20. Jahrhundert
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Unfreundliche Häme schüttete sich noch Ende des letzten Jahres in der Öffentlichkeit über einem vormals so vielgerühmten Berufsstand aus. Die Ökonomen wurden sehr unverblümt dafür kritisiert, dass sie vor der Wirtschaftskrise ahnungslos und in der Wirtschaftskrise orientierungslos gewesen seien. Lisa Nienhaus, Wirtschaftsredakteurin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), bezeichnete sie als kollektive „Blindgänger“. Als „Starökonomen“ wurden plötzlich Wissenschaftler gelobt, die dem Fach zuvor als Außenseiter und Schwarzseher galten, wie der vor der Finanzkrise noch als „Dr. Doom“ verspottete Nouriel Roubini, der sich nun in Medien und Fachorganen zu Wort melden durfte, dabei aber nicht mehr als Vertreter der Zunft galt, sondern als in der Vergangenheit gegen die Wirtschaftswissenschaften angehender Einzelkämpfer. Gleichzeitig erhoben sich wortgewaltige Verfechter der Mainstream-Ökonomie wie der Münchener Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn: Er habe – ließ er die „FAZ“ und durch sie die Öffentlichkeit wissen – seit längerem auf die Probleme des Finanzmarktes hingewiesen und Veränderungen gefordert, und letztlich sei es das Problem der Journalisten, dass sie lieber über börsliche Höhenflüge als über mahnende wissenschaftliche Expertise berichtet hätten. Die Krise sei also gerade dadurch entstanden, dass die Welt nicht auf die Ökonomen gehört habe.
So viel Krise war lange nicht. Spätestens die erstaunliche Geschwindigkeit, mit der im Herbst 2008 astronomische Summen zur Stützung des internationalen Bankensystems mobilisiert wurden, machte offensichtlich, dass es sich diesmal nicht um einen letztlich sektoral oder regional begrenzten Einbruch der Finanzmärkte und Aktienkurse handelte wie bei der „Asienkrise“ 1997/98 oder beim Platzen der Dotcom-Blase im März 2000. Die wesentlich dramatischere öffentliche Wahrnehmung der Situation dürfte zum nicht geringen Teil die Undurchschaubarkeit jener „strukturierten Produkte“ reflektieren, die aus amerikanischen Immobilienspekulationen für jedermann zunächst eine weltumspannende Banken-, sodann eine allgemeine Wirtschaftskrise gemacht haben, deren Ende trotz der Erholungssignale der Finanzmärkte keineswegs ausgemacht ist.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0) Obwohl der Begriff „Erinnerungskultur" erst seit den 1990er-Jahren Einzug in die Wissenschaftssprache gefunden hat, ist er inzwischen ein Leitbegriff der modernen Kulturgeschichtsforschung.[1] Während er in einem engen Begriffsverständnis als lockerer Sammelbegriff „für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit – mit den verschiedensten Mitteln und für die verschiedensten Zwecke" definiert wird,[2] erscheint es aufgrund der Forschungsentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte insgesamt sinnvoller, „Erinnerungskultur" als einen formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse zu verstehen, seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur. Der Begriff umschließt mithin neben Formen des ahistorischen oder sogar antihistorischen kollektiven Gedächtnisses alle anderen Repräsentationsmodi von Geschichte, darunter den geschichtswissenschaftlichen Diskurs sowie die nur „privaten" Erinnerungen, jedenfalls soweit sie in der Öffentlichkeit Spuren hinterlassen haben. Als Träger dieser Kultur treten Individuen, soziale Gruppen oder sogar Nationen in Erscheinung, teilweise in Übereinstimmung miteinander, teilweise aber auch in einem konfliktreichen Gegeneinander.
Das Wort „Antisemitismus" dient einerseits als Oberbegriff für jede Art von Judenfeindschaft. Andererseits charakterisiert es im engeren Sinne, als Wortbildung des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts, eine neue, pseudowissenschaftlich und nicht religiös, sondern mit „Rassen"-Eigenschaften und -Merkmalen argumentierende Form des antijüdischen Vorbehalts. Von diesem modernen Antisemitismus ist der religiös motivierte, ältere Antijudaismus zu unterscheiden.
Modernisierung
(2010)
Im Einzelnen sehr unterschiedliche modernisierungstheoretische Ansätze – von einer Modernisierungstheorie im Singular sollte nicht gesprochen werden – beanspruchen zu erklären, wie aus traditionalen bzw. vormodernen moderne Gesellschaften entstehen. Dazu wird in der Regel ein Set von mobilisierenden Faktoren präsentiert, die als Kriterium für den Transformationsprozess untersucht werden können. Auf einer weiteren Stufe der Theorieentwicklung wird auch die Modernisierung bereits moderner Gesellschaften als „reflexive Modernisierung" thematisiert.
