinzuweisen, daß während des Krieges in Theresienstadt und seiner näheren Umgebung auf relativ kleinem Raum die drei größten Verfolgungsinstitutionen auf dem Gebiet der tschechischen Länder entstanden - das Gestapogefängnis in der Kleinen Festung, das Ghetto in Theresienstadt und das Konzentrationslager in Litomence, welches sich unweit der unterirdischen Fabrik mit den Tamnamen „Richard I“ und „Richard II“ befand. Als Standort für die Gedenkstätte wählte man die Kleine Festung, um diesen abgegrenzten Ort, an dem tausende Menschen gefangen waren, in seiner ursprünglichen Gestalt zu erhalten.