Herrschaft
(2010)
Herrschaft ist in modernen Gesellschaften ambivalent. Auf der einen Seite finden wir in allen gesellschaftlichen Handlungsfeldern anerkannte hierarchische Formen der Handlungssteuerung wie das moderne Unternehmen oder den Staat; auf der anderen Seite beobachten wir überall Bürokratieversagen, Korruption oder die Auflösung von Herrschaftsstrukturen und deren Übergang in komplexere Regelungsmechanismen.
Als „Historikerstreit" wird eine sowohl öffentlich als auch fachwissenschaftlich geführte Debatte bezeichnet, die sich im Sommer 1986 in Folge eines Artikels des Sozialphilosophen Jürgen Habermas in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit" entfachte. In seinem Artikel griff Habermas führende Neuzeithistoriker der Bundesrepublik an, denen er apologetische Tendenzen im Umgang mit dem Holocaust vorwarf.
Annette Vowinckel weist in ihrem Artikel eingangs auf unterschiedliche Forschungsfelder hin, in denen sich Mediengeschichte bewegt. Um jedoch die differenten Zugänge zur Mediengeschichte adäquat zu verstehen, sind die unterschiedlichen disziplinären Forschungsansätze, Forschungstraditionen und Mediendefinitionen deutlicher zu vergegenwärtigen.
Imperium und Imperialismus
(2010)
Der Begriff des Imperialismus, der während des 20. Jahrhunderts im Zentrum heftiger politischer Deutungskämpfe stand, hat den Blick auf die weltgeschichtliche Rolle der Imperien mehr getrübt als geschärft. Imperiumstheorien sind deswegen eher in kritischer Absetzung gegen Imperialismustheorien zu entwickeln als in deren Gefolge und gemäß deren Vorgaben.
Der vorliegende Text plädiert für eine engere Kooperation von Geschichtswissenschaft und Literaturwissenschaft. Eine solche Zusammenarbeit liegt schon deshalb nahe, weil sich beide Disziplinen aus ihrer Tradition heraus als Textwissenschaften verstehen und quellenorientiert wie textkritisch arbeiten.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Public History ist ein Projekt der Zeitgeschichte, schreiben Hanno Hochmuth und Irmgard Zündorf in ihrem Kommentar. Diese Nähe beschränke sich nicht nur auf die historischen Parallelen ihrer Etablierung, sondern beide Subdisziplinen seien auch inhaltlich und institutionell eng miteinander verknüpft. Die Autoren beschreiben die Ursachen dafür und diskutieren die wissenschaftliche Verortung ebenso wie die gesellschaftlichen Potenziale der Public History.
Social Engineering
(2010)
Social engineering soll als transnationaler, Disziplinen übergreifender Versuch verstanden werden, gegen die vermeintlich zersetzenden Kräfte der industriellen Moderne mit künstlichen Mitteln eine verlorene natürliche Ordnung der Gesellschaft wieder zu erschaffen, indem man eine alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringende, vernünftige soziale Ordnung entwarf.
Verfassungsgeschichte
(2010)
Verfassungsgeschichte begreift sich als Teildisziplin der Rechtsgeschichte. Spätestens seit der Wende zum 20. Jahrhundert steht sie im Schnittpunkt von Geschichts- und Rechtswissenschaft und wird von beiden Disziplinen betrieben. Ihr Gegenstand sind zentrale Normen der Legitimation, Organisation und Ausübung hoheitlicher Gewalt (= Verfassungen im materiellen Sinne), insbesondere die diesbezüglichen ranghöchsten Regelungen in den Rechtsordnungen (= Verfassungen im formellen Sinne).
„Generation” ist ein geschichtlicher Grundbegriff. Er verspricht, eine spezifische Ausprägung des Denkens, Fühlens und Handelns zu erklären, indem die unterstellte dauerhafte und gleichartige Wirkung von Sozialisationsbedingungen auf eine Gruppe von Menschen als kollektive Erfahrung aufgefasst wird.
Darstellungen zur Diskursgeschichte setzen nahezu immer am selben Punkt an (und müssen dies wohl auch tun): beim Begriff des Diskurses selbst. Während in romanischen Sprachen oder im Englischen discours, discorso, discourse etc. zur Alltagssprache gehören, ist dies im Deutschen nicht der Fall – oder: noch nicht.
(Version 1.0, siehe auch Version 3.0)
Umweltgeschichte ist die Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur – auf diesen kurzen und allgemeinen Nenner lassen sich die verschiedenen, mehr oder weniger konkreten Definitionsversuche dieses historischen Teilbereichs bringen. Dabei wird beiden Seiten dieses Wechselverhältnisses, sowohl dem Menschen als auch der Natur, ein eigener Stellenwert eingeräumt, auch wenn sie als unauflöslich verschränkt gedacht werden.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Keine Epoche und kein Gegenstand der Zeitgeschichte ist vor transnationalen Fragestellungen sicher, gleich ob wir im Falle Deutschlands über die die alte Bundesrepublik, die DDR, Weimar, den Nationalsozialismus oder das Kaiserreich forschen. Auch für Europa stellt sich die Frage, ob dieses sich „transnational schreiben” lässt.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Unter Historikern ist mittlerweile unumstritten, dass Medien in der Zeitgeschichte eine zentrale Rolle spielen. Sie werden nicht einfach als virtueller Spiegel von etwas „Realem” aufgefasst, sondern als integraler Teil sozialer Wirklichkeiten. Das gilt etwa für ihre materielle Dimension, ihre jeweilige alltägliche Nutzung und ihren Einfluss auf Wahrnehmungen und soziale Praktiken. Insofern erscheint es gerade in der Zeitgeschichtsforschung bei den meisten Themen unumgänglich, die jeweilige Bedeutung von Medien analytisch einzubeziehen. Über eine Geschichte der Medien hinaus steht entsprechend die Medialität der Geschichte und damit die Bedeutung von Medien für historische Entwicklungen zunehmend im Vordergrund zeithistorischer Untersuchungen.
Historisierung (Version 1.0)
(2010)
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Der Begriff „Historisierung” stellt sicherlich keine Neuheit in der Diskussion über Geschichtstheorie dar. In der Zeitgeschichte hat er sich insbesondere dank der Auseinandersetzung zwischen Martin Broszat und Saul Friedländer über das zulässige Ausmaß historischer Relativierung des Nationalsozialismus etabliert, und in der Tat würden die meisten Fachkolleginnen und -kollegen den Begriff wahrscheinlich mit diesem intellektuellen Ereignis assoziieren. Dennoch nahm der Begriff bisher keineswegs einen zentralen Platz in den fachhistorischen Debatten ein.
Visual History (Version 1.0)
(2010)
(Version 1.0, siehe auch Version 3.0)
In Erweiterung der Historischen Bildforschung markiert Visual History ein in jüngster Zeit vor allem innerhalb der Neuesten Geschichte und der Zeitgeschichte sich etablierendes Forschungsfeld, das Bilder in einem weiten Sinne sowohl als Quellen als auch als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung betrachtet und sich gleichermaßen mit der Visualität von Geschichte wie mit der Historizität des Visuellen befasst.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Zwar begann mit der Diskussion um eine Kulturgeschichte der Politik kein völlig neues Zeitalter; auch davor gab es Untersuchungen, die ähnliche Fragen stellten und vergleichbare Erklärungshorizonte hatten. Die theoretische und methodische Diskussion der letzten zehn Jahre hat aber eine Schärfung des methodischen Arsenals und ein klareres Bewusstsein von Kontinuität und Bruch im Verhältnis zu den älteren Ansätzen der Politikgeschichte erzeugt. Kulturgeschichte der Politik kann sich heute, soweit sie sich als Methode versteht, als eine Alternative zu herkömmlichen Politikgeschichten präsentieren.
Juristische Zeitgeschichte
(2010)
Im Bereich der Rechtsgeschichte beginnt der von Diethelm Klippel kreierte Begriff „Juristische Zeitgeschichte” sich als Bezeichnung für den jüngsten Zeitabschnitt durchzusetzen. Nicht endgültig geklärt ist allerdings die Erstreckung dieses Zeitabschnitts; und umgekehrt herrscht nicht einmal über die Frage, ob der Begriff „Juristische Zeitgeschichte” überhaupt einen Zeitabschnitt bezeichnet, Einigkeit.
Europäisierung
(2010)
In Ihrem Beitrag werfen Ulrike v. Hirschhausen und Kiran Klaus Patel einen kritischen Blick auf "Europäisierung" als empirischen Prozess und analytischen Begriff. Entsprechende sozialwissenschaftliche Diskussionen haben Historiker bislang weitgehend ignoriert - zu Unrecht, so von Hirschhausen und Patel. Beide sehen hier ein lohnendes Feld der Zeitgeschichte, dem sie sich mit einem konstruktivistischen Ansatz nähern: Nur dort, wo historische Akteure konkrete Phänomene als "europäisch" wahrgenommen und benannt haben, kann Europäisierung als Herstellung einer "vorgestellten Gemeinschaft" erforscht werden, ohne mit normativen Voranahmen über einen europäischen "Wesenskern" operieren zu müssen.
Popgeschichte
(2010)
Pop bzw. das Populäre hat in den vergangenen Jahren auch im akademischen Diskurs stark an Gewicht gewonnen. Während sich Disziplinen wie die Kultur-, Musik- und insbesondere die Literaturwissenschaften schon seit Jahrzehnten verstärkt um Theoriebildung auf diesem Feld bemühen, ist es innerhalb der Geschichtsschreibung bislang eher schwach konturiert. Dennoch kommt kaum ein Überblickswerk zur Nachkriegszeit mehr ohne die Kategorie Pop aus.
Version 1.0: Theorie ist ein genuines Element des Forschungssettings wissenschaftlicher Erkenntnisarbeit. Der Begriff wird heute in verschiedenen, sich teils widersprechenden Definitionen verwendet. Mit dem jeweiligen Theorieverständnis verbunden sind Grundentscheidungen über Form und Anwendungspraxis wissenschaftlicher Methoden.
Moderne
(2010)
Early twentieth-century managers identified the human factor in industry as one of the crucial problems of their time. This article reviews recent research on the development from unsystematic labour management to human resources management. Current studies transcend the well-known labour process debate, which focussed on management’s intent to control workers.Growing concern is laid on the fact that some early twentieth-century employers already practised strategies, which are characteristic of post-Fordism, e. g. that it would be more important to utilise individuals than control them with discipline. Studies on scientific management, social engineering, and the human relations approach are reviewed. Furthermore, I shall discuss the question which ones of these concepts were in fact adapted on work floor level. However, it has been proved that regimes of workforce government due to the power of foremen and supervisors were partly independent of higher management’s strategies.
This articles shows from a gender perspective how in twentieth century Germany the sciences of work dealt with the problems of the factory’s spatial order and the human factor. Starting in the 1920s, workers were no longer regarded as mere objects of discipline but rather as individuals whose individuality was to be utilized. As the women workforce grew, also the scientists’ of work interest in the gender question gained significance. Consequently, ergonomics argued for workplace engineering and a new form of leadership that took special care of “psychological and aesthetic” female needs. Therefore, the discourse on humanizing work, becoming hegemonic after 1945, had gender roots usually neglected by historical research.
Die Medialisierung von Politik und Gesellschaft hat zweifellos mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts eine neue Qualität erfahren. Diese ist mit dem Rundfunk, der in Deutschland zum ersten Mal auf dem Höhepunkt der Inflation, im Oktober 1923, auf Sendung ging, entscheidend befördert worden. Das Radio fungierte für die folgenden dreißig bis vierzig Jahre als Leitmedium, das als Ikone des Modernen und der Moderne galt.
Kein Aspekt der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine derart rasante Forschungskarriere absolviert wie das Thema „NS-Zwangsarbeit“. Ein kaum mehr überschaubarer Katalog von Veröffentlichungen legt seit den 1980er Jahren die unzähligen Einzelschichten des Themas frei, so dass unser Wissen über dieses in der Geschichte singuläre Großprojekt zur ungehemmten Abschöpfung von fremder Arbeitskraft für die eigene Kriegswirtschaft exponentiell gewachsen ist.
Seit dem Beginn der empirischen, aktengestützten NS-Forschung in Deutschland sind sechs Jahrzehnte vergangen. Das ist ein Zeitraum, der nicht nur arithmetisch zwei Generationen umspannt, denn mit ein bisschen Generosität und, zugegeben, ein wenig Bereitschaft zur Vereinfachung lässt sich behaupten, dass es vor allem zwei Generationen gewesen sind, die den Kurs der Geschichtsschreibung über das »Dritte Reich« in diesen zweimal 30 Jahren bestimmt haben, und zwar in zeitweise ziemlich kontroverser Debatte: nämlich einerseits die vormaligen Flakhelfer und jungen Frontsoldaten und andererseits die dann schon bald so genannten Achtundsechziger.
Grenzpfähle der Tabuzone. Vom schwierigen Umgang mit Krieg, Gewalt und toten Körpern im Museum
(2010)
Zum Krieg gehört der Tod: Für den Historiker Michael Geyer sind „die willentliche, kalkulierte, menschliche Planung des Massen-Todes, sein öffentlicher Gebrauch im Gefecht und die Erfahrung der Überlebenden mit dem Massentod“ Grundlage des kriegerischen Handelns. Diese Praxis zu rekonstruieren sei Aufgabe der Kriegsgeschichte. Nicht das Gefecht allein, sondern das Töten im Gefecht gehöre ins Zentrum der Analyse, denn „Kriegsgeschichte ist Geschichte organisierter Tötungsgewalt.“ Mit Blick auf Carl von Clausewitz’ Beschreibung der Atmosphäre des Krieges zwischen Gefahr, körperlicher Anstrengung, Ungewissheit und Zufall formulierte Geyer: „Kein Zweifel, Krieg als physische Gewalt spielt sich in Form widerstrebender Gemütsbewegungen in den Köpfen und Leibern der Soldaten ab. Die Arbeit am Tode ist, als Arbeit am Leib, eine Arbeit in Metaphern. Sie kommt zu keinem Ende, da das Zerbrechen der Körper sich der Darstellung entzieht.